Bildungsziel resilientes Unternehmertum

Die Transformation im Mittelstand setzt eine veränderte Führungs- und Organisationskultur voraus

Basis für den Erfolg der deutschen Wirtschaft ist die Ausgewogenheit zwischen unterschiedlichen Unternehmensgrößen. Dem Mittelstand als Teil der Innovationskultur kommt dabei ein hoher Stellenwert zu. In Verbindung mit der Diskussion über die Dynamik junger Unternehmen und Neugründungen hat die Frage nach wirksamem unternehmerischem Handeln seit der Jahrtausendwende an Bedeutung gewonnen. Zugleich haben Trendbrüche wie die Corona-Pandemie oder der Ukraine-Krieg dazu geführt, dass mehr und mehr die Frage nach der Resilienz der Entrepreneurship-Akteure auf der personellen und institutionellen Ebene ins Blickfeld rückt. Hier müssen mit Maßnahmen in Organisations- und Personalentwicklung, Bildung und Wissenschaft die Voraussetzungen geschaffen werden, dass die Führungs- und Organisationskultur diesen Anforderungen gerecht wird, ist Steinbeis-Unternehmer Professor Dr. Thomas Breyer-Mayländer überzeugt.

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Nicht nur die deutsche Wirtschaft, sondern auch die deutsche Zivilgesellschaft wird stark durch mittelständische Strukturen und erfolgreiche „Hidden Champions“ geprägt, die aufgrund ihres Erfolgs die Grenzen des Mittelstandes bereits überschritten haben [2] und die wirtschaftliche Innovationskultur prägen. Damit diese Unternehmen tatsächlich robust sind und auch in den unterschiedlichen Markt- und Konjunktursituationen wirksam bleiben, bedarf es eines resilienten Unternehmertums, was sehr stark durch die Führungsaspekte geprägt wird. Dabei sind sowohl die institutionellen (Unternehmen) als auch die personellen Akteure (die verantwortlichen Führungskräfte und Mitarbeitenden) und ihr Grad an Resilienz von Bedeutung. Das knüpft direkt an die Diskussion der 1990er-Jahre an, als eine Abkehr von Managern hin zu Entrepreneuren oder Intrapreneuren [1] konstatiert wurde. Diese Form der unternehmerischen Verantwortung beinhaltet auch die Rolle der Führung im Sinne von Leadership. Im Gegensatz zu einem reinen Managementansatz, bei dem Führungskräfte temporär beschäftigte oberste Angestellte darstellen, geht es auch um die Verantwortung für grundsätzliche Veränderungen im Sinne der Effektivität (die richtigen Dinge tun). Gefordert ist somit Entrepreneurial Leadership, eine unternehmerische Führung im Sinne einer inhaltlichen Führung, die sich auf die Grundsätze einer unternehmerisch verantwortlichen Kultur stützt.

Entrepreneurial Culture: Anforderungen an Personen, Organisationen und Unter­nehmen

Es ist gar nicht so einfach, die unterschiedlichen Determinanten einer unternehmerischen Orientierung oder eines unternehmerischen Denkens als persönliche und institutionelle Kultur zu beschreiben. Was kennzeichnet also eine unternehmerische Haltung im Sinn von Entrepreneurial Culture? Auf der Ebene der Personen geht es um Unternehmertalente (beispielsweise ermittelt nach dem Schema des Galluptests für den Bereich Entrepreneurship), Kompetenzen und den individuellen Hintergrund, der prägend ist für die Bereitschaft eigenverantwortlich und zielorientiert zu handeln. Auf der Ebene der Organisationen und Unternehmen kommt es auf die Führung, die Mitarbeitenden und Teams sowie die Strukturen und Prozesse an. Eine besondere Rolle spielen jedoch die drei Kulturebenen der Artefakte, der Werte und Überzeugungen sowie der zugrundeliegenden Annahmen.

Die Beratung von Unternehmen und Personen bei der Entwicklung einer nachhaltig wirksamen Führungs- und Organisationskultur zeigt, dass gerade in den harten Zeiten der Krisen und des Transformationsdrucks die angeblich so weichen Faktoren an Bedeutung gewinnen. Dabei kann man die unterschiedlichen kulturellen Ebenen, auf die es im Unternehmen ankommt, nochmals auf die drei Ebenen der Organisationskultur (Artefakte, Werte, Grundannahmen) beziehen.

„Culture eats strategy for breakfast” – diese Aussage des Managementvordenkers Peter Drucker unterstreicht unsere Beobachtung, dass es gerade durch den weichen kulturellen Aspekt gelingen kann, eine grundsätzliche Neuausrichtung von Unternehmen und Organisationen zu stärken. Dieser Zusammenhang lässt sich auch in der ISO-Norm 2316:2017 beim Thema „Resilienzfördernde Kultur“ ablesen.

Resilienz als Fähigkeit, Krisen zu überwinden und in einer unsicheren VUCA-Welt (Volatility, Uncertainty, Complexity, Ambiguity) erfolgreich und wirksam zu leben und zu überleben, findet auf drei Ebenen statt: Die Ebene der Organisation oder des Unternehmens, die Ebene der Teams und sozialen Gruppen sowie die individuelle Ebene der Einzelpersonen. Resilientes Unternehmertum fußt auf einer gesunden Führungs- und Organisationskultur, weshalb die Führungskräfte- und Organisationsentwicklung sich in diesem Kontext neuen Anforderungen stellen muss. Typischerweise werden Unternehmen und Unternehmerpersönlichkeiten zur Steigerung der Resilienz und Führungswirksamkeit (Resilient Entrepreneurial Leadership) auf drei Ebenen extern begleitet [7]:

  1. Auf der Ebene des Führungs­kulturprozesses mit konkreten Workshops auf allen Hierarchieebenen unter Einbeziehung aller Mitarbeitenden.
  2. Die Ebene der Angebote zur persönlichen Weiterentwicklung von Fach- und Führungskräften. Neben Impulsen in Seminarform geht es um den Praxistransfer.
  3. Die Ebene der Steuerung des gesamten Kulturprozesses, bei der alle Ebenen der Unternehmenskultur beispielsweise durch Prozessworkshops begleitet werden.

