Einflussgrößen auf die Produktkosten und deren Wechselwirkungen © Steinbeis-Beratungszentrum Holistic Engineering

Mit einer ganzheitlichen Strategie den Unternehmenserfolg sichern

Digitale Technologien unterstützen die Produktentwicklung im Spannungsfeld von Kosten, Qualität, Nachhaltigkeitsgesetzgebung und Time-to-Market

Ständig steigende Anforderungen an die Kosten, die Qualität und den Zeitraum bis zur Markteinführung von Produkten bei gleichzeitig zunehmender Komplexität von Geschäftsprozessen, wirtschaftlichen Abhängigkeiten und gesetzlichen Anforderungen vor allem im Themenfeld Nachhaltigkeit – das alles erfordert einen ganzheitlichen Entwicklungsansatz zur Sicherung des Unternehmenserfolgs. Für die erfolgreiche Implementierung eines solchen Ansatzes ist die konsequente Digitalisierung aller Einzelschritte im Entwicklungsprozess gepaart mit einer nahtlosen Vernetzung der eingesetzten IT-Systeme eine Grundvoraussetzung. Darüber hinaus kommt der Bereitstellung aller notwendigen Informationen und Randbedingungen zur richtigen Zeit, in der richtigen Qualität, zum richtigen Preis und im richtigen Datenformat eine zentrale Bedeutung zu. Vor diesem Hintergrund haben sich drei Steinbeis-Unternehmen zusammengeschlossen: Das Steinbeis-Beratungs­zentrum Holistic Engineering berät umfassend bei der Erarbeitung einer ganzheitlichen Strategie im Entwicklungsprozess, die durch den Einsatz virtueller Berechnungs- und Testverfahren des Steinbeis-Forschungszentrums Virtual Testing sowie die Analyse von Strömungsprozessen durch das Steinbeis-Forschungszentrum Strömungsanalyse ergänzt wird.

Erläuterungen zu Topologie, Geometrie und Werkstoffen am Beispiel einer elektrischen Maschine © Steinbeis-Beratungszentrum Holistic Engineering

 

Entwicklung, Einkauf, Logistik, Fertigung, Vertrieb, Gesetzgebung – viele Bereiche beeinflussen die Gesamtkosten und den Zeitraum bis zur Markteinführung eines Produkts. Daher muss es das Ziel der Produktentwicklung sein, dasjenige Design zu finden, das alle Anforderungen erfüllt und zu den für den Hersteller geringstmöglichen Gesamtkosten in kürzestmöglicher Zeit an die Endkunden ausgeliefert werden kann.

Ein Design ist in dieser Betrachtungsweise eine produktspezifische Kombination aus Topologie, Geometrie, Werkstoffen, Fertigungsverfahren und Produktionsstandorten. Um das kostenoptimale Design zu finden, ist eine Analyse von häufig mehreren Zehntausend möglichen Designs notwendig. Diese Aufgabe gleicht der berühmten Suche nach der Nadel im Heuhaufen und kann in einem wirtschaftlich und zeitlich vertretbaren Rahmen ausschließlich durch den massiven Einsatz digitaler Technologien erfolgreich bewältigt werden.

Beispiel: Elektromotor

Das Beispiel eines Elektromotors vermittelt eine Vorstellung, um welche Entscheidungen es geht. So kann bei einem Elektromotor bezüglich der Topologie zum Beispiel zwischen einer Asynchronmaschine (ASM) und einer permanenterregten Synchronmaschine (PSM) unterschieden werden. Der Hauptunterschied zwischen den beiden Maschinentypen liegt im Aufbau des Rotors: Im Fall der ASM wird die sogenannte Käfigwicklung üblicherweise mittels eines Gussverfahrens hergestellt, während bei der PSM unmagnetisierte Permanentmagnete in den Rotor gefügt und anschließend alle Magnete gemeinsam in einem Schritt in einer Magnetisieranlage magnetisiert werden. Die Entscheidung für eine Topologie legt damit verbundene Fertigungstechnologien, Platzbedarf für die Fertigungslinien etc. fest.

