Module und Transportband

Her mit der Knete!

Steinbeis-Team setzt Automatisierungslösungen bei der Kommissionierung von Modelliermasse um

Modelliermasse lässt Kinderherzen häufig höherschlagen: Sie ist ein beliebtes Kreativspielzeug, das räumliches Denken und die Feinmotorik der Hände fördert. Um sie herzustellen, ist ein komplexer, mehrstufiger Prozess erforderlich. Das Team des Steinbeis-Forschungszentrums Automation, Leichtbau und Prozesstechnik (ALP) hat dazu beigetragen, den Schritt der Kommissionierung mittels einer vollautomatisierten Anlage zu optimieren.

Smartes Ejektormodul

 

Bei der Herstellung von Modelliermasse wird zunächst die Masse in einem Kneter aus Wachsen, Füllstoffen und Pigmenten gemischt, zu einem Strang mit dem gewünschten Durchmesser extrudiert und anschließend auf Länge zugeschnitten. „Da sowohl das Mischen als auch die Extrusion hochproduktive Verfahren sind, ist es mit der Jahresproduktion je einer Maschine möglich, einen signifikanten Teil des Marktbedarfs zu decken“, weiß Steinbeis-Unternehmer Professor Dr.-Ing. Wolfgang Nendel. Um Sortimente mit bis zu zehn unterschiedlichen Farben anzubieten, sind also eine Zwischenlagerung und eine anschließende Kommissionierung notwendig. Dabei werden aus den gelagerten Stangen Pakete mit unterschiedlicher Stangenzahl in der vom Kunden gewünschten Farbkombination zusammengestellt. Die hohe Variantenvielfalt, die sich aus den Parametern Stangendurchmesser, Länge, Anzahl, Farbkombination und einfachem beziehungsweise doppeltem Lagenaufbau des Paketes ergibt, stellt in Verbindung mit den Losgrößen hohe Anforderungen an die Flexibilität der Kommissionierung. „In Zeiten des schwierigen Recruitings von Arbeitskräften, insbesondere in strukturschwachen Regionen, und der steigenden Lohnkosten bei gleichzeitig sinkendem Aufwand zur Realisierung auch komplexer Prozesse ist Automatisierung auch für mittelständische Unternehmen eine Notwendigkeit“, erklärt Steinbeis-Unternehmer Mirko Spieler. Um das in der Modelliermasseproduktion umzusetzen und den Aufwand zu reduzieren sowie die Fertigungstiefe zu erhöhen, entwickelte und realisierte das Steinbeis-Forschungszentrum Automation, Leichtbau und Prozesstechnik (ALP) gemeinsam mit der Professur Strukturleichtbau und Kunststoffverarbeitung (SLK) der TU Chemnitz eine vollautomatisierte Kommissionieranlage.

Flexibilität durch Modularität

Die Flexibilität der Anlage wird durch einen modularen Aufbau erreicht, der eine Vielzahl an Sortimenten ermöglicht: Ein erstes Modul stellt fünf gefaltete Pappträger bereit, die dann von zehn baugleichen Modulen mit jeweils ein oder zwei Stangen Modelliermasse bestückt werden. Dabei können für jedes Modul die Anzahl der abzulegenden Stangen, deren Ablageposition und die Lagenanzahl programmiert werden. Die Farbreihenfolge wird durch die Bestückung der Module ohne Programmieraufwand festgelegt, der Transport zwischen den Stationen erfolgt mit einem Bandförderer. Für eine sichere Handhabung beim anschließenden Verpackungsprozess werden die Pakete so komprimiert, dass die Stangen aneinanderhaften und nicht mehr lose im Warenträger liegen.

Effiziente Erzeugung des Prozessvakuums

Für eine ökonomische und ökologische Produktion spielt der Energieverbrauch einer Produktionsanlage eine zentrale Rolle. Die flexible Modularität der Kommissionieranlage erfordert eine dezentrale Erzeugung des Prozessvakuums zum Handling der Modelliermasse – das kann durch dezentrale, pneumatische Drucklufterzeugung gewährleistet werden, allerdings haben konventionelle Vakuumejektoren einen hohen Druckluftverbrauch und Energiebedarf. Durch den Einsatz effizienter und smarter Ejektoren, die ohne Erweiterung der pneumatischen Infrastruktur auskommen, kann eine Reduzierung um bis zu 90 % erreicht werden, weshalb auch das Chemnitzer Steinbeis-Team und seine Projektpartner diese Lösung wählten. Die Effizienzsteigerung basiert auf dreistufigen Vakuumejektoren, die bei geringerem Druckluftbedarf deutlich mehr Vakuumstrom erzeugen, sowie einer Ventiltechnik, die druckgesteuert die Druckluft zur Vakuumerzeugung nur zuschaltet, wenn ein eingestelltes Vakuumlevel unterschritten wird.

Vom konventionellen zum automatisierten Prozess

Eine besondere Herausforderung für mittelständische Unternehmen stellt die Erweiterung bestehender Produktionsprozesse durch automatisierte Anlagen am Ende der Produktionskette dar. Fehler, Toleranzen und Ungenauigkeiten aus den vorangegangenen Arbeitsschritten, die bisher im manuellen Prozess korrigiert wurden oder ohne Bedeutung waren, können im automatisierten Prozess nur mit sehr hohem Aufwand kompensiert werden. Die aus dem Prozess resultierenden Anforderungen, beispielsweise hinsichtlich der Ablagegenauigkeit, sind allerdings in den meisten Fällen höher als die Qualitätsanforderungen des Produktes. Modelliermassestangen weisen neben der hohen Variantenvielfalt hinsichtlich Länge und Durchmesser auch ein deutlich größeres geometrisches Toleranzfeld als Werkstücke aus Kunststoff oder Metall auf. Beide Aspekte müssen im Kommissionierprozess berücksichtigt und kompensiert werden. Dabei ist es notwendig, sowohl einen sicheren und möglichst unterbrechungsfreien Prozessablauf als auch die Einhaltung der Qualitätsstandards sicherzustellen.

