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Zukunftsfähige Lern- und Weiterbildungskultur als Voraussetzung für neue innovative Produkte und Dienstleistungen

Im Gespräch mit Steinbeis-Expertin Nicola Westermann und Michael Pahl, Innovations- und Netzwerkmanager der embeteco GmbH & Co. KG

Das Team des Steinbeis-Beratungszentrums Co-Innovation Academy und der embeteco GmbH & Co. KG hat in einem vom Land Niedersachsen mit Mitteln des Europäischen Sozialfonds (EFS) geförderten Weiterbildungsprojekt Dienstleistungsangebote für ein effizientes Project Management Office (PMO) für kooperative Forschungsvorhaben und die Begleitung der Transformation von KMU durch die Konzeption und Entwicklung datengetriebener Geschäftsmodelle entwickelt. Die TRANSFER sprach mit Nicola Westermann vom Steinbeis-Beratungszentrum Co-Innovation Academy und Michael Pahl von der embeteco GmbH & Co. KG über die in diesem Projekt gewonnenen Erkenntnisse zur Lern- und Weiterbildungskultur eines Unternehmens, deren Bedeutung für die Innovationsfähigkeit sowie die von beiden Partnern entwickelten Dienstleistungsangebote.

Frau Westermann, Herr Pahl, Innovationsfähigkeit ist für Unternehmen wichtiger denn je. Die Lern- und Weiterbildungskultur eines Unternehmens gewinnt dabei immer mehr an Bedeutung. Was sind aus Ihrer Sicht entscheidende Erfolgsfaktoren für eine zukunftsfähige Lern- und Weiterbildungskultur?

Nicola Westermann:
Für eine nachhaltige Innovationskultur ist eine zukunftsfähige Lern- und Weiterbildungskultur unabdingbar. In unserer Ausbildung zum/zur agilen Innovationsmanager/in „Innovation Skills“ setzen wir auf das arbeitsplatz- und projektintegrierte Lernen. Dabei verbinden wir Unternehmensberatung durch unsere Innovationsexperten mit bedarfsgerechter Qualifizierung der Mitarbeitenden am eigenen Unternehmensprojekt. Erhebliche Anteile der Weiterbildung sind flexibilisiert und von den Teilnehmern selbstgesteuert. Das Curriculum legt dabei die wichtigsten Meilensteine im Projekt fest. Darüber hinaus beziehen wir die Führungsebene von Unternehmen als Mentoren mit ein. Auf diese Weise nehmen die Unternehmen direkten Einfluss auf Planung, Umsetzung und erfolgreichen Abschluss des Projekts.

Michael Pahl:
Für mich ist eine starke Unterstützung und aktive Beteiligung der Führungsebene entscheidend, um eine Kultur des lebenslangen Lernens in Unternehmen zu fördern. Führungskräfte sollten daher nicht nur den Wert von Weiterbildung kommunizieren, sondern dies auch selbst vorleben, indem sie den Prozess aktiv begleiten und durch regelmäßiges Feedback die Bemühungen anerkennen und wertschätzen. Diese aktive Beteiligung stellt sicher, dass die Weiterbildung nicht nur als isoliertes Ereignis betrachtet wird, sondern als kontinuierlicher Prozess, der in den Arbeitsalltag integriert ist. Führungskräfte können dabei als Vorbilder dienen und zeigen, dass lebenslanges Lernen und persönliche Weiterentwicklung für den Erfolg des Unternehmens von zentraler Bedeutung sind.

Welche Rolle spielt Agilität bei dieser Vorgehensweise?

Michael Pahl:
In einer unsicheren und sich schnell verändernden Welt ist Agilität ein entscheidender Erfolgsfaktor, um mit Komplexität und Unsicherheit umzugehen. Indem Unsicherheiten akzeptiert werden und der Mut zu neuen Ideen und Herangehensweisen gefördert wird, schafft Agilität ein Umfeld, das die Innovationsfähigkeit eines Unternehmens stärkt. In agilen Vorgehensweisen werden Annahmen als Grundlage für Entscheidungen und Handlungen betrachtet, gleichzeitig wird ermutigt, Annahmen zu hinterfragen und sie durch kontinuierliches Lernen und Feedback zu überprüfen. Dabei ist eine Organisations- beziehungsweise Innovationskultur entscheidend, die „falsche“ Annahmen als Erkenntnis statt als Fehler betrachtet. Von daher ist Agilität mehr als ein methodischer Ansatz, es ist eine Haltung, um resilient mit kontinuierlicher Veränderung umzugehen.

Welche Bedeutung hat der Praxisbezug in einer zukunftsfähigen Lern- und Weiterbildungskultur?

Nicola Westermann:
Der Praxisbezug ist dringend notwendig und gilt grundsätzlich für alle Lern- und Weiterbildungsinhalte. Diese Einsicht ist nicht neu, wird in der Breite der Weiterbildungslandschaft aber immer noch zu wenig berücksichtigt. Wir sind der Überzeugung, dass der Wissenstransfer in die Praxis ein entscheidender Baustein nachhaltiger Lern- und Weiterbildungskultur ist. Deswegen beinhaltet unser Weiterbildungsformat einen eigenen Projektpfad über die gesamte Dauer: Bereits im Vorfeld wird eine individuelle Projektidee mit dem projektgebenden Unternehmen abgestimmt. Während des Online-Trainings gehen die Mitarbeitenden die ihrem Wissensstand entsprechenden Projektschritte. In einer in die Module integrierten Transferphase setzen sie dann – begleitet durch unsere Experten – weitere Projektaufgaben um, deren Ergebnisse dann am Ende der jeweiligen Module präsentiert und diskutiert werden. Dies gilt auch für die Entwicklung von Innovationsfähigkeiten wie Design-Thinking-Kompetenz, mit der das entwickelte Produkt- oder Dienstleistungsangebot bei Anwendern als reales Produkt getestet und anschließend iteriert werden kann.