Die drei Parameter der Resilienz

Es bedarf also einer Führungsausbildung zu Entrepreneurial Leadership, die analytische Herangehensweisen (beispielsweise durch den Clifton-Strength-Talentetest von Gallup) mit fachlichen Impulsen, Phasen der Selbstreflexion (Einzelcoaching und Gruppenphasen einer kollegialen Beratung) und einem ausgeprägten Praxistransfer verbindet, damit eine praxisnahe Umsetzung als unternehmerisch geprägte Führungskraft möglich wird. Resiliente Unternehmen bedürfen resilienter Persönlichkeiten auf allen Ebenen. Es geht um:

  1. Selbstreflexion: die Fähigkeit das eigene Handeln zu hinterfragen
  2. Selbstverantwortung: die Übernahme der Verantwortung für das eigene Handeln
  3. Spiritualität/Transzendenz: die Fähigkeit, über das eigene Handeln hinaus mehr als eine reale Dimension zu erkennen und Menschen zu inspirieren ihre Potenziale zu erkennen und eine tragfähige Vision mit einem nachvollziehbaren Unternehmenssinn (Purpose) zu vermitteln.

Diese drei Parameter der Resilienz müssen ausgehend von der personalen Ebene auf die institutionelle Ebene der Organisationen übertragen werden, was bedeutet, dass statt der Achtsamkeit auf der Ebene der Mitarbeitenden und Führungskräfte Agilität im Sinne einer Fokussierung der Organisation erforderlich wird. Ein resilientes Unternehmen als Teil und Ergebnis eines resilienten Unternehmertums fußt auf resilienten Führungspersönlichkeiten und einer resilienten Unternehmenskultur. Sie sichert das Unternehmen strategisch ab, damit es robust im Sinne von krisenfest Transformationssituationen bewältigen kann, wie wir sie etwa im Rahmen der Coronaphase als operative und strategische Herausforderung erlebt haben [3].

Um ein solches (Aus)Bildungsziel für Unternehmerinnen und Unternehmer zu erreichen, können die Anbieter auf den Ebenen der Bildungs-, Wissenschafts- und Beratungsorganisationen jedoch nicht auf dem traditionellen Stand stehen bleiben. Es sind nicht nur neue maßgeschneiderte Angebote für die Aus- und Weiterbildung von Führungskräften sowie die Organisationsentwicklung, sondern neue institutionelle Konzepte notwendig. Die Institutionen und Personen als Akteure im Segment Bildung und Wissenschaft müssen selbst in der Lage sein, ihre eigene Arbeit an einer neuen Form der unternehmerischen Kultur auch im Sinne einer Experimentalkultur auszurichten. Dies betrifft nicht nur den Bereich des tertiären Bildungssektors, sondern kann bereits erfolgreich im Bereich der schulischen Bildung entwickelt werden [4]. Das erfordert jedoch auch eine Anpassung der internen Führungskultur und Führungssysteme von Bildungs- und Wissensorganisationen [5].

Kontakt

Prof. Dr. Thomas Breyer-Mayländer (Autor)
Steinbeis-Unternehmer
Steinbeis-Beratungszentrum Leadership in Science and Education (Ettenheim)
www.leadership-science-education.de

Quellen
[1] Bleicher, K. (1989). Chancen für Europas Zukunft. Frankfurt/Wiesbaden: Campus, S. 5.
[2] Breyer-Mayländer, T. (2022a). Digitale Transformation im Mittelstand. In: Breyer-Mayländer, T. (Hrsg.), Industrie 4.0 bei Hidden Champions (S. 25-50). Wiesbaden: Springer Gabler, S. 26ff.
[3] Breyer-Mayländer, T. (2022b). Neue Spielregeln für Gesellschaft, Unternehmen und öffentliche Einrichtungen. In: Breyer-Mayländer, T., Zerres, C., Müller, A., Rahnenführer, K. (Hrsg.), Die Corona-Transformation (S. 21-41). Wiesbaden: Springer Gabler.
[4] Breyer-Mayländer, T. & Ritter, B. (2023). Führung an Schulen neu denken: Von der Defizitorientierung zur Experimentalkultur. Stuttgart: Raabe.
[5] Breyer-Mayländer, T. & Ritter, B. (2024). Führungsmodelle, Führungstools und Führungspraxis: Erfolgsprinzipien wirksamer Schulleitung. Weinheim: Beltz.
[6] Breyer-Mayländer, T., & Zerres, C. (2022). An approach to the phenomenon of corporate entrepreneurial culture. International Journal of Entrepreneurial Knowledge, 10(2).
[7] Breyer-Mayländer, T. & Zerres, C. (2023). Breyer-Mayländer, T., Zerres, C. Entrepreneurial Leadership: Stärkenorientierte Online-Führungsausbildungen für Medienunternehmen im Transformationsprozess. Organisationsberatung Supervision Coaching 30(4), 579–593.
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