Um diese Herausforderung zu lösen, konzentrierte sich das Projektteam auf das Sensorkonzept zur Prozessüberwachung und -regelung und bezog die Mitarbeiter in die Qualitätsverantwortung ein. Zwei Möglichkeiten kamen dabei infrage: Entweder justier- und einstellbare Sensoren einzusetzen oder Messgrößen zu wählen, die weitgehend unabhängig von der Variante und den Toleranzen der Modelliermassestangen erfasst werden können. Die letztere Option reduziert den Aufwand und die Fehlerquellen bei der Umrüstung erheblich, was besonders bei der Greiftechnik zur Entnahme und zum Ablegen des Handhabungsguts deutlich wird: Hier müssen sowohl die Position des Greifers als auch dessen Zustand erfasst werden, um den Prozessablauf danach zu steuern. Das Greifen erfolgt einseitig mittels Vakuum und kann somit unabhängig von der Geometrie der Modelliermassestange über Druckschalter erfasst werden. Die Bewegung zu erfassen und auszuwerten stellt eine wesentlich größere Herausforderung dar, denn die Abweichung der Greifposition durch die Durchmessertoleranz der Modelliermasse liegt im Bereich von wenigen Zehntelmillimetern, die Abweichung durch den Stangentyp im Bereich weniger Millimeter und die Abweichung durch die Entnahme- und Ablageebene im Bereich mehrerer Zentimeter. Hier kann nur die Bewegung des pneumatischen Aktors erfasst werden und nicht der Toleranzausgleich, wenn das Sensorsignal ohne Anpassung universell für alle Typen von Modelliermasse und Packungsgrößen gültig sein soll. Für die korrekte Farbanordnung und Lage der Stangen auf dem Warenträger sind die Mitarbeiter verantwortlich, da die Position der Stangen auf dem Warenträger durch den Bestückungs-, Lager- und Transportprozess hindurch nicht gewährleistet werden kann. Diese Schnittstelle zwischen automatisiertem und konventionellem Prozess stellt die zentrale Herausforderung für die technisch und wirtschaftlich erfolgreiche Implementierung der Automatisierung in den Gesamtprozess der Modelliermasseproduktion dar.

Besondere Materialien, besondere Prozesse

Die Automatisierung von Prozessen mit besonderen Materialien stellt kleine und mittelständische Unternehmen vor besondere Herausforderungen: Maschinen können die Anforderungen hinsichtlich des mechanischen, thermischen und chemischen Materialverhaltens oft nicht vollständig abbilden und zur Lösung von materialspezifischen Problemen sind umfangreiche und kostenintensive Entwicklungsarbeiten notwendig. Modelliermasse weist zum Beispiel eine sehr hohe Neigung zur Adhäsion an fast allen Materialien außer Silikon und PTFE auf, insbesondere unter Temperatureinfluss. Diese Eigenschaft erschwert den Entnahmeprozess erheblich, da die Greifkräfte die Modelliermasse beschädigen, der Warenträger stark belastet und verschoben wird und ein Ablösen nicht sicher gewährleistet ist. Durch eine Beschichtung der Warenträger sowie eine kleine Seitwärtsbewegung des Greifers vor dem Abheben tritt allerdings eine Schälbelastung zwischen Modelliermasse und Warenträger auf, die zur Ablösung führt. Aufgrund der hohen Anzahl benötigter Warenträger sind die Beschichtungskosten von entscheidender Bedeutung für die Wirtschaftlichkeit des Gesamtprozesses, aufwendige PTFE- oder Silikonbeschichtungen können somit nicht verwendet werden. Hinzu kommt, dass ein möglicher Transfer der Beschichtung auf das Endprodukt nicht die Spielzeugtauglichkeit beeinträchtigen darf. Ein guter Kompromiss aus akzeptablen Kosten und benötigten technischen Eigenschaften ist eine Beschichtung mit einem Wachs, das dem verwendeten Basiswachs sehr ähnlich ist. Dieses kann sowohl geschmolzen im Sprühverfahren als auch kalt aufgebracht werden.

Individuelle Automatisierung für KMU

Automatisierungslösungen für kleine und mittelständische Unternehmen müssen angepasst sein. Standardlösungen erfüllen die technischen Anforderungen der dort häufig verarbeiteten Sondermaterialien, die wirtschaftlichen Anforderungen insbesondere hinsichtlich der Investitionskosten sowie die erwartete Flexibilität und Bedienbarkeit nicht. Sondermaschinen mit individuellen Lösungen können das jedoch leisten und zur Steigerung der Produktivität beitragen sowie dem Fachkräftemangel entgegenwirken.

Kontakt

Prof. Dr.-Ing. Wolfgang Nendel (Autor)
Steinbeis-Unternehmer
Steinbeis-Forschungszentrum Automation, Leichtbau und Prozesstechnik (ALP) (Chemnitz)

Mirko Spieler (Autor)
Steinbeis-Unternehmer
Steinbeis-Forschungszentrum Automation, Leichtbau und Prozesstechnik (ALP) (Chemnitz)

Christoph Doerffel (Autor)
Mitarbeiter
Steinbeis-Forschungszentrum Automation, Leichtbau und Prozesstechnik (ALP) (Chemnitz)

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