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Berkheim macht’s vor

Steinbeis-Team unterstützt die Gemeinde bei der Entwicklung eines Energiekonzepts für einen nachhaltigen Wasserstoff­kreislauf mit E-Mobilität und Nahwärme

Deutschland will bis 2045 klimaneutral werden. Dieser Anspruch stellt nicht nur große Städte und Konzerne vor Herausforderungen, sondern auf kommunaler Ebene auch viele Gemeinden. Berkheim mit seinen rund 3.300 Einwohnern liegt im Südosten Baden-Württembergs im Landkreis Biberach und hat sich bei der Nahwärmeversorgung große Ziele gesetzt. Das Konzept der Gemeinde für eine Strom- und Wasserstoffproduktion aus erneuerbaren Energien könnte ein Kompass für eine gelungene kommunale Energiewende werden. Die Machbarkeit hat Heinz Pöhler mit seinem Team des Steinbeis-Beratungszentrums 4IES untersucht.

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Manfred Saitner ist Kämmerer in Berkheim und in Personalunion Geschäftsführer der gemeindeeigenen Nahwärmeversorgungs- und Infrastrukturgesellschaft Berkheim GmbH. Bisher wird der Wärmebedarf der Gemeinde von rund zehn GWh über ein Biogas-Blockheizkraftwerk und Erdgas gedeckt. „Mein Ziel ist es schon lange, Berkheim mit CO2-neutraler Wärme zu versorgen“, fasst Manfred Saitner das ehrgeizige Vorhaben zusammen.

Doch damit nicht genug, auch die wirtschaftliche Entwicklung der an der Bundesstraße 312 liegenden Gemeinde soll nachhaltig ausgelegt sein. Im neu ausgewiesenen Industriegebiet will die Gemeinde daher Unternehmen ansiedeln, die neben der Schaffung von Arbeitsplätzen einen zusätzlichen Nutzen für die vom Verkehr belasteten Einwohner liefern. Angedacht ist die Ansiedlung eines Logistikunternehmens mit Wasserstoff- und Stromtankstelle, die erneuerbare Energien nutzt. Die Produktion vor Ort entlastet das bestehende Stromnetz. Außerdem profitieren auch die örtlichen Speditions- und Baufirmen, denn ab 2035 sollen in der EU keine Verbrennermotoren mehr verkauft werden. Wasserstoff und Strom aus der Tankstelle vor Ort ersetzt dann den Dieseltreibstoff.

Außerdem bringen die Ansiedlung des Logistikcenters und der Betrieb der Tankstelle der Gemeinde Gewerbeeinnahmen und würden zusätzliche Arbeitsplätze schaffen. Der auf den großen Flächen der Logistikhallen produzierte Photovoltaikstrom könnte lokal zur Strombetankung oder Wasserstofferzeugung genutzt werden und entlastet den Flächenverbrauch für erneuerbare Energien sowie die Stromnetze.

Wenn diese Überlegungen technisch und wirtschaftlich darstellbar sind, könnte Berkheim Vorreiter für eine gelungene kommunale Energiewende sein. Und hier kommt das Team des Steinbeis-Beratungszentrums 4 IES um Steinbeis-Unternehmer Heinz Pöhler ins Spiel. Mit dem Auftrag einer Machbarkeitsstudie untersuchten die Experten die Wirtschaftlichkeit einer lokalen Wasserstofferzeugung, die Vermarktung von erneuerbarer Energie sowie die Einbindung in das lokale Wärmenetz.

Machbarkeitsstudie simuliert Bedarf und ermittelt Kosten

Den Anfang des Projekts machte eine detaillierte Erfassung des Ist-Zustandes. Diese umfasste den Wärme-, Strom- und Treibstoffbedarf der in unmittelbarer Nähe angesiedelten und geplanten Unternehmen, den Treibstoffbedarf der stark frequentierten B312 sowie den Wärmebedarf des bisher existierenden Nahwärmenetzes Berkheim. Auf Basis einer Verkehrsmessung und von Studien rechnete das Team außerdem den Strom- und Wasserstoffbedarf des anliegenden Fernverkehrs bis zum Zieljahr 2030 hoch. „In intensiven Gesprächen mit den Speditions- und Baufirmen über die zu erwartende technische Entwicklung, Verfügbarkeit und Ablösestrategie haben wir schließlich die Bedarfsentwicklung des zusätzlichen erneuerbaren Stroms und Wasserstoffs ermittelt“, ergänzt Heinz Pöhler.

