Steinbeis-Team untersucht erwartete Blockchain-Auswirkungen
Innerhalb weniger Jahre wandelte sich die Blockchain von einer Technologie für spezialisierte Computerexperten und Kryptographen zu einem weltweiten Hype, der Einzug in die Massenmedien gefunden hat. Horst Treiblmaier, Professor an der MODUL University Vienna, und Uwe Umlauff, Projektleiter am Steinbeis-Transfer-Institut Innovation & Business Creation, sind der Frage nachgegangen, in welcher Form die Blockchain das zukünftige Arbeitsleben beeinflussen wird.
Die Wurzeln der Blockchain finden sich in zahlreichen Publikationen der letzten Jahrzehnte zu den Themen Kryptographie und verteilte Datenbanken. Es bedurfte allerdings eines Geniestreiches in Form einer neunseitigen Publikation aus dem Jahr 2008 mit dem unscheinbaren Titel „Bitcoin: A Peer-to-Peer Electronic Cash System“, verfasst unter dem Pseudonym Satoshi Nakamoto, um durch geschicktes Verknüpfen von vorhandenem Wissen das zu schaffen, was heute als Blockchain in den Medien umfassend diskutiert wird. Die potenziellen Auswirkungen der Blockchain, die anfangs lediglich die Kryptowährung Bitcoin als Anwendungsfall hatte, traten aufgrund der Komplexität der Technologie vorerst in den Hintergrund. Um die Jahre 2013/14 erreichte Bitcoin allerdings das, was Finanzexperten und Ökonomen als eher unwahrscheinlich eingestuft hatten: die Schaffung von Vertrauen und ein exponentielles Wachstum, das bis etwa Ende 2017 andauerte. Ab dem Jahr 2015 erschienen zahlreiche Publikationen, die sich an ein breites Publikum richten und in denen zahlreiche Ideen zu finden sind, in welcher Weise die Blockchain zur Lösung von politischen, gesellschaftlichen, ökonomischen und ökologischen Problemen unserer Zeit beitragen kann. Wesentlich davon betroffen ist die Arbeitswelt, die aufgrund fortschreitender Digitalisierung ohnehin einem stetigen Wandel unterworfen ist.
Anfang des Jahres 2018 interviewten Horst Treiblmaier und Uwe Umlauff 24 Experten, die im Rahmen der „City of Blockchain“ (www. cityofblockchain.org), eines Vereins zur Förderung der Blockchain- Technologie in Wien, aktiv an der Entwicklung und Umsetzung von Blockchain-basierten Ideen mitarbeiten. Zielsetzung der Befragung war die Entwicklung unterschiedlicher Szenarien, die die Auswirkungen der Blockchain auf die Arbeitswelt zusammenfassen. Um es kurz zu machen: Die Meinungen der Experten waren durchaus heterogen, was zu drei unterschiedlichen Szenarien führte, die etwas vereinfacht als „kein Einfluss“, „Verlust von gering qualifizierten Arbeitsplätzen“ und „Änderung der Arbeitsqualität“ bezeichnet werden können.
