Zwischenmenschliche Kommunikation als Voraussetzung für den erfolgreichen zwischenunternehmerischen Transfer
Sich zu verbinden und mitzuteilen sind die wichtigsten Formen sozialer Interaktion. Der Austausch untereinander, das Teilen von Wissen und das Lernen voneinander sind für einen nachhaltigen Transferprozess zentrale Komponenten. Gerade in einer modernen Welt mit digitalen Angeboten aller Art darf die persönliche Kommunikation nicht vernachlässigt werden oder gar fehlen. Deshalb ist auch der Wissenstransfer zwischen Unternehmen ein Transfer zwischen Menschen. Wie das funktioniert, erklärt Reiner Lohse, Geschäftsführer der Wirtschafts- und Innovationsförderung für den Landkreis Göppingen.
Klassischer Wissenstransfer ist dadurch gekennzeichnet, dass das Wissen um Technologie, Management, Organisation etc. von Einrichtungen aus Forschung und Entwicklung, wie Hochschulen, Universitäten und Forschungseinrichtungen, zu Unternehmen transferiert wird. Dies geschieht beispielsweise in Form von einzelbetrieblicher Beratung oder Vortragsveranstaltungen. Darüber hinaus wird es immer wichtiger, dass sich auch Unternehmen untereinander vernetzen, sich bei unterschiedlichen Themen austauschen, Wissen teilen, kollegial beraten oder in gemeinsame Wertschöpfungsprozesse eintreten.
An dieser Stelle setzt die Wirtschafts- und Innovationsförderungsgesellschaft für den Landkreis Göppingen (WIF) an, die durch den zum Geschäftsführer bestellten Steinbeis-Projektleiter Reiner Lohse den Zugang zum innovativen Dienstleistungsangebot des Steinbeis-Verbundes erhält: Sie hat verschiedene Formate vom bilateralen Austausch bis zum regelmäßig stattfindenden Workshop entwickelt, die sich an unterschiedliche Zielgruppen in Unternehmen richten oder lokale Bedürfnisse aufgreifen. Eine Moderation des jeweiligen Meetings ist dabei zwingend. In der Arbeit der WIF wurde die Bedeutung des Erfahrungsaustausches und des Wissenstransfers zwischen Unternehmen, zum Beispiel auf der Ebene der Geschäftsführer aber auch auf der Fach- und Führungskräfteebene, schon lange erkannt. Die WIF hat dazu verschiedene Unternehmer-, einen Innovationszirkel, einen Zirkel auf örtlicher Ebene und eine projektbezogene Gruppe eingerichtet.
Begonnen hat alles 1998, als es galt, Gesundheitshandwerker basierend auf deren Initiative unter dem Namen „Gesundheitswelle“ zu vernetzen mit dem gemeinsamen Ziel, eine Gesundheitsmesse für mehr Sichtbarkeit der Einzelakteure zu veranstalten. Die Messe wurde mehrmals in dieser Form durchgeführt und wurde später von einem Messeveranstalter erfolgreich übernommen. Mit der Teilnahme am Förderprogramm ECOfit im Jahre 2005 ging es weiter. ECOfit ist ein seitdem bestehendes Förderprogramm des Ministeriums für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Baden- Württemberg im Umweltschutz für Unternehmen und Organisationen, hat eine Laufzeit von rund einem Jahr und ist somit temporär und projektbezogen. Ein wesentlicher Baustein dabei sind sechs bis acht Workshops für die Teilnehmer, vornehmlich Fachkräfte aus dem zuständigen Aufgabengebiet, zu verschiedenen Themen des Umweltschutzes wie Energieeinsparung, Abfallmanagement, Wassereinsatz, Luftreinhaltung etc. Neben der reinen Wissensvermittlung durch Vorträge steht der Erfahrungsaustausch im Mittelpunkt, bei dem ein Effekt des „voneinander Lernens“ eintritt. Nach erfolgreichem Abschluss des ECOfit-Projekts erhalten die teilnehmenden Unternehmen eine Urkunde und sind ausgezeichneter „ECOfit-Betrieb“. Das Projekt wurde 2011 und 2018 wiederholt.
Mit den Erfahrungen daraus richtete die WIF 2013 einen sogenannten Unternehmerzirkel ein. Dieses Unternehmertreffen ist ein branchenübergreifendes, regelmäßiges Zusammenkommen von Geschäftsführern (insbesondere Inhabern), bei dem vorwiegend der persönliche, vertraute Austausch zu übergreifenden Themen der Unternehmensführung im Vordergrund steht und nicht unternehmensspezifische Einzelthemen diskutiert werden. Die Gruppe ist geschlossen und kann nur durch das Votum der bestehenden Teilnehmer erweitert werden. Es werden sechs Termine pro Jahr im Vorfeld gemeinsam festgelegt. Besonders die Methode der kollegialen Beratung kommt dabei zur Anwendung. Damit ist ein systematisches Beratungsgespräch gemeint, in dem die Teilnehmer sich nach einer vorgegebenen Gesprächsstruktur wechselseitig zu Fragen der Unternehmensführung und Schlüsselthemen beraten und gemeinsam Lösungen entwickeln. Die kollegiale Beratung findet in dieser Gruppe mit zehn Mitgliedern statt. Die Teilnehmer tragen dabei ihre Praxisfragen, Probleme und „Fälle“ vor.