Auch die Erarbeitung eines Szenarios für die Wärmebedarfsentwicklung war Teil des Projekts. Sowohl Strom-, Wärme- als auch Wasserstoffbedarfslastgänge wurden auf Stundenbasis mit den Projektbeteiligten der Gemeinde entwickelt und abgestimmt. Auf Basis des errechneten und simulierten Bedarfs konnte das Steinbeis-Team dann die optimale Größe des Elektrolyseurs und des Verdichters ermitteln.

Der prognostizierte Strom- und Wasserstoffbedarf war Grundlage, um den optimalen Energiemix für die Stromversorgung des Elektrolyseurs und der Stromtankstelle zu simulieren. Wind- und Solarenergie würden sich zwar sehr gut für den Betrieb des Elektrolyseurs und der Stromtankstelle eignen, doch das Illertal um Berkheim ist sehr windschwach. Im ersten Ansatz wurde daher auf den Einsatz von Windenergie verzichtet und der Fokus auf die Ermittlung der optimalen Photovoltaikgröße gerichtet.

Zur Vermeidung von Lastspitzen bei der Strombetankung und zur Optimierung der Stromkosten der Tankstelle haben Heinz Pöhler und sein Team die optimale Größe eines Batteriespeichers in Abhängigkeit des Tankverhaltens untersucht. Die Simulation hat gezeigt, dass sich der Batteriespeicher nicht nur positiv auf die Strombezugskosten der Tankstelle, sondern auch auf die Herstellkosten für Wasserstoff auswirkt.

Ein weiterer Vorteil ist die Entlastung der Verteilnetze und die Abwärmenutzung aus dem Wasserstoffherstellprozess. Hierfür erstellte das Steinbeis-Beratungszentrum ein Abwärmekonzept zur optimalen Nutzung in Abhängigkeit des prognostizierten Wärmebedarfs.

Durch das historisch gewachsene aktuelle Wärmenetz kann der Bedarf an 75°C-Wärme nur mithilfe des existierenden Biogas-Blockheizkraftwerks, einer Hochtemperaturwärmepumpe sowie der Nutzung der Abwärme aus dem Verdichter gedeckt werden. Im Mix lagen die Wärmegestehungskosten aus dem Wasserstoffprozess bei unter 1 ct/kWh. Unter Berücksichtigung von Finanzierungskosten, gesetzlichen Rahmenbedingungen (beispielsweise Befreiung von Netzentgelten) sowie Treibhausgasquoten für das in Verkehr bringen von erneuerbaren Kraftstoffen ergaben sich Wasserstoffherstellkosten von rund 5 bis 7 Euro/kg. Voraussetzung für die geringen Kosten war die Bildung eines Bilanzkreises, der die Investitionen in lokale erneuerbare Energien, Wasserstofferzeugung und Kurzzeitspeicherung sowie Strom- und Wasserstofftankstelle umfasste.

So geht es weiter

Die Realisierung des Projekts würde für die Gemeinde Berkheim eine nachhaltige und kostengünstige Nahwärmeversorgung sicherstellen. Schon während der Schlussphase der Machbarkeitsstudie hat sich gezeigt, dass die geringen Wasserstoffkosten und ein wirtschaftlicher Erfolg des Projekts nur im Zusammenschluss aller beteiligten Unternehmen zu realisieren ist. Daher haben sich die Gemeinde, lokale Bauunternehmen, Spediteure, der Betreiber des Elektrolyseurs und der Tankstelle zu einer Interessengemeinschaft zusammengeschlossen, um das Projekt bis spätestens 2030 umzusetzen.

Kontakt

Heinz Pöhler (Autor)
Steinbeis-Unternehmer
Steinbeis-Beratungszentrum 4IES (Laichingen, Ulm)
www.steinbeis-kne.de

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