Einige Experten sind der Meinung, dass von der Blockchain keine nennenswerten Impulse auf die Arbeitswelt zu erwarten sind. In dieser Gruppe finden sich, wenig überraschend, vor allem Skeptiker der Blockchain, die eine grundsätzliche Anwendbarkeit der Technik generell anzweifeln. Aber auch einige Interviewpartner, die sinnvolle Anwendungen der Blockchain beispielsweise in der Finanzwirtschaft sehen, bezweifeln nennenswerte Auswirkungen für die Arbeitswelt. Die zweite Gruppe sieht Blockchain im Wesentlichen als eine Weiterführung beziehungsweise Beschleunigung der fortschreitenden Digitalisierung der Arbeitswelt und den dadurch stattfindenden Austausch von Menschen durch Computer und Roboter. Dies könnte im Fall der Blockchain vor allem jene Berufsgruppen betreffen, die als Intermediäre tätig sind. Durch die Unveränderbarkeit und den simultanen Zugriff verschiedener Geschäftspartner auf eine Blockchain können beispielsweise in einer Supply Chain Prozesse deutlich vereinfacht und beschleunigt werden. Damit einhergehend fallen Prozessschritte weg, die bisher durch Menschen gesteuert wurden. Andere Beispiele betreffen Vermittler wie etwa Uber oder Airbnb, die ihrerseits in den vergangenen Jahren bestehende Geschäftsmodelle gehörig unter Druck gebracht haben. Zusätzlich werden negative Auswirkungen für gering qualifizierte Arbeitskräfte gesehen, wobei die Blockchain hier wohl nur einen kleinen Teil in einem großen Technologiepuzzle darstellt, das durch zunehmende Rationalisierung zunächst manuelle Tätigkeiten, in zunehmendem Ausmaß allerdings auch geistige Arbeiten durch Roboter und Computer ersetzt.
Im Gegensatz zu den beiden oben genannten Gruppen gibt es im dritten Szenario, das eine Änderung der Arbeitsqualität postuliert, sowohl negative als auch positive Auswirkungen. Die Bedrohungen durch die Blockchain, die sich im Verlust von Arbeitsplätzen und manueller Arbeit manifestieren, wurden auch von dieser Gruppe so gesehen. Dennoch gibt es auch zahlreiche positive Effekte, wie etwa eine Verschiebung in Richtung hochqualifizierter und kreativer Arbeitsplätze. Diese Entwicklungen sind nach Meinung der Experten gut vorhersehbar und so wird der Bedarf an gut ausgebildeten Arbeitskräften mit Kenntnissen beispielsweise in den Bereichen Informatik und Recht deutlich ansteigen. Eine wesentliche Innovation der Blockchain sind sogenannte Smart Contracts, also durch Programmcode eindeutig festgelegte Regeln, die im Fall des Eintretens vorher definierter Bedingungen automatisiert ausgeführt werden. Für die Erstellung dieser Programme werden neue Qualifikationen benötigt, die heute noch nicht am Arbeitsmarkt verfügbar sind.
Aber auch die Gestaltung der Arbeitswelt war Teil der Diskussionen, die Horst Treiblmaier und Uwe Umlauff mit den Interviewpartnern führten. So sind Blockchain-basierte Lösungen etwa in der Lage Zeitaufzeichnungen und Leistungskontrollen zu vereinfachen. Den damit verbundenen Effizienzsteigerungen und gerechter Entlohnung stehen negative Auswirkungen, wie etwa ein zunehmender Verlust von Privatsphäre und umfassende Kontrolle gegenüber, was von einem guten Teil der Interviewpartner sehr kritisch gesehen wird. Andere Anwendungsfelder liegen in einer durchgängigen und objektiven Erfassung von Qualifikationen oder in der Vereinfachung von Prozessen in der Personalverrechnung.
Die zentralen Eigenschaften der Blockchain, wie etwa die Unveränderbarkeit von Datenbankeinträgen oder das Schaffen einer einheitlichen Sicht auf geteilte Daten, sind aus Sicht der Arbeitswelt ein zweischneidiges Schwert und können positive wie auch negative Auswirkungen haben, so das Fazit des Projektteams. Die Meinungen der Experten sind sowohl hinsichtlich der Stärke der Implikationen wie auch deren Richtung geteilt. Dies zeigt einmal mehr die Notwendigkeit auf, aktiv Lösungen zu suchen und zu gestalten, die Arbeitsplätze sichern und die Qualität der Arbeit aus Sicht der Arbeitnehmer erhöhen. Die Blockchain ist lediglich das Instrument, wesentlich ist, wie sie eingesetzt wird.
Kontakt
Uwe J. Umlauff
Steinbeis-Transfer-Institut Innovation & Business Creation (Gräfelfing)
www.steinbeis-sti.de
Univ. Prof. Dr. Horst Treiblmaier
MODUL University Vienna (Wien)