© istockphoto.com/lushik

LEBENSLANG INFORMELL LERNEN: SO GELINGT DIE DIGITALE TRANSFORMATION NACHHALTIG

Kommunikation und Weiterbildung spielen neben dem technologischen Wandel eine zentrale Rolle

Digitale Transformation wird oft nur als technologischer Prozess begriffen, der einen Fokus auf die Digitalisierung von bestimmten Aspekten des Unternehmens legt. Die Notwendigkeit einer kontinuierlichen Veränderung und insbesondere Faktoren wie Kommunikation, Unternehmenskultur, Weiterbildung und Lernkultur kommen hier häufig zu kurz. Professor Dr. Pia Sue Helferich und Professor Dr. Thomas Pleil, Experten am Steinbeis-­Transferzentrum flux in Dieburg, erklären, wa­rum gerade diese Aspekte eine zentrale Rolle einnehmen, wenn es um das Gelingen von digitalen Veränderungsprozessen in Unternehmen geht.

Wenn es darum geht, die digitale Trans­formation im Unternehmen nicht als einmaliges Projekt zu begreifen, sondern eine grundsätzliche Veränderungsbereitschaft in die DNA des Unternehmens zu integrieren, spielen Kommunikation, Unternehmenskultur, Weiterbildung und Lernkultur eine entscheidende Rolle. Ein wichtiger Aspekt dabei ist das lebenslange Lernen: Wenn sich Mitarbeiter lebenslang im Job weiterbilden, sichert dies ihre Employability und Zufriedenheit und hilft zugleich den Unternehmen, wettbewerbsfähig und flexibel zu bleiben, um sich auf die kommenden Gegebenheiten einzustellen.

Lebenslanges Lernen als Konzept ist lange bekannt – allerdings haben sich mit der voranschreitenden Digitalisierung die Bedingungen für unser Privat- und Arbeitsleben verändert (Uhlig 2008, S. 13; Head et al. 2015), was auch Auswirkungen auf das lebenslange Lernen hat. Es gibt in Unternehmen verschiedene Möglichkeiten des Lernens, zum Beispiel informelles Lernen, Lernen im Job oder mit Kollegen oder auch formales Lernen wie Kurse oder spezielle Trainings (Head et al. 2015; Tough 1979; Avergun und Del Gaizo 2011, S. 198–199). Seit einigen Jahren ist das Interesse insbesondere an informellem Lernen gestiegen (Eraut 2004, S. 247). Dies liegt vor allem daran, dass im Arbeitsalltag laufend kleinere neue Aufgaben beziehungsweise Probleme zu bewältigen sind und Kollegen oder Online-Recherchen zur Lösung beitragen können, so tritt bei den Beschäftigten ein Lerneffekt sozusagen „nebenbei“ ein.

INFORMELLES LEBENSLANGES LERNEN BRAUCHT KOMPETENZEN

Informelles lebenslanges Lernen bedeutet auch, dass Lernende mehr Verantwortung für ihren Lernprozess tragen und dafür bestimmte Kompetenzen benötigen. Hierzu zählen beispielsweise die Fähigkeit zur direkten oder digitalen Interaktion mit anderen oder die Bewertung von verfügbaren Informationsquellen. Denn insbesondere durch die Digitalisierung sind Informationen nahezu in Echtzeit verfügbar und müssen gesucht, gefiltert, erfasst und durch die Lernenden bewertet werden. Solche Kompetenzen werden international unter Begriffen wie Web Literacy (Wittenbrink 2012) oder Digital Literacy diskutiert. Diese Fähigkeiten sind insofern relevant für das informelle Lernen, weil dieses nicht nur im persönlichen Kontakt innerhalb eines Büros stattfindet und diese Kompetenzen einen Bogen schlagen vom Finden von und Umgehen mit Informationen über den digitalen Austausch mit anderen. Auch die Fähigkeit selbst Informationen aufzubereiten und darzustellen, damit sie von anderen genutzt werden können, spielt eine wichtige Rolle.

