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„DIGITALISIERUNG MACHT NUR SINN, WENN SIE DEM KUNDEN ODER DEM UNTERNEHMEN NUTZT“

Im Gespräch mit Prof. Dr. Peter Philippi-Beck, Prof. Dr. Andreas Pufall und Prof. Dr.-Ing. Heiner Smets, Experten des Steinbeis-Kompetenzteams Technologie­umsetzung – Unternehmensoptimierung K|T|U

Drei Steinbeis-Unternehmen – ein Gedanke: Unternehmen ganzheitliche Lösungen anzubieten. Dieser Ansatz ist gerade heute in Zeiten der allumfassenden Digitalisierung und Konvergenz von Technologien und Branchen für Unternehmen besonders wichtig, aber wie funktioniert das in der Praxis? Um das zu erfahren, hat die TRANSFER Prof. Dr. Peter Philippi-Beck, Prof. Dr. Andreas Pufall und Prof. Dr.-Ing. Heiner Smets getroffen, die 2016 ihre Kompetenzen gebündelt haben, um Unternehmen bei der Erkennung von technologischen Trends und deren Umsetzung in neue Geschäftsmodelle, zukünftige Produkte sowie Produktionsprozesse zu unterstützen.

Herr Professor Philippi-Beck, 2016 haben Sie zusammen mit Professor Pufall und Professor Smets das Stein­beis-Kompetenzteam Technologieumsetzung – Unternehmensoptimierung gegründet. Was war der Gedanke dahinter?

Unsere Idee war damals, interdisziplinäre Dienstleistungen anzubieten, also nicht nur wirtschaftliche oder technische Lösungen für die Kunden zu erarbeiten, sondern umfassende Lösungsansätze zu bieten. Und dieser Ansatz bleibt auch weiterhin aktuell und wichtig. Wir sind mit einem Fokus auf Produktionsthemen gestartet, stellen aber zunehmend fest, dass weitere Kompetenzen in das Wissensnetzwerk eingebunden werden müssen, da durch den Wandel in der Wirtschaft die Themenbereiche breiter werden und sich dynamisch verändern. Vor diesem Hintergrund muss auch ein solches Netzwerk dynamisch gestaltet werden. Nehmen wir nur einmal das Thema 3D-Druck: Hier geht es nicht nur um die eigentliche Produktion von Teilen, die möglicherweise mit anderen Verfahren in dieser Flexibilität nicht möglich wäre. Es geht vielmehr darum, die gesamte Wertschöpfungskette zu betrachten und daraus die intelligenteste Lösung zu generieren. Diese beinhaltet neue Kompetenzen in der Auftragsabwicklung, in der 3D-gerechten Konstruktion und in der Einbettung des Verfahrens in die existierende Entwicklungs-, Produktions- und Logistikinfrastruktur. Im Fokus muss aber die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen und der Erhalt ihrer Geschäftsmodelle mit Hilfe der modernen Technik bleiben.

Herr Professor Smets, Sie beschäftigen sich intensiv mit dem Thema der Unternehmensoptimierung, wie grenzen Sie sie ab von der Unternehmensentwicklung? Und was ist entscheidend für eine erfolgreiche Unternehmensoptimierung?

Wir beschäftigen uns mit der Optimierung auf der operativen Ebene. Es geht uns also darum, Produkte und Produktion mit Hilfe der neuen Technik so zu verbessern, dass sich die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens steigert. Das ist mit dem Verständnis von Erfolgsfaktoren und dem Einsatz effizienter Steuerungsinstrumente in diesem Bereich verbunden. Der Begriff „Unternehmensentwicklung“ ist weiter gefasst. Hier kommen Aspekte wie zum Beispiel Organisationsentwicklung, organisationaler Wandel oder Führung hinzu. Selbstverständlich erfordern auch diese ein Verständnis für Geschäftsmodelle, wodurch eine Schnittstelle zur Unternehmensstrategie entsteht, deren Teil die Unternehmensoptimierung ist.

Herr Professor Pufall, Produktentwicklung ist eine der Möglichkeiten der Unternehmensentwicklung und von großer Bedeutung für den Erfolg eines Unternehmens, speziell von KMU. Welche Faktoren beeinflussen aktuell die Produktentwicklung und welche werden das Ihrer Meinung nach in der Zukunft tun?

Moderne Produkte sind zunehmend intelligent, vernetzt und nachhaltig. Daraus ergeben sich drei zentrale Herausforderungen für KMU im Bereich der Produktentwicklung: Erstens kommt der Entwicklung von Dienstleistungen als Produkt oder als Teil eines physischen Erzeugnisses eine immer größere Bedeutung zu. Viele solcher Produktfunktionen werden dabei vor allem durch Software ermöglicht und bereitgestellt. Typische Beispiele sind Smartphone-Apps, die zusätzlich zu den eigentlichen Produkten vertrieben werden, oder intelligente Zusatzleistungen wie vorausschauende Wartung oder begleitende Web-Services. Dadurch erhöht sich die Funktionskomplexität und der Softwareentwicklung kommt eine immer wichtigere Rolle innerhalb der Produktentwicklung zu. Größere Unternehmen reagieren darauf vermehrt mit modellbasierter und virtueller Produktentwicklung sowie agilen und evolutionären Vorgehensmodellen. KMU jedoch tun sich häufig schwer, ohne entsprechende Fachabteilungen ihre Herangehensweisen in der Produktentwicklung anzupassen. Sie arbeiten oft noch nach sequentiellen Vorgehensmodellen mit klar definierten Entwicklungsphasen und fixierten Anforderungslisten aus der Marketing- oder Vertriebsabteilung. Ein solches Vorgehensmodell ist aber ineffizient, wenn softwaregetriebene Produkte iterativ vom Geschäftsmodell her entwickelt werden sollen.

