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KOOPERATION STATT KONFRONTATION

Steinbeis-Teams arbeiten an der Verzahnung von technischen und sozialen Innovationen

Innovationen werden von und für Menschen gemacht. In Zeiten der Digitalisierung und bei aller Fokussierung auf technische Entwicklungen gilt es daher umso mehr, auch das Soziale verstärkt im Blick zu haben. Denn die Digitalisierung mit ihrem Dreiklang aus Automatisierung, Vernetzung und Dezentralisierung verändert das heutige Wirtschafts- und Arbeitsleben und wird dies auch in den nächsten Jahren mitunter massiv tun. Wie diese Veränderung im Detail aussehen wird, kann niemand zuverlässig prognostizieren – zumal dieser technische Wandel mit anderen großen gesellschaftlichen Herausforderungen einhergeht, beispielsweise dem demografischen Wandel, der Globalisierung, aber auch dem Klimawandel und der Endlichkeit unserer Ressourcen. Fakt ist: Wir werden diesen Herausforderungen mit Innovationen begegnen müssen. Das Steinbeis-Europa-Zentrum und das Steinbeis-Transferzentrum Soziale und Technische Innovation zeigen, dass technische und soziale Innovationen kein Entweder-Oder sondern ein erfolgreiches Miteinander darstellen können.

Gerade weil Innovationen von und für Menschen gemacht werden, muss angesichts großer gesellschaftlicher Umbrüche und Herausforderungen auch die Frage nach ihrem gesellschaftlichen Nutzen gestellt werden. Dafür bedarf es eines Verständnisses, das sowohl technische als auch nicht technische, aber eben auch soziale und gesellschaftsdienende Innovationen umfasst. Denn das, was zunächst betriebswirtschaftlich erfolgreich sein mag, muss nicht zwingend volkswirtschaftlich sinnvoll oder gar gesellschaftlich erwünscht sein.

SOZIALE INNOVATION: MEHRWERT FÜR DIE GESELLSCHAFT

Soziale Innovationen sind zielgerichtete Neukonfigurationen sozialer Praktiken, die Probleme oder Bedürfnisse besser lösen oder befriedigen, als dies auf der Grundlage etablierter Praktiken möglich ist (Howaldt et al. 2008: 65), und die es „deshalb wert sind, nachgeahmt und institutionalisiert zu werden“ (Zapf 1989: 177). Damit können gerade soziale Innovationen einen wesentlichen Beitrag zum gesamtgesellschaftlichen Fortschritt leisten. Zudem haben soziale Innovationen Einfluss darauf, ob eine technische Invention zur verbreiteten Innovation wird, auf welchen Wegen und Kanälen sie sich ausbreitet und welche Wirkung sie dabei entfaltet. Denn eine Innovation muss immer beides umfassen: Invention und Diffusion. Es geht um eine neue Idee, ein neues Produkt, einen neuen Prozess, eine neue Dienstleistung und darum, wie diese von einem Menschen zum anderen kommt. Und schließlich auch um die Frage, wie sie sich im Markt durchsetzt und diffundiert. Soziale Innovationen stellen einerseits neue Praktiken zur Bewältigung gesellschaftlicher Herausforderungen dar, die von betroffenen Personen, Gruppen und Organisationen angenommen und genutzt werden. Damit können auch technologische Innovationen soziale Innovationen sein. Andererseits helfen sie aber auch vielen technischen Entwicklungen bei der Verbreitung.

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STUDIE BELEGT BEDEUTUNG SOZIALER INNOVATIONEN

Soziale Innovationen adressieren unterschiedliche gesellschaftliche Bedürfnisse, zum Beispiel in den Bereichen Gesundheit und Strukturwandel im ländlichen Raum. Das Steinbeis-Europa-Zentrum hat in Kooperation mit dem Centrum für soziale Investitionen und Innovationen (CSI) an der Universität Heidelberg in einer Studie für das Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Wohnungsbau Baden-Württemberg die wirtschaftliche und technologische Bedeutung verschiedener konkreter sozialer Innovationen aufgezeigt. Aus über 100 sozialen Innovationen wählte das Projektteam 19 aus und untersuchte sie. „So konnten wir an konkreten Beispielen aufzeigen, dass die soziale Ausrichtung und der wirtschaftliche Erfolg einer Innovation keineswegs Gegensätze sind, sondern sich im Gegenteil gegenseitig bestärken können“, unterstreicht Dr. Victoria Blessing, die die Studie als Projektleiterin des Steinbeis- Europa-Zentrums koordiniert hat. Die Studie identifizierte sowohl soziale Innovationen, die aus bestehenden Unternehmen heraus entwickelt wurden, als auch soziale Innovationen, auf deren Basis Unternehmen gegründet wurden – letzteres zum Teil mit großem Erfolg.

Aus der sozialen Innovation der „IT-Hardware Wiederaufbereitung und zertifizierten Datenlöschung mit Mitarbeitern mit Behinderung“ ist beispielsweise die AfB gGmbH entstanden, die inzwischen zu einem mittelständischen Unternehmen herangewachsen ist. Entscheidend für den Erfolg des Unternehmens ist das solide Geschäftsmodell. IT-Hardware, deren Nutzungsdauer endet, wird in großen Mengen von der AfB bei Unternehmen abgeholt, die Daten werden gelöscht und die Geräte aufbereitet. Der Verkauf der Geräte an Endverbraucher erfolgt dann in eigenen Läden und in manchen Fällen auch direkt bei teilnehmenden Unternehmen. AfB ist die Verbindung von wirtschaftlichem Denken und sozialem Unternehmertum ein Anliegen, denn nur bei wirtschaftlichem Erfolg können auch die sozialen Ziele realisiert werden, Arbeitsplätze für Menschen mit Behinderung zu schaffen.