INFORMELLES LERNEN ALS TEIL DER UNTERNEHMENSKULTUR

Vor diesem Hintergrund gewinnt die Frage immer mehr an Bedeutung, wie Unternehmen lebenslanges Lernen ihrer Mitarbeitenden fördern können. Das Steinbeis-Team um Pia Sue Helferich und Thomas Pleil hat folgende Tipps für Unternehmen entwickelt, basierend auf Befragungen von kleinen und mittleren Unternehmen in der Kommunikationsbranche (Helferich 2017):

  • Vernetzung und soziale Beziehungen: Soziale Beziehungen, sowohl digitale als auch die im realen Leben, nehmen für viele eine Schlüsselrolle im lebenslangen Lernen ein. Unternehmen können dies durch interne Events wie Barcamps oder andere Lern- und Austauschformate unterstützen, beispielsweise durch Aspekte wie die Working out Loud-Methode. Aber auch das Pflegen externer Kontakte ist wichtig für das lebenslange Lernen, da diese neues Wissen ins Unternehmen bringen. Dies kann durch den Besuch von externen Veranstaltungen geschehen, aber auch die digitale Netzwerkpflege in Onlinecommunities auf LinkedIn, XING, Twitter & Co. spielt hier eine wichtige Rolle.
  • Mitarbeitenden Zeit geben, sich mit Themen zu beschäftigen: In einigen Unternehmen haben Beschäftigte ein wöchentliches Zeitbudget (zum Beispiel zwei bis vier Stunden), um sich mit einem Thema ihrer Wahl zu beschäftigen. Dieses Wissen teilen sie dann mit den Kollegen.
  • Wissen nicht als Machtinstrument verstehen: Das Teilen von Wissen sollte eines der zentralen Prinzipien im Unternehmen sein und nicht als Machtinstrument gesehen werden. Eine Kultur des Gebens und Nehmens von Wissen ermöglicht lebenslanges Lernen.
  • Private Projekte fördern: In einigen der befragten Unternehmen hatten die Mitarbeiter die Möglichkeit, die Ressourcen des Unternehmens für Projekte wie zum Beispiel einen Hackathon für einen guten Zweck zu nutzen. Das kostet zwar das Unternehmen im ersten Moment Ressourcen, führt dann aber dazu, dass die Mitarbeitenden motiviert und mit starker Identifikation im Unternehmensalltag aktiv werden. Zudem kann dies auch als Innovationsquelle genutzt werden.

Diese Maßnahmen stellen nur einen kleinen Ausschnitt dar und sind Beispiele dafür, was Unternehmen konkret tun können, um eine Kultur im Unternehmen zu fördern, die lebenslanges Lernen der Mitarbeitenden ermöglicht.

Kontakt

Prof. Dr. Pia Sue Helferich (Autorin)
Leiterin
Steinbeis-Transferzentrum flux – Organisations­entwicklung, Kommunikation und Lernen (Dieburg)

 

Kontakt

Prof. Dr. Thomas Pleil
Leiter

Steinbeis-Transferzentrum flux – Organisations­entwicklung, Kommunikation und Lernen (Dieburg)

 

Literatur

  •  Avergun, Amy; Del Gaizo, Edward R. (2011): Professionals in Lifelong Learning. In: Manuel London (Hg.): The Oxford handbook of lifelong learning. Oxford, New York: Oxford University Press, S. 195 – 208.
  • Eraut, Michael (2004): Informal learning in the workplace. In: Studies in Continuing Education 26 (2), S. 247 – 273. DOI: 10.1080/158037042000225245.
  • Head, Alison; Van Hoeck, Michele; Garson, Deborah (2015): Lifelong learning in the digital age: A content analysis of recent research on participation. In: First Monday 20 (2).
  • Helferich, Pia Sue (2017): Developing a model for Lifelong Learning of Communication Professionals in Agencies. Dissertation. Cork Institute of Technology, Ireland. International Business.
  • Tough, Allen M. (1979): The adult’s learning projects. A fresh approach to theory and practice in adult learning. 2d ed. Austin, Tex.: Learning Concepts (Research in education series, no. 1). Online verfügbar unter http://ieti.org/tough/books/alp.htm, zuletzt zugegriffen am 16.07.2019.
  • Uhlig, Jens (2008): Lebenslänglich lernen. In: Rita Herwig, Jens Uhlig und Johannes Küstner (Hg.): Wissen als Begleiter!? Das Individuum als lebenslanger Lerner. Berlin, Münster: Lit (Diagonal denken, Bd. 4), S. 9 – 15.
  • Wittenbrink, Heinz (2012): Web Literacy = Data Literacies + Content Literacies + Network Literacies. In: Lost and Found, Weblogeintrag vom 19.04.2012; https://wittenbrink.net/lostandfound/web-literacy-data-literacies-content-literacies-network-literacies/, zuletzt zugegriffen am 16.07.2019.