Im Vergleich dazu ist der 2016 gegründete Innovationszirkel ein Unternehmenszirkel mit Fachleuten aus Unternehmen, in dem Fachthemen zur Diskussion stehen. Dazu gibt es zwei bis drei Treffen pro Jahr, bei dem jeweiligen Treffen stehen ein Impulsvortrag, eine Diskussion und eine Betriebsbesichtigung im Mittelpunkt. Die Teilnehmer sind aufgrund der Größe des Verteilers stark wechselnd, daher sind Offenheit, Verbindlichkeit und somit Problemlösungsorientierung eher nachrangig. Es ergeben sich allerdings auch bilaterale Kontakte auf diesem Markt der Möglichkeiten und Empfehlungen, die dann einzeln durch die WIF nachverfolgt werden. Auch dazu gibt es zahleiche positive Beispiele. Auf örtlicher Ebene ist noch eine Gruppe zu nennen, die aus Nachbarn in einem Gewerbegebiet besteht. Die gute Nachbarschaft seit über 30 Jahren und die bereits in der Vergangenheit gewachsene Kultur des sich Aushelfens hat die Offenheit und Vertrautheit von Anfang an begünstigt. Durch eine gemeinsame Branchenzugehörigkeit zum Maschinen- und Anlagenbau ohne sich zu konkurrieren gibt es genug Themen, die alle interessieren. Auch der Betriebsrundgang vermittelt Ansatzpunkte des Austauschs.
Bei all diesen Gruppen erfolgt die Moderation durch die Wirtschaftsund Innovationsförderungsgesellschaft. Folgende Grundsätze, Wirkprinzipien oder gar Erfolgsfaktoren lassen sich aus den Erfahrungen der WIF beim Transfer zwischen Unternehmen festhalten:
- Die Teilnehmer begegnen sich auf Augenhöhe. Unabhängig von der Stellung im Betrieb, ob Studierender, Gründer, leitender Mitarbeiter oder Geschäftsführer, alle sind mit ihren Beiträgen willkommen, werden ernst genommen und bringen eine breite Mischung an Hintergrundinformationen ein. Die Mischung ist sehr positiv und lässt oftmals unterschiedliche Perspektiven zu. Innovationen entstehen vor allem in den Schnittmengen von Branchen, Technologien und Wertschöpfungsketten.
- Die Selbstorganisation ist das beherrschende Grundprinzip. Die Teilnehmer, die sich auf freiwilliger Basis einbringen, bestimmen die Termine und somit die Häufigkeit und Dauer, die Themen, die Agenda und den Umgang damit. Ob Vortrag, Diskussion oder Workshop entwickelt sich oftmals erst beim Treffen. Bestimmte Ergebnisse lassen sich nicht erzwingen. Die Selbstorganisation bedingt aber dennoch eine Moderation, die die Vorbereitung, den Ablauf, die Gesprächsführung und die Dokumentation der Ergebnisse lenkt. Branchenübergreifende oder vorwettbewerbliche Themen erleichtern zunächst den Austausch.
- Je konkreter die Erarbeitung von neuem Wissen und der Austausch von Technologien erfolgt oder unternehmensspezifische, gar vertrauliche, Fragestellungen behandelt werden, umso mehr bedarf es eines „Vertrauensraumes“. Vertrauen braucht Zeit und muss reifen. Allenfalls durch gemeinsame eher freizeitorientierte Aktivitäten lassen sich das Kennenlernen und das Herausfinden von Gemeinsamkeiten intensivieren. Neben Vertrauen sind Verbindlichkeit, die Bereitschaft sich zu öffnen, Offenheit bei den eigenen Themen, ehrliches Feedback für die anderen und kritisches Hinterfragen Voraussetzungen für erfolgreiches gemeinsames Arbeiten.
- Das Potenzial der Gruppe gilt es zu fokussieren und so zu nutzen, dass sich die Mitglieder gegenseitig unterstützen und dabei selbst ebenfalls profitieren können (Mehrwert schaffen). Ein Wissensgefälle in eine Richtung funktioniert auf Dauer nicht. Es muss sich eine Winwin- Situation einstellen.
- Neben den Terminen mit allen soll auch der direkte Kontakt (bilateral) zwischen den Mitgliedern genutzt werden.
- Jede Gruppe ist ein Individuum und Erfahrungen einer Gruppe lassen sich nicht automatisch auf andere übertragen.
Kontakt
Reiner Lohse ist Geschäftsführer der WIF – Wirtschafts- und Innovationsförderungsgesellschaft für den Landkreis Göppingen mbH und Leiter des Steinbeis-Transferzentrums Technologie- und Innovationsmanagement im Landkreis Göppingen. Die WIF fördert und berät Unternehmen aus der Wirtschaftsregion Landkreis Göppingen bei Innovationsvorhaben.
Reiner Lohse
WIF – Wirtschafts- und Innovationsförderungsgesellschaft für den Landkreis Göppingen mbH (Göppingen)