Die Geometrie beschreibt die konkreten Abmessungen der einzelnen Bauteile des Produkts. Bei der elektrischen Maschine sind dies zum Beispiel die Abmessungen der Magnete, der Rotor- und Statordurchmesser, die Länge der Maschine etc. Die Entscheidungen zur Geometrie beeinflussen maßgeblich den Bauraum des späteren Produkts, die technischen Leistungsdaten und den Materialeinsatz.

Der Auswahl der Werkstoffe kommt eine besondere Bedeutung im Produktentwicklungsprozess zu, da diese häufig die Kosten für ein Produkt signifikant beeinflussen kann. Für Hochleistungs-PSM werden meist Seltenerdmagnete eingesetzt, die hauptsächlich aus Neodym, Eisen und Bor (NdFeB) bestehen. Zur Steigerung der sogenannten Entmagnetisierfestigkeit bei höheren Temperaturen wird den NdFeB-Magneten Dysprosium dotiert. Für Höchstleistungsmagnete kommt noch zusätzlich Terbium zum Einsatz. Gelingt es nun, durch eine gute thermische Auslegung der Maschine die maximale Magnettemperatur im Betrieb so weit zu senken, dass auf den Einsatz von Terbium verzichtet werden kann, senkt dies die Kosten für das Magnetmaterial deutlich. Neben den reinen Materialkosten werden durch die Materialauswahl auch verschiedenste Nachhaltigkeitskriterien beeinflusst.

Auch die Auswahl der Fertigungsverfahren beeinflusst sowohl die Herstellungskosten als auch die Nachhaltigkeitsperformance des Produkts und hängt selbst wiederum von einer Vielzahl an Einflussgrößen ab, wie zum Beispiel die zu fertigenden Losgrößen, bereits vorhandene Fertigungsanlagen, vorhandene Spezialkenntnisse oder weitere strategische Faktoren.

Die Auswahl der Produktionsstandorte hängt in der Regel von mehreren Aspekten ab, zum Beispiel von der Anzahl an Teilen, die von Zulieferern bezogen werden, oder von den Lohnkosten. Des Weiteren sind mit den Transporten von Teilen, Halbzeugen und dem fertigen Produkt direkte und indirekte Kosten für zum Beispiel CO2-Zertifikate zur Kompensation für Emissionen sowie Zeitaufwände verbunden. In Abhängigkeit von den gefertigten Losgrößen sowie der aktuellen und zukünftigen Preisentwicklung von CO2-Zertifikaten können die kostenoptimalen Kombinationen dieser Aspekte merklich variieren.

Nachhaltigkeitsgesetzgebung: ein Überblick

Dazu kommt, dass die Bedeutung der Bewertung von Nachhaltigkeitskriterien zunehmend wichtiger wird. Das bekannteste und aktuell das wichtigste Kriterium ist sicherlich der CO2-Fußabdruck eines Produkts (Product Carbon Footprint, PCF). Die Bewertung erfolgt im Rahmen eines Product-Life-Cycle-Assessments (LCA), bei dem das Produkt anhand seiner Stückliste hinsichtlich der CO2-Äquivalente bilanziert wird. Neben dem PCF können beim LCA weitere Kriterien wie zum Beispiel Wasser- und Landverbrauch, Recyclinganteil bei eingesetzten Rohstoffen, Herkunft von Rohstoffen (Konfliktmineralien) oder die Vermeidung von Kinderarbeit bewertet werden.

2024 ist eine Reihe von nationalen Gesetzen und EU-Verordnungen in Kraft getreten, darüber hinaus sind weitere in Vorbereitung. Dazu gehören unter anderem das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) sowie die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) [1]. Die CSRD erweitert die bereits bestehende Non-Financial Reporting Directive (NFRD) und verpflichtet zu umfassenderer Berichtspflicht nach einheitlicheren Maßstäben zu Auswirkungen des eigenen Geschäftsbetriebs auf Menschen und Umwelt sowie zu Auswirkungen von Nachhaltigkeitsaspekten auf das Unternehmen. 2025 kommen weitere Gesetze und Verordnungen hinzu. Darüber hinaus gibt es weitere geplante EU-Regularien, die sich in der Vorbereitung befinden. Die Green-Public-Procurement- Richtlinie soll für eine nachhaltige öffentliche Beschaffung sorgen. Dafür werden Bewertungen von Produkten und Dienstleistungen eingeführt, die Behörden dabei helfen sollen, ihre Beschaffung künftig an ökologischen Kriterien auszurichten. Die bereits seit 2013 existierende Industrial Emissions Directive wird überarbeitet und ihr Geltungsbereich ausgeweitet. Damit soll eine kontinuierliche Reduktion von Luft-, Wasser- und Bodenemissionen sowie eine Verringerung des Ressourcenverbrauchs erreicht werden. Die Packaging and Packaging Waste Regulation (PPWR) zielt darauf ab, Abfälle zu reduzieren, wiederverwertbare Verpackungen einzuführen und Mindestanforderungen an deren Recyclingfähigkeit festzulegen. Das Recht auf Reparatur verpflichtet Hersteller und Verkäufer, innerhalb der Garantiezeit eines Produkts Reparaturmöglichkeiten anzubieten sowie die Versorgung mit Ersatzteilen zu gewährleisten.