Zweitens berücksichtigt moderne Produktentwicklung in einer ganzheitlichen Sichtweise alle Aspekte über alle Lebensphasen eines Produkts. Damit soll das Zusammenwirken aller beteiligten Instanzen erreicht und ein Silodenken vermieden werden. Beispielsweise werden in erfolgreichen Start-ups Kunden und andere Akteure mit entsprechender Expertise sehr eng in den Entwicklungsprozess integriert, um dadurch das Innovationspotenzial zu erhöhen. Aber auch bei etablierten Unternehmen werden Produktionstechniker, Logistikexperten, Zertifizierungsdienstleister und externe Akteure wie Kundendiensttechniker oder Verwerter zunehmend am Systemdesign beteiligt, um damit den Produktnutzen für alle Beteiligten zu optimieren. Produkte dürfen nicht nur auf die Funktionserfüllung während der disziplinspezifischen Detailentwicklung optimiert werden, sondern auch für alle der eigentlichen Produktentwicklung nachfolgenden Phasen des Produktlebenszyklus. Ein Produkt muss nachhaltig sowie fertigungs-, wartungs-, logistik-, und recyclinggerecht ausgelegt werden. Speziell beim Thema nachhaltiges Produktdesign ist es wichtig, möglichst früh und interdisziplinär alle möglichen negativen Auswirkungen eines Produktdesigns über den gesamten Lebenszyklus zu verstehen. Häufig fehlt KMU jedoch das Verständnis für den Sinn und Nutzen solcher Betrachtungen, als auch die Expertise für die Durchführung quantitativer Analysen.

Und drittens wird moderne Produktentwicklung – wie auch modernes Supply Chain Management – nicht mehr nur von linear verketteten Unternehmen wahrgenommen, sondern verstärkt in Wertschöpfungsnetzwerken ablaufen. Produktentwicklung wird damit zu einer unternehmensübergreifenden und stark interdisziplinären Aufgabe, in der Spezialisten aus unterschiedlichen Fachdisziplinen gemeinschaftlich zusammenwirken müssen. Die Aufwände für das unternehmensübergreifende Projektmanagement, ein durchgängiges digitales Engineering und die Kommunikation zwischen allen Beteiligten über verschiedene Kulturräume und Zeitzonen hinweg, gewinnen damit an Bedeutung. Zentral sind dabei auch Entscheidungen darüber, welche Wertschöpfungsanteile das eigene Unternehmen übernimmt, welche Kompetenzen dabei eingebracht und aufgebaut werden sollen und mit welchen Partnern man kooperiert. 

Insgesamt zeigt sich, dass Unternehmen für eine zukunftsfähige Produktentwicklung ihre Methoden, Prozesse, IT-Lösungen und Organisationsformen regelmäßig überdenken und weiterentwickeln müssen. Genau hier setzen wir als K|T|U-Team an und begleiten KMU proaktiv dabei, die richtigen situationsspezifischen Akzente bei der Gestaltung und Optimierung ihrer Entwicklungsprozesse zu setzen.

Erfolgreiche Unternehmen erzielen Wertschöpfung durch attraktive Produkte, effiziente Prozesse und neue Geschäftsmodelle, aber der Weg dorthin ist steinig. Wo sehen Sie die größten Herausforderungen, insbesondere für KMU, und wie unterstützt das Steinbeis-Kompetenz­team Unternehmen dabei?

Andreas Pufall:
Die größte Herausforderung für KMU ist, mit den Chancen der Digitalisierung umzugehen, um ihre Prozesse und Produkte wettbewerbsfähig zu halten. Dabei macht die Digitalisierung aber nur Sinn, wenn sie dem Kunden oder dem Unternehmen nutzt, und gerade hier liegt die größte Herausforderung. Beispielsweise gibt es noch viele Unternehmen, deren Produktionsprozesse von einer Menge an Papierdokumenten, hohen Beständen und schlechter Synchronisation zwischen den Arbeitsbereichen geprägt sind. Eine unreflektierte digitale Vernetzung aller Produktionsmittel ohne entsprechende Nutzenbetrachtung wäre in einem solchen Fall eher kontraproduktiv, auch wenn der mittelfristig daraus entstehende Nutzen vielfach unbestritten ist. 

Peter Philippi-Beck:
Es geht vielmehr um das Erarbeiten relevanter Innovationsansätze, bei dem interdisziplinäre Expertise und ein methodisches sowie systematisches Vorgehen gefragt sind. Dabei ist es kein Geheimnis mehr, dass erfolgreiche Digitalisierungsprojekte im Mittelstand vielfach nur aufgrund von Netzwerken umgesetzt werden konnten. Einzelne Unternehmen sind in einer vernetzten Welt selten in der Lage, die Bedürfnisse ihrer Kunden erfolgreich zu erfüllen. Unser Ziel ist es, Unternehmen in diesem komplexen Prozess zu begleiten, um mit den richtigen Technologien das Geschäft weiter zielgerichtet und erfolgreich zu entwickeln.

Kontakt

Prof. Dr. Peter Philippi-Beck (Autor)
Leiter
Steinbeis-Transferzentrum Internationalisierung – Beteiligungen – Nachfolgeregelung (I/B/N) (Ravensburg)
www.stz-ibn.de/

Prof. Dr. Andreas Pufall (Autor)
Leiter
Steinbeis-Transferzentrum Produktion und Produktentwicklung (Ulm)

Prof. Dr.-Ing. Heiner Smets (Autor)
Leiter
Steinbeis-Transferzentrum Unternehmens­optimierung und Betriebsorganisation (Coburg)