Im Gespräch mit Bruno Gross, geschäftsführender Gesellschafter der SAPHIR Deutschland GmbH
Können sich die Personaler der Zukunft entspannt zurücklehnen und die Mitarbeiterauswahl kluger Software überlassen? Oder können und sollen diese Entscheidungen auch weiterhin nur von Menschen getroffen werden? Der Steinbeis-Experte Bruno Gross (SAPHIR Deutschland GmbH) ist überzeugt, dass nur der Mensch die Endauswahl treffen kann. Warum das so ist, wie sich die Anforderungen des Bewerbermarktes verändern und wieso sich er und sein Team auf die Vermittlung von jungen Talenten spezialisiert hat, darüber hat sich die TRANSFER mit ihm unterhalten.
Herr Gross, wie kommt man als Theologe zu einem Unternehmen, dessen Schwerpunkte in der Auswahl, Rekrutierung und Bindung von High Potentials liegen? Wie hat Steinbeis Ihren beruflichen Werdegang beeinflusst?
Mein Interesse an Menschen hat viele meiner Entscheidungen beeinflusst, auch die für ein Theologie-Studium. Im Kern ging es mir immer um die Frage, wie das Leben von Menschen gelingen kann.
Darum geht es auch in meiner aktuellen Aufgabe: Gemeinsam mit meinen SAPHIR-Kolleginnen und -Kollegen möchte ich jungen Menschen herausfordernde Aufgaben und Projekte vermitteln und ihnen auf diese Weise die Entfaltung ihrer Potenziale ermöglichen.
Meine Prägung durch Steinbeis, sowohl durch mein Studium als auch meine Tätigkeiten an der Steinbeis-Hochschule, lässt mich in meiner Arbeit den Fokus auf das jeweils Mögliche legen, ohne den Horizont aus dem Blick zu verlieren. Die Herstellung von Produkten oder die Erbringung von Dienstleistungen zielt letztlich immer auf das Schaffen von Werten und Perspektiven. Das ist es, worum es geht. Das ist für mich Steinbeis.
Die Veränderungen der Märkte und der Umwelt eines Unternehmens verlangen ein Umdenken in der Unternehmensentwicklung. Das hat Auswirkungen auf das Recruiting, denn die Qualifikationen und Kompetenzen der Mitarbeiter entscheiden über den Unternehmenserfolg. Wo sehen Sie aktuell die größten Herausforderungen für das Recruiting?
Wir machen die Erfahrung, dass in vielen Unternehmen immer noch sehr konservativ eingestellt wird. Das heißt, dass für eine bestimmte Aufgabe eine Person mit festgelegten Qualifikationen und Erfahrungen gesucht wird. Ich empfehle den Unternehmen eine Aufgabe nicht mit einzelnen Tätigkeiten zu beschreiben, sondern die Probleme und Ziele zu definieren, die an dieser Stelle gelöst und erreicht werden sollen.
In einigen Fällen gibt die Art der Problemlösung auch weiterhin zwingend die Art der Qualifikation und Erfahrung vor. In vielen anderen Fällen ist es jedoch möglich, auf Menschen zu setzen, die in der Lage sind, in ergebnisoffenen Situationen frei und kreativ zu agieren und neue Wege zu beschreiten. So muss ein IT-Projekt nicht immer zwingend von einem Informatiker geleitet, sondern kann je nach Aufgabenstellung auch von einem Geisteswissenschaftler zum Erfolg geführt werden.
Natürlich spielen Qualifikationen auch in Zukunft eine große Rolle. Ein breit angelegtes Kompetenzprofil ist aber die Schlüsselqualifikation der Zukunft.
Die SAPHIR Deutschland GmbH hat sich auf die Rekrutierung, Auswahl, Qualifizierung und Bindung von jungen Talenten spezialisiert, warum ausgerechnet diese Zielgruppe?
Dafür gibt es einen historischen und einen ideellen Grund. Meine Vorgängerin, Bettina Rominger, hat 2007 gemeinsam mit Prof. Werner Faix die SAPHIR Deutschland GmbH gegründet, weil die beiden schon damals erkannt haben, dass die organisatorische Ausdifferenzierung und inhaltliche Spezialisierung des Recruiting als eigenständiger Tätigkeitsbereich die strategisch angemessene Antwort auf die Entwicklungen des Bewerbermarktes sind.
Aus dieser Einsicht in künftige Entwicklungen erwuchs zudem die Überzeugung, dass die Gewinnung von jungen Talenten aus vielerlei Gründen eine Spezialisierung und auch andere Kommunikation erfordert als beispielsweise die mit Fachkräften mittleren Alters.
Junge Menschen auf der Suche nach ihrem Berufsweg zielgruppengerecht und mit zukunftsorientierten Projekten anzusprechen, durch den Bewerbungsprozess zu begleiten und ihnen individuelle Perspektiven zu vermitteln, macht außerdem einfach sehr viel Spaß.
Welche Trends prägen Ihrer Meinung nach das Recruiting, aber auch die Personalentwicklung der Zukunft? Werden mathematische Algorithmen zukünftig die Bewerberauswahl treffen?
Während die Personalarbeit wegen der Forderung der Beständigkeit und Verlässlichkeit eher als konservativ wahrgenommen wird, geriert sich die tendenziell junge „Recruiter-Szene“ aufgrund hoher Anforderungen an ihre Flexibilität eher hip und experimentierfreudig. Daher sind Recruiter tendenziell offener für neue technische Lösungen, so wie zum Beispiel künstliche Intelligenz.
Ich schließe nicht aus, dass es in einigen Jahrzehnten tatsächlich rein „maschinengestützte“ Auswahlverfahren geben kann. Dies wird aber eher die Ausnahme bleiben. Ansonsten werden Menschen in der Personalauswahl zwar im zunehmenden Maße durch intelligente Technik unterstützt, die Endauswahl wird aber auch in Zukunft weiterhin durch Menschen erfolgen. Denn eine Maschine wird Aussagen über die Passung von Qualifikationen, Erfahrungen und Kompetenzen zu bestimmten Aufgaben treffen können, sie wird aber nicht die Passung der „Chemie“ zwischen Menschen beurteilen können. Dies lässt sich nur im direkten Begegnen und Erleben erfahren. Kurz gesagt: Die Maschinen werden künftig die Vor-, die Menschen die Endauswahl übernehmen – fast so wie bei Partneragenturen.
Natürlich sind bei diesem Setting Fehleinschätzungen nicht ausgeschlossen, denn irren ist ja bekanntlich menschlich. Aber die für die Auswahl Zuständigen können hierfür Verantwortung übernehmen, die Maschinen nicht.
Kontakt
Bruno Gross (Autor)
Geschäftsführender Gesellschafter
SAPHIR Deutschland GmbH (Herrenberg)
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