Die DB Regio AG hat wiederum als bestehendes Unternehmen den Medibus entwickelt – eine mobile Arztpraxis, die auf einem umgebauten Linienbus basiert. Zusätzlich zum Untersuchungsraum und zur Anmeldung werden in diesem Bus auch telemedizinische Anwendungen durch die Firma CISCO realisiert. Mit Hilfe des Medibusses kann in ländlichen Gebieten eine ärztliche Versorgung geleistet werden, für die die Patienten sonst weite Wege in Kauf nehmen müssten. Das Interesse am Medibus ist groß, und erste Einsätze im Alltag wurden bereits erfolgreich absolviert, beispielsweise mit der Charité sowie der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen.

Die gesamte Studie „Neue Technologien und soziale Innovationen“ ist in der Steinbeis- Edition erschienen, dort finden sich die Porträts weiterer sozialer Innovationen und die Ergebnisse der Untersuchung.

TECHNISCHE UND SOZIALE INNOVATIONEN ÜBER GENERATIONEN HINWEG: DAS LEBENSPHASENHAUS

Auch das Steinbeis-Transferzentrum Soziale und Technische Innovation an der Universität Tübingen beschäftigt sich mit der Verzahnung von technischen und sozialen Innovationen. Die praktische Umsetzung zeigt das LebensPhasen- Haus an der Universität Tübingen, das vom Steinbeis-Transferzentrum Soziale und Technische Innovation betrieben und von Partnern aus Wirtschaft und Politik, Wissenschaft und Gesellschaft getragen wird. Es ist ein Ort für Forschung, Demonstration und Wissenstransfer, in dem Nutzer und Anwender gemeinsam mit Entwicklern, Herstellern und Dienstleistern an Lösungen arbeiten, die ein möglichst langes, gesundes und selbstbestimmtes Leben in der eigenen Häuslichkeit ermöglichen sollen – über alle Lebensphasen hinweg.

Im und um das LebensPhasenHaus wird der Einsatz von neuen Dienstleistungen, technischen Assistenzsystemen und praktischen Alltagshelfern erprobt und erlebbar gemacht. „Interessierte Bürger können sich selbst einen Eindruck von den vielfältigen Einsatzmöglichkeiten machen. Wer möchte, kann Innovationen aber auch aktiv mitgestalten“, erläutert Prof. Dr. Daniel Buhr, einer der Leiter des Steinbeis-Transferzentrums. Das geht durch direktes Feedback oder Mitwirkung in einem von vielen Forschungsprojekten. Zudem nutzen Handwerker, Architekten, Pflegekräfte, Mediziner, Hersteller, Versicherungen, Verwaltungen, Vereine und Bildungseinrichtungen das Gebäude für Schulungen und andere Veranstaltungen.

Im LebensPhasenHaus entstehen Innovationen: in großen internationalen Forschungsprojekten, kleinen Workshops regionaler Handwerksbetriebe oder Entwicklungsprojekten mittelständischer Unternehmen aus der Medizintechnik, Pharmazie oder Elektroindustrie. In Design-Thinking-Seminaren von Sozialunternehmen und Co-Creation-Werkstätten mit kleineren Fokusgruppen bis zu umfangreichen Evaluationsprojekten mit mehreren Hundert Teilnehmenden. Von Projekten zu barrierefreiem Design, über die Entwicklung neuer Geschäftsmodelle, digitaler Plattformen und Dienstleistungsinnovationen für die sogenannte „Silver Economy“ bis zu Akzeptanzstudien von Avataren im Gesundheitswesen oder zur Nutzung von künstlicher Intelligenz zur besseren Diagnostik.

INNOVATIONEN MIT POTENZIAL

Soziale Innovationen bergen großes Potenzial für die gesellschaftliche, technologische und wirtschaftliche Entwicklung. Sie sind nicht nur ein theoretisches Konzept, sondern können als konkrete Ansätze in Innovations- und Unternehmensentwicklungen für uns alle von großem Nutzen sein. Um dieses Potenzial zu erschließen, müssen Innovationen in ihrer Ganzheit betrachtet und entwickelt und Nutzer in diesen Prozess einbezogen werden. Wenn wirtschaftliche, technologische und soziale Dimensionen nicht als Gegenspieler, sondern als Verbündete gesehen werden, können neue Allianzen über Themenbereiche hinweg und Innovationen von großem Nutzen entstehen.

Kontakt

Dr. Victoria Blessing (Autorin)
Projektleiterin Soziale Innovation und Sozialunternehmen
Steinbeis-Europa-Zentrum (Stuttgart)

Prof. Dr. Daniel Buhr (Autor)
Leiter
Steinbeis-Transferzentrum Soziale und Technische Innovation (Tübingen)
www.steinbeis-tsti.com
www.lebensphasenhaus.de

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