Offen sein für technologische Entwicklungen, dafür plädiert Steinbeis-Experte Prof. Dr.-Ing. Dr. h.c. Norbert Höptner
Laptop. Smartphone. Navi. Die für diese Geräte notwendigen Technologien akzeptieren wir ohne großes Nachdenken. Fly-by-wire. Autonom fahrende Autos. Drohnen. Da ziehen bei vielen Menschen schon die ersten Skeptikerfalten auf die Stirn. Operationen ohne Arzt. 3D-gedruckte Organe. Experimental Food. Spätestens hier schaltet unsere Gesellschaft größtenteils auf „konventionelles Denken und Handeln“ um. Warum? Weil uns das Know-how fehlt, diese neuen Technologien zu verstehen. Weil wir uns nicht die Zeit nehmen, sie begreifen zu lernen. Das ist nicht nur falsch, es ist ein Risiko für die gute Weiterentwicklung unserer Gesellschaft.
Um es gleich vorwegzunehmen: Dies ist kein Plädoyer dafür, alle neuen Technologien, Techniken und daraus resultierende Produkte per se gut zu finden. Aber es ist eine Aufforderung, dass sich der Einzelne seine Meinung nicht aufgrund von zufällig zum Beispiel in sozialen Medien verbreiteten „Erkenntnissen“ bildet. Neue Technologien sind fast immer multidisziplinär zusammengesetzt – nennen wir sie deshalb Technologie*. Es ist sicher nicht möglich, dass jeder Mensch sich in allen Disziplinen fachlich tief auskennt. Das verfügbare Wissen ist viel zu groß, als dass jeder Bürger dies einfach so parat haben kann – trotz Wikipedia und Co. Wir brauchen also Menschen, die uns die Technologie* erklären – begreifbar machen. Außerdem müssen mögliche Anwendungen aufgezeigt werden, so dass man sich ein konkretes Bild von einer Gesellschaft machen kann, die diese Technologie* nutzt. Chancen und Risiken sind zu diskutieren. Experten müssen sich beteiligen, damit Fragen konkret beantwortet werden können. Und alles muss in einem vertraulichen Rahmen stattfinden mit einer „neutralen“ und sachlich-orientierten Moderation.
Wenn Sie jetzt denken: „Prima, da würde ich mitmachen – aber dazu finde ich keine Angebote“, dann kann ich Sie positiv überraschen. Das Team im Ferdinand-Steinbeis- Institut hat sich auf den Weg gemacht, ein Format und einen Vertrauensraum zu erarbeiten. Und das Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Wohnungsbau Baden-Württemberg stellt die erforderlichen Mittel für unser Projekt unter dem Arbeitstitel „Macro Testbed – Technologie*Begreifen“ bereit. Online finden Sie uns etwas griffiger unter #techourfuture beziehungsweise www.techourfuture. de (mehr dazu lesen Sie auf S. 17 ff.).
Was ist der Nutzen, wenn sich Menschen mehr mit technologischen Themen beschäftigen? Zuerst einmal fühlt man sich besser und in der Lage fundierter zu entscheiden, wenn man nicht nur eine „black box“ vor sich sieht, sondern den Inhalt erkennen kann. Es hilft, mit der Sorge eines „Kontrollverlustes“ im eigenen Leben besser umgehen zu können. Und dies wirkt dem Phänomen „Wut aus Hilflosigkeit“ entgegen. Arbeitsplätze im Hightech- Sektor werden attraktiver, weil man klarer sieht, welchen Nutzen die eigene Arbeitsleistung für die Gesellschaft erbringt. Und nicht zuletzt ist das Schaffen von Transparenz im Bereich der Technologien und Technik ein wichtiger Baustein gelebter Demokratie.
Also schlage ich vor: Reden Sie mal mit Ihren Verwandten, Bekannten und Kollegen bei einer Tasse Kaffee, einem Glas Bier oder Wein statt über das Wetter über Technologie*!
Kontakt
Prof. Dr.-Ing. Dr. h.c. Norbert Höptner (Autor)
Research Fellow
Ferdinand-Steinbeis-Institut (Stuttgart)
www.steinbeis-fsti.de
www.techourfuture.de
Prof. Dr.-Ing. Dr. h.c. Norbert Höptner studierte Nachrichtentechnik an der Technischen Hochschule in Darmstadt. 1982 promovierte er an der Technischen Universität Karlsruhe im Bereich der Digitalen Signalverarbeitungssysteme. 1989 folgte die Erstberufung als Professor an die damalige Fachhochschule Karlsruhe. In dieser Zeit gründete er das Steinbeis-Transferzentrum Signalverarbeitungssysteme und widmete sich neben seiner Lehr- und Forschungstätigkeit verstärkt dem Technologietransfer. 1992 wechselte er als Gründungsdekan für den Fachbereich Elektrotechnik an die Fachhochschule Pforzheim. Hier war er von 1995 bis 1999 Prorektor und Leiter des hochschulinternen Instituts für Angewandte Forschung (IAF). Im Anschluss folgten vier Jahre als Rektor der Hochschule für Gestaltung, Technik und Wirtschaft in Pforzheim.
2002 nahm Norbert Höptner die Tätigkeit als Europabeauftragter des Wirtschaftsministers des Landes Baden-Württemberg sowie Direktor des Steinbeis-Europa-Zentrums mit Sitz in Stuttgart und Karlsruhe auf. Seit Juli 2018 widmet er sich im Ferdinand-Steinbeis- Institut der Steinbeis-Stiftung schwerpunktmäßig dem Thema „Technologien begreifbar machen“