Kollegiale Beratungen zur Förderung interkultureller Kompetenz
Aus Unternehmenssicht bietet Diversity viele Chancen und Potenziale, aber auch Herausforderungen und Risiken. Wie Unternehmen Potenziale aus wachsender Internationalität und Interkulturalität mithilfe einer strukturierten Methode effizienter nutzen können und welche Rolle dabei die kollegiale Beratung spielt, erklärt Dr. Sabine Horst. Sie ist Leiterin des Steinbeis-Beratungszentrums Kompetenzen. Kommunikation. Kulturen in Stuttgart.
Am Anfang stand ein Spiel – als Auftakt zu einem internationalen Führungskräfte- Workshop zur Entwicklung von Lösungswegen für dringliche Praxisanliegen der Teilnehmenden mit externer Begleitung. Der spielerische Auftakt sollte für die nachfolgende Bearbeitung von Praxisthemen im Workshop eine gute Grundlage schaffen. Allen Teilnehmenden war bewusst, dass sich im Miteinander künftig Dinge verändern beziehungsweise verbessern müssen. Denn wachsende Missstände galt es zu beseitigen und dafür an manchen Stellen das Ruder herumzureißen – Umdenken war die Devise.
Der Arbeitgeber, ein mittelständisches Unternehmen, war in den letzten zwei Dekaden stark gewachsen, vor allem international – vorwiegend durch Mergers & Acquisitions. Wachstums- und Integrationsprozesse wurden ausschließlich produkt-, technik- und prozessorientiert initiiert. Parallel veränderte sich das Kerngeschäftsfeld, u.a. durch Digitalisierung. Kosten- und Zeitdruck und damit Arbeitsbelastung nahmen kontinuierlich zu, nicht vorhergesehene Herausforderungen ebenso.
Der Workshop sollte dazu dienen, einige „Knackpunkte“ zu identifizieren und Veränderungen idealerweise schon auf konkrete Aufgaben anzuwenden. Hierfür mussten Teilaspekte aus der komplexen Thematik als Fokus herausgegriffen werden. In diesem Falle die Annahme, dass die Vernachlässigung wertvoller Ressourcen und Potenziale aus der wachsenden Internationalität und Interkulturalität zu Hürden und Mehraufwänden führte. Dies galt es zu prüfen.
Drei Kleingruppen à sechs Personen aus unterschiedlichen Ländern und Fachbereichen traten so im Wettkampf gegeneinander an: Welcher Gruppe würde es am schnellsten gelingen, die richtige Antwort auf die gestellte Frage in der vorgegebenen Zeit (20 Minuten) zu ermitteln? Die Teilnehmenden bekamen Karten, die einzelne, zunächst unzusammenhängend erscheinende Informationen enthielten. Weitere Spielregeln folgten.
Eine Gruppe war nach 14 Minuten davon überzeugt, die richtige Lösung gefunden zu haben, und schritt siegessicher zur Kaffeeecke. Die Atmosphäre war gelöst. Ihre Lösung stellte sich als richtig heraus. Die zweite Gruppe kam in genau den vorgegebenen 20 Minuten zu einem Ergebnis. Sie betonten, dass dieses nur vorläufig sei, da die Zeit zur Überprüfung der Lösung gefehlt habe. Sie nutzten die Kaffeepause, dies nachzuholen. Die Stimmung war etwas angespannt und löste sich spürbar, als sich herausstellte, dass das Ergebnis richtig war. Bei der dritten Gruppe war mit Ablauf der 20 Minuten ein Ergebnis noch nicht in Sicht. Hierzu eine Teilnehmerin: „Wir haben uns wohl verzettelt“. In der Kaffeepause war das Unbehagen zu spüren, zur „Verlierergruppe“ zu gehören, man ging sich etwas aus dem Weg. Alle Gruppenerfahrungen waren für den Workshop wichtig und entsprachen Erfahrungen aus dem beruflichen Alltag. Die Annahme, dass einer der Hebel in der Lösung der aktuellen Probleme der Umgang mit Interkulturalität in einem weiteren Sinne sein könnte, hat sich bestätigt. Alle Gruppen reflektierten ihre Zusammenarbeit, daraus auszugsweise einige Erfolgsaspekte der „Gewinnergruppe“:
- Die „bunte Mischung“ an Teilnehmern aus unterschiedlichen Ländern, Kulturen, Persönlichkeiten und Fachexperten hat zwar manchmal zu Durcheinander geführt, aber in wichtigen Entscheidungsmomenten hat Perspektivenvielfalt und Kreativität positiv zur Lösungsfindung beigetragen.