Michael Pahl:
Ein Praxisbezug in der Vermittlung agiler Methoden wie beispielsweise Design-Thinking ist in meinen Augen ein unabdingbarer Ansatz in der nachhaltigen Vermittlung von methodischen Kompetenzen. Niemandem ist damit geholfen, Mitarbeiter auf Design Thinking-Seminare mit fiktiven Anwendungsfällen zu schicken, wenn diese keine direkte Integration in den Arbeitsalltag und eine Auseinandersetzung mit realen Herausforderungen des Unternehmens ermöglichen. Denn so bleiben die erworbenen Kompetenzen häufig ungenutzt oder geraten gar in Vergessenheit. Diese Erfahrungen frustrieren Mitarbeiter und erzeugen zusätzlich Vorbehalte gegenüber weiteren, ähnlichen Weiterbildungen. Aus meiner Sicht erhöht ein „Learning on the Job“ die Motivation und Methodenkompetenz und steigert darüber hinaus das Verantwortungsgefühl sowie das unternehmerische Denken der beteiligten Mitarbeiter.

Was ist Ihnen bei Ihrer Weiterbildung und Ihren Dienstleistungsangeboten besonders wichtig?

Nicola Westermann:
Als Weiterbildungsanbieter verstehen wir uns als Dienstleister für die Wirtschaft. Mit den veränderten Anforderungen an die Unternehmen müssen sich daher sowohl die Rolle und das Berufsbild von Lernbegleitern als auch die Weiterbildungsformate verändern. Unser Trainingsdesign, das auf dem Social-Blended-Learning-Ansatz von John Erpenbeck und Werner Sauter fußt, haben wir passgenau für den beruflichen und betrieblichen Weiterbildungsbereich entwickelt. Das Lernarrangement gibt den Mitarbeitenden nach wie vor Struktur und Orientierung und bietet gleichzeitig die Chance, den sogenannten Ermöglichungsrahmen selbstorganisiert zur Lösung von Herausforderungen in der Praxis zu nutzen. Auf diese Weise gibt das Format Sicherheit und unterstützt gleichzeitig die Entwicklung einer zukunftsfähigen Innovations- und Lernkultur in Unternehmen. In Zeiten des Fachkräftemangels ist es darüber hinaus ein ausgezeichnetes Instrument, um Talenten kollaborativ, effizient und effektiv den Übergang in ein neues Aufgabengebiet zu ebnen und deren Potenzialentfaltung zu fördern.

Entscheidend ist für mich, dass die Weiterbildung nicht mit der Erarbeitung von Konzepten oder einem reinen Consulting für das eigene Unternehmen durch die Mitarbeitenden abschließt. Es wird von den Mitarbeitenden vielmehr ein erstes eigenes agiles Innovationsprodukt end-to-end entwickelt, das im Anschluss an die Ausbildung sofort in den Markt gebracht werden kann. Dabei ist die Begleitung durch unsere Experten, die ihre eigenen Erfahrungen in das Coaching miteinbinden, von großem Vorteil: Am Ende der Weiterbildung entstehen durch die Entwicklung von Innovationsfähigkeiten an realen Unternehmensprojekten konkrete Ergebnisse und bezifferbare Mehrwerte für das Unternehmen sowie für die Multiplikatoren.

Michael Pahl:
Die co-kreative Verbesserung bestehender beziehungsweise die Entwicklung neuer Geschäftsmodelle ist für uns bei embeteco eine essenzielle Voraussetzung des unternehmerischen Erfolgs. Die im Weiterbildungsprojekt entwickelten Dienstleistungen ermöglichen uns einen systematischen Blick auf die Bedarfe potenzieller Kunden. Dabei sind die dadurch erlernten Kompetenzen gleichzeitig Dienstleistungselemente der entwickelten Angebote. Sowohl in der Dienstleistung des PMO für Forschungskooperationen, also Konsortialpartnersuche, Fördermittel-Antragsstellung, Projektmanagement, Workshop-Facilitation, als auch beim Dienstleistungsangebot der Konzeption und Entwicklung datengetriebener Geschäftsmodelle bieten die erworbenen Innovationsfähigkeiten einen zusätzlichen Mehrwert, um die damit einhergehende Komplexität dieser Projekte zu beherrschen. Das führt zu spürbaren Bottom-up-Motivationen und schafft gleichzeitig eine praktische Weiterentwicklung der methodischen Kompetenzen der Mitarbeiter.


Das Projekt Innovation Skills wurde mit Mitteln des Europäischen Sozialfonds, Programmgebiet stärker entwickelte Regionen (SER); Förderperiode 2014-2020, entsprechend der Richtlinie über die Gewährung von Zuwendungen zur beruflichen Förderung von Maßnahmen im Rahmen des Programms „Weiterbildung in Niedersachsen – Individuelle Weiterbildung“ gefördert.

Kontakt

Die nächste Ausbildung zum/zur agilen Innovationsmanager/in beginnt am 09. Oktober 2023.

Nicola Eva Westermann (Interviewpartnerin)
Steinbeis-Unternehmerin
Steinbeis-Beratungszentrum Co-Innovation Academy (Stuttgart)
www.steinbeis-coin.de

Michael Pahl (Interviewpartner)
Innovations- und Netzwerkmanager
embeteco GmbH & Co. KG (Rastede)

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