Mit digitalen Technologien Herausforderungen erfolgreich meistern

Die Vielzahl und Bandbreite an Gesetzen und Verordnungen macht deutlich, dass das Thema Nachhaltigkeit weder „optionales Beiwerk zum Tagesgeschäft“ noch einfach zu bewerten ist. Um im ersten Schritt die resultierenden Berichtspflichten erfüllen zu können, ist zunächst eine zuverlässige Bilanzierung des Status quo unabdingbar. Diese erfolgt häufig manuell und mit entsprechend hohem Aufwand. Zur langfristigen Sicherstellung der Wettbewerbsfähigkeit eines Unternehmens muss die Bilanzierung möglichst vollständig digitalisiert und automatisiert werden und darüber hinaus Einzug in die virtuelle Produktentwicklung finden. Nur dann ist es möglich, bereits lange vor dem Vorhandensein von realen Fertigungsanlagen verschiedene Szenarien zu simulieren, die optimalen Konstellationen zu identifizieren und auf Basis dieser Erkenntnisse die notwendigen unternehmerischen Entscheidungen zu treffen. Je früher sich Entscheider in Unternehmen dieser Verantwortung bewusst und daraufhin aktiv werden, umso höher sind die Chancen, sich einen möglicherweise entscheidenden Wettbewerbsvorteil für das Unternehmen zu sichern.

Vor allem für kleine und mittelständische Unternehmen kann schon die Bilanzierung ihres Status quo bezüglich der Nachhaltigkeitsanforderungen eine Hürde darstellen, wenn es im Unternehmen keine für die Aufgabe qualifizierten Mitarbeiter und entsprechende organisatorische Strukturen gibt. Gleiches kann für die angesprochenen Themen der virtuellen Produktentwicklung gelten. Die drei Steinbeis-Unternehmen – das Steinbeis-Beratungszentrum Holistic Engineering sowie die Steinbeis-Forschungszentren Virtual Testing und Strömungsanalyse – bieten hier ein breites Spektrum von Unterstützungsleistungen auf Basis von digitalen Lösungen an. Üblicherweise wird mit einer ersten Analyse der aktuell vorhandenen Ressourcen und der Organisation im Hinblick auf Nachhaltigkeit und virtuelle Produktentwicklung im Unternehmen begonnen. Daraus werden Handlungsempfehlungen für das Management abgeleitet. In Folgeprozessen können dann die identifizierten Maßnahmen Schritt für Schritt umgesetzt werden. Weiterhin bietet das Steinbeis-Team Unterstützung bei der Erstellung von Nachhaltigkeitsbilanzen an, um den aktuellen Status quo möglichst schnell bewerten zu können. Abgerundet wird das Angebot durch virtuelle Entwicklungsleistungen und experimentelle Tests.

Kontakt

Dr.-Ing. Marc Brück (Autor)
Steinbeis-Unternehmer
Steinbeis-Beratungszentrum Holistic Engineering (Bondorf)

Prof. Dr.-Ing. habil. Uwe Janoske
Steinbeis-Unternehmer
Steinbeis-Forschungszentrum Virtual Testing (Schwäbisch Hall)

Quellen
[1] https://www.how-green-works.de/standards-und-regulierung/news/nachhaltigkeit-klimaschutz-gesetze-richtlinien-verordnungen-fuer-unternehmen-223
227255-32