Das SolarAktivHausplus im Fokus der Steinbeis-Experten
Für eine erfolgreiche Umsetzung der Energiewende und zum Erreichen der Klimaschutzziele ist die effiziente und weitgehend auf erneuerbaren Energien basierende Energieversorgung von Gebäuden unabdingbar. Vielversprechende Konzepte basieren auf der thermischen und photovoltaischen Nutzung von Solarenergie zusammen mit weiteren Technologien wie Wärmepumpen oder Biomassefeuerungen. Dr. Harald Drück und Dominik Bestenlehner vom Steinbeis-Transferzentrum Solar- und Wärmetechnik (SWT) haben im Rahmen des vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie geförderten Vorhabens „SolSys“ eines dieser Konzepte – das SolarAktivHausplus – untersucht.
Zur effizienten und nachhaltigen Gebäudeenergieversorgung werden Konzepte benötigt, die Treibhausgase wesentlich reduzieren. Dies betrifft nicht nur die Versorgung der Gebäude mit Strom, sondern vor allem auch mit Wärme. Hierzu sind unterschiedliche Lösungen denkbar. Zum einen muss die Energieeffizienz der Gebäude verbessert werden. Dazu sind Optimierungen an der Gebäudehülle wie der Einbau von Fenstern mit Dreifachverglasung, das Anbringen einer Wärmedämmung, die Erhöhung der Dichtigkeit oder am besten auch eine Kombination aus mehreren dieser Maßnahmen möglich. Ein zweiter wichtiger Ansatzpunkt neben der Gebäudehülle ist die Gebäudetechnik. Hierzu zählen vergleichsweise einfache Maßnahmen wie der Einsatz von energieeffizienten Haushaltsgeräten und Leuchtmitteln. Der dritte wichtige Ansatzpunkt stellt die Anlagentechnik dar, also die Frage: Wie wird das Gebäude mit Energie versorgt?
Auch hier sind Maßnahmen zur Steigerung der Effizienz notwendig, aber bei weitem nicht ausreichend. Ein neuer, sparsamer Gaskessel mit Brennwert technik reduziert mit Sicherheit die Treibhausgasemissionen im Vergleich zu einem 30 Jahre alten Ölkessel. Doch auch ein moderner Gas- oder Ölkessel verbrennt nach wie vor fossile Energieträger und setzt dadurch weiterhin klimaschädliche Stoffe frei. Es müssen also Techniken eingesetzt werden, die möglichst vollständig auf erneuerbaren Energieträgern aufsetzen und damit keine Treibhausgase emittieren. Eine Option ist, Biomasse als Energieträger zu nutzen. Allerdings ist deren Potenzial begrenzt, so dass eine Substitution aller fossilen Brennstoffe durch Biomasse keine Lösung darstellt. Unter diesem Aspekt bietet die Nutzung der solaren Strahlungsenergie zur Energieversorgung von Gebäuden wesentliche Vorteile. Beispielsweise entstehen bei der Nutzung von Solarenergie ebenfalls keine CO2-Emissionen und auch keine Stickoxide und kein Feinstaub.