- Rollen wie Moderator, Ideengeber, Bedenkenträger, Vermittler, Entscheider etc. wurden wechselnd wahrgenommen, in einem dynamischen Miteinander, das geprägt war von einem guten Gespür für die Teamarbeit. Eigenverantwortung, Respekt und Empathie identifizierten die Teilnehmenden hier als Schlüssel. Einzig die Funktion des Protokollanten, der zudem die Berechnungen übernahm, wurde konstant von einem Controller übernommen.
- Gleiche Augenhöhe ermöglichte ausgeglichene Redebeiträge und das Einbringen persönlicher, sozialer und fachlicher Kompetenzen. „In der Summe war alles da, was wir brauchten“, stellte eine Teilnehmerin fest.
- Gruppenzugehörigkeitsgefühl sorgte für zunehmenden Ehrgeiz und auch Spaß an der Zusammenarbeit. Durch das Erleben der Kolleginnen und Kollegen in anderen Rollen als den gewohnten gelang es Teilnehmenden, Vorurteile abzubauen.
- Eine lockere, humorvolle Arbeitsatmosphäre ermöglichte einen entspannten Umgang mit Missverständnissen aufgrund unterschiedlicher Sprachkenntnisse. Maßgeblich hat eine Führungskraft dazu beigetragen, die sich selbstreflektiv kulturell von Sozial- und Beziehungsorientierung geprägt bezeichnete. Durch ihr Verhalten und Wirken auf die Gruppe fühlten sich andere ermutigt, ihre Ideen einzubringen – im Unterschied zu manchen Business Meetings, die eher demotivierend wirken.
Alle Gruppen konnten sowohl konstruktive als auch zu verbessernde Aspekte benennen. Hinderliche Aspekte waren beispielsweise:
- Dominanz geringer Fehlertoleranz und eines hohen Absicherungsbedürfnisses sowie mangelndes Vertrauen in die eigenen Kompetenzen. Dies wurde zurückgeführt auf die Prägung eines Großteils der Gruppenteilnehmer durch eine autoritäre beziehungsweise hierarchieorientierte Kultur.
- Starre Verteilung von Rollen (nicht zwischen Personen wechselnd) mit der Konsequenz, dass Kompetenzen nur eingeschränkt wirksam werden konnten.
- Einmal getroffene Entscheidungen wurden nicht hinterfragt, wodurch konsequent in die falsche Richtung gedacht wurde.
- Grundsätzliche Fehleinschätzung von Kompetenzen auf Basis von Vorurteilen beziehungsweise Stereotypen.
Um die Vielfalt von Ressourcen und Potenzialen künftig auch im Arbeitsfeld für kreative Lösungsfindungen zu nutzen, stellte sich der Bedarf eines professionellen Tools heraus. Dies fand sich in der Methode der kollegialen Beratung, die erfolgreich für die Bearbeitung der Praxisthemen im Workshop eingesetzt werden konnte. Erfolgreich auch deswegen, da sie einen Rahmen bietet, der den von der Gruppe gesammelten Erfolgsfaktoren Raum gibt. Zum geregelten Einsatz dieses Tools wurden sogenannte Leadership Corners implementiert. Diese finden zu unterschiedlichen Anlässen in wechselnden Konstellationen statt und werden auch virtuell durchgeführt.
Diversity bietet Unternehmen viele Chancen, bringt aber auch zahlreiche Herausforderungen mit sich. Daher scheint es naheliegend, zur Sicherung einer optimalen Nutzung der Chancen das Thema strategisch- konzeptionell anzugehen, zum Beispiel in Form eines Diversity- Managements und der Entwicklung von Führungskräften und Personal. In dem beschriebenen Beispiel wurde eine Vorgehensweise auf eine aktuell drängende Problemsituation zugeschnitten vorgestellt und damit aufgezeigt, dass Organisationen und Führungskreise auch ohne übergeordnete Strategie schnell situativ handlungsfähig sind. Dennoch sollten sich Organisationen und Unternehmen in einer Welt wachsender Vielfalt auf unterschiedlichen Ebenen diesen Themen strategisch widmen, die Organisation entsprechend aufstellen, Personal und Führungskräfte kontinuierlich begleiten und entwickeln.
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Dr. Sabine Horst ist Leiterin des Steinbeis-Beratungszentrums Kompetenzen. Kommunikation. Kulturen. Das Dienstleistungsangebot des Steinbeis-Unternehmens umfasst Führungskräfteund Personalentwicklungsmaßnahmen, kollegiale Beratungen, Strategie- und Konzeptentwicklung für Human Resource Development, Beratung zum Steinbeis Unternehmens-Kompetenzcheck sowie Beratung und Unterstützung für KMU bei der Beantragung von ESF-Fördermitteln.
Dr. Sabine Horst
Steinbeis-Beratungszentrum Kompetenzen. Kommunikation. Kulturen.(Stuttgart)