SOLARE ENERGIEVERSORGUNGSKONZEPTE FÜR WOHNGEBÄUDE
Im Bereich der Wohngebäude gibt es bereits viele Lösungen für die Nutzung von erneuerbaren Energien. Einige dieser Lösungen nutzen schon die Sonnenenergie, entweder thermisch über Sonnenkollektoren oder elektrisch über Photovoltaikmodule. Ergänzt wird dies durch eine weitere Energiequelle, wie beispielsweise Biomasse in Form von Stückholz, Holzhackschnitzeln und Holzpellets oder fossile Energieträger wie Gas oder Öl. Das SolarAktivHaus-Konzept wurde maßgeblich vom Sonnenhaus- Institut (SHI) entwickelt und im Forschungsprojekt „HeizSolar” vom Steinbeis-Transferzentrum Solar- und Wärmetechnik Stuttgart (SWT) und dem Fraunhofer-Institut für Solarenergieforschung wissenschaftlich untersucht und weiterentwickelt. Als Konzept zur Wärmeversorgung von Gebäuden setzt es diesen solaren Ansatz konsequent in die Praxis um: Das SolarAktivHaus deckt seinen Wärmeverbrauch typischerweise zu 60 bis 70 %, jedoch mindestens zu 50 %, mit thermischer Solarenergie. Damit wird mehr als die Hälfte des Energiebedarfs zur Beheizung des Gebäudes und zur Trink wassererwärmung von einer thermischen Solaranlage geliefert: Solarthermie liefert also keine Energie mehr der konventionellen Heizung zu, sondern umgekehrt die konventionelle Wärmequelle unterstützt die Solarheizung. Wird das Konzept des SolarAktivHauses konsequent weitergedacht, wird das Gebäude zum SolarAktivHausplus: Mit zusätzlicher Anlagentechnik, wie einer Photovoltaikanlage und einer Wärmepumpe, wird nicht nur der Wärmesondern auch der Stromverbrauch in einem Gebäude zu mehr als der Hälfte von der Sonne gedeckt. Allerdings muss das Zusammenspiel aller Komponenten durch eine intelligente Regelung genau aufeinander abgestimmt werden. Werden alle Technologien innerhalb des SolarAktivHausesplus richtig dimensioniert, passend aufeinander abgestimmt und effizient betrieben, ergeben sich damit signifikante Einsparungen von schädlichen Treibhausgasen.
ERGEBNISSE DES FORSCHUNGSPROJEKTS SOLSYS
In dem vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie geforderten Vorhaben „SolSys“ (Analyse und Optimierung solarer Energieversorgungssysteme für Wohngebäude, deren Wärme- und Strombedarf zum überwiegenden Teil durch Solarenergie bereitgestellt wird) wurde unter anderem eine umfangreiche messtechnische Untersuchung von sechs SolarAktivHäusernplus durchgeführt, zwei davon wurden vom Team des Steinbeis Transferzentrums Solar- und Wärmetechnik (SWT) betreut. „Es hat sich gezeigt, dass der Wärmebedarf des Gebäudes durch Solarthermie während etwa sechs Monaten des Jahres fast vollständig gedeckt werden kann. In den Wintermonaten liefert eine Wärmepumpe den Großteil der benötigten Wärme. Da diese jedoch überwiegend mit Photovoltaik Strom betrieben wird, erhöht sich damit ebenfalls der gesamtsolare Deckungsanteil“, fasst Harald Drück die Ergebnisse zusammen. Ein kleiner Kaminofen im Wohnzimmer mit einer sogenannten Wassertasche zum Anschluss an die Raumheizung übernimmt einerseits die Deckung des restlichen Wärmebedarfs. Andererseits wird dieser aber auch zu Zeiten betrieben, in denen nicht die Deckung des Wärmebedarfs, sondern der gemütliche Kaminabend im Vordergrund steht. Zwar wurde auch ein elektrischer Heizstab als Notheizung installiert, kam aber nicht zum Einsatz. Die detaillierte Betrachtung des Stromverbrauchs zeigt ein ähnliches Verhalten. Neun Monate des Jahres kann die Photovoltaikanlage den Strombedarf zu mehr als 50 % decken, in vier Monaten liegt der solarelektrische Deckungsanteil sogar zwischen 70 und 80 %. Selbst in den Wintermonaten, wenn die solare Einstrahlung stark reduziert und der Strombedarf durch die Wärmepumpe zur Gebäudebeheizung am höchsten ist, können solarelektrische Deckungsanteile zwischen 15 und 35 % erreicht werden. „Die Energiebilanzen wurden von uns auf der Basis von 10-Minuten-Werten berechnet. Üblich, aber nicht mehr zeitgemäß, ist bisher die energetische Bilanzierung auf der Basis von Jahreswerten, wie sie zum Beispiel für die Definition des EnergieeffizienzhausPlus Standards verwendet wird“, erklärt Dominik Bestenlehner, Wissenschaftler im Steinbeis-Transferzentrum. Eine hohe zeitliche Auflösung bei der energetischen Bilanzierung ist jedoch wichtig um der Tatsache Rechnung zu tragen, dass das elektrische Netz keine Speicherfähigkeit besitzt und eingespeister Strom sofort wieder verbraucht wird. Deshalb kann Strom, der im Sommer als Photovoltaik-Überschuss ins Netz eingespeist wird, nicht im Winter entnommen werden. Vielmehr müssen zur Deckung des Stromverbrauchs im Winter fossile Kraftwerke betrieben werden. Eine Bilanzierung auf Basis von Jahreswerten errechnet also einen deutlich verringerten Ausstoß an CO2-Äquivalenten als dies tatsächlich der Fall ist.
SOLARAKTIVHAUSPLUS LIEFERT HOHE EIGENVERSORGUNG
Die monatlich aufgelösten solaren Deckungsanteile lassen sehr gut die saisonalen Schwankungen erkennen. Auffallend ist, dass der solarelektrische Deckungsanteil in den Sommermonaten geringer ausfällt als der solarthermische. Das liegt daran, dass das Gebäude über keinen Stromspeicher für die Photovoltaik- Anlage verfügt, die Solarthermieanlage jedoch mit einem Warmwasserspeicher ausgestattet ist. Das Verhältnis zwischen solarthermischem und solarelektrischem Deckungsanteil dreht sich jedoch in den Wintermonaten um, wobei der Unterschied nicht sehr ausgeprägt ist. Der gesamtsolare Deckungsanteil liegt zwischen dem solarelektrischen und dem solarthermischen Deckungsanteil. Über das Jahr betrachtet beträgt der solarthermische Deckungsanteil circa 50 %, der solarelektrische rund 60 % und der gesamtsolare Deckungsanteil circa 55 %. Diese Ergebnisse zeigen, dass das Konzept des SolarAktiv- Hausesplus hervorragend funktioniert und bei einer konsequenten solaren Energieversorgung hohe Eigenversorgungsgrade erzielt werden können. Dies ist besonders bemerkenswert, weil das Gebäude über keinen elektrischen Energiespeicher verfügt.
Die Ergebnisse des Forschungsprojekts SolSys zeigen, dass die sowohl als Einfamilienhäuser wie auch als Mehrfamilienhäuser realisierten SolarAktiv- Häuserplus einerseits effizient und zuverlässig funktionieren und damit einen wichtigen Beitrag zur Erreichung der Klimaschutzziele leisten. Andererseits wurde jedoch auch offensichtlich, dass insbesondere der Nutzer sowie die mehr oder weniger konsequente Ausnutzung der winterlichen Einstrahlung die Effizienz des Gesamtsystems maßgeblich beeinflussen können. Grundsätzlich bietet ein SolarAktivHausplus großen Wohnkomfort und trägt mit hochwertigen und nachhaltigen Baustoffen auch zum gesunden Wohnen bei.
Es gibt heute bereits diverse Möglichkeiten eine nachhaltige und effiziente Energieversorgung von Gebäuden zu realisieren und damit selbst einen wichtigen Beitrag zum Gelingen der Energiewende zu leisten. Zusätzlich bieten derartige Gebäude ihren Nutzern langfristig ein hohes Maß an Preis- und Versorgungssicherheit. Die vielversprechendsten Konzepte basieren alle auf der thermischen und photovoltaischen Nutzung von Solarenergie in Verbindung mit weiteren Technologien wie Wärmepumpen oder Biomassefeuerungen. Nur durch die konsequente Umsetzung von SolarAktivHausplus- Konzepten im Neubau und im Bestand kann auch das von der Bundesregierung für das Jahr 2050 vorgegebene Ziel eines „klimaneutralen Gebäudebestands“ erreicht werden.
Kontakt
Dr. Harald Drück | Leiter
Steinbeis-Transferzentrum Solar- und Wärmetechnik (SWT) (Stuttgart)
Dominik Bestenlehner | Projektleiter
Steinbeis-Transferzentrum Solar- und Wärmetechnik (SWT) (Stuttgart)