Steinbeis-Team entwickelt funktionsintegrierte Stadtmöbel in Sichtbetonqualität
Im Chemnitzer Steinbeis-Innovationszentrum FiberCrete werden neue faser- und textilverstärkte Baustoffe und Verbunde sowie Technologien zu deren Herstellung entwickelt, erprobt und umgesetzt. In einem Verbundprojekt entwickelten die Steinbeis-Experten zusammen mit der Baustoffwerk LIMEX-VENUSBERG GmbH die organisch geformte Stadtmöbelserie FurCrete aus Carbonbeton mit Heiz-, Beleuchtungs- und Ladefunktion, die erstmalig zur Gestaltung des Außenbereichs des Carlowitz Congresscenters in Chemnitz eingesetzt wurde. Das Projekt wurde im Rahmen des Zentralen Innovationsprogramms Mittelstand (ZIM) gefördert.
Sichtbeton gewinnt in den letzten Jahren zunehmend an Bedeutung. Das ist insbesondere auf Trends in der Architektur in Richtung natürliches Design, Funktionalität und Ästhetik zurückzuführen. Darüber hinaus hat Beton als Werkstoff sehr gute mechanische Eigenschaften, eine hohe Dauerhaftigkeit und ist kostengünstig herzustellen. Der Verbrauch an Ressourcen – Rohstoffe und Energie – sowie die CO2-Emissionen sind allerdings aufgrund der massiven, durch die Materialcharakteristik der stahlbewehrten Betonfertigteile bedingten Bauweise sehr hoch. Daher hat das Steinbeis-Team aus Chemnitz nach neuen nachhaltigen Lösungen für moderne, dauerhafte Stadtmöblierungen gesucht. Stahlfreibewehrte Betonbauweisen sind prädestiniert für die Fertigung dünnwandiger Betonelemente. Durch die Verwendung nicht-korrodierender Bewehrungen wie Fasern und textile Gitter aus alkalibeständigem Glas (sogenanntes AR-Glas) oder Carbon kann die Betondeckung von mehreren Zentimetern auf wenige Millimeter reduziert und damit eine erhebliche Betonmenge eingespart werden. Das Ergebnis ist eine filigrane Leichtbauweise, die großes Potenzial bietet und sich daher für Carbonbeton-Stadtmöbel gut eignet.
Ziel: Nachhaltige und funktionale Stadtmöbel
Ziel des von den Chemnitzer Steinbeis-Experten realisierten Projektes war die Entwicklung und Umsetzung freigeformter funktionsintegrierter Stadtmöbel in leichtbaugerechter Architekturbetonbauweise, die sich in puncto Nachhaltigkeit, Design und Funktionalität deutlich vom aktuellen Marktangebot abgrenzen. Grundlage dafür war die Entwicklung eines fließfähigen faserverstärkten Feinbetons, der im Gießverfahren (Wetcast) in allseitigen Sichtschalungen zu poren- und lunkerfreien Elementen verarbeitet werden sollte. Ein besonderes Augenmerk legte das Team auf die Multifunktionalität. Dazu erfolgten der Einbau von indirekten Beleuchtungselementen auf LED-Basis, die Integration von induktiven Ladestationen sowie die lokale Beheizung von Sitzflächen durch integrierte Heiztextilien aus Carbonfasern. Dabei übernehmen die Carbongitter gleichzeitig die Bewehrungs- und Heizfunktion.
Materialentwicklung: fünf Stoffe – ein Ziel
Die Materialentwicklung umfasste den zusammenhängenden Komplex aus der Assemblierung eines hochqualitativen Sichtbetons, der lokalen Integration der Bewehrungs- und Funktionstextilien sowie der Verarbeitung im Intensivmischprozess, der Formgebung und Entformung. Innerhalb der Materialentwicklung erarbeitete das Team um Steinbeis-Unternehmerin Professor Dr.-Ing. Sandra Gelbrich zwei Basismischungen: zum einen als betongraue Rezeptur und zum anderen als weiße, farblich freigestaltbare Mischung. Die Rezepturen wurden als moderne Fünf-Stoff-Systeme aufgebaut, bestehend aus Zement, Gesteinskörnung, Wasser, Zusatzstoffen und projektspezifischen Zusatzmitteln. „Unser Augenmerk lag auf der nachhaltigen Ressourcenoptimierung, indem wir Zement durch alternative Zusatzstoffe ersetzen. Von besonderer Bedeutung war zudem die rheologische Anpassung des Feinbetons an die filigrane Form, die hohe Robustheit und die praxistaugliche Verarbeitung in Kombination mit der geforderten Sichtqualität, der hohen Dauerhaftigkeit und den mechanischen Eigenschaften“, erläutert Sandra Gelbrich. Die Materialuntersuchungen zeigten, dass die entwickelten FurCrete-Basismischungen neben den geforderten Verarbeitungseigenschaften, wie zum Beispiel selbstverdichtend zu sein, und optische Sichtqualität über eine hohe 28-Tage-Druck- und Biegezugfestigkeit sowie eine hohe Dauerhaftigkeit verfügen.
Schalungskonzept: Kombination aus Faser-Kunststoff-Verbund und Holz
Für eine hochwertige Sichtbetonfläche, die keine Poren, Lunker oder Fehlstellen aufweist, bedarf es eines ganzheitlichen geschlossenen Schalungskonzeptes, bestehend aus Grund- und Funktionselementen. Da im Gießverfahren hochfließfähige Feinbetonmischungen verarbeitet werden, ist zudem die Dichtheit der geschlossenen Schalung erforderlich. Hierfür konstruierte das Projekt-Team ein mehrteiliges Schalungssystem aus glasfaserverstärktem Kunststoff (GFK) in Kombination mit MDF-Holz, bestehend aus Außenform und Formenkern mit Versteifung. Das Schalungskonzept beinhaltet aufgrund der hohen Sichtanforderungen keine klassische Angussseite. Die Außenform, die die Sichtflächen der Betonmöbel abbildet, besteht aus einer monolithischen Form. Mit dem Verzicht auf eine mehrteilige Außenform sind im gegossenen Betonmöbel keine Formtrennkanten oder Grate vorhanden, wodurch die optischen und haptischen Eigenschaften deutlich gesteigert werden können. Zur Umsetzung der Möbelserie wurden Schalungen für Hocker, Bank, Tisch, Pflanzkübel, Lampe und Abfalleimer erstellt.
Technologische Umsetzung: ganzheitlich durchdacht
Im Fokus der Entwicklungen stand die Abbildung einer ganzheitlichen Prozesskette, beginnend bei der Mischung der Komponenten für den Sichtbeton bis hin zur logistischen Umsetzung. Basierend auf den Entwicklungen und Ergebnissen im Labormaßstab stellte das Projekt-Team bei LIMEX Prototypen her. Hierzu wurden zunächst Trennmittel auf Wachsbasis auf die Schalungen appliziert und anschließend im Zwangsmischer gemischt. Danach wurden die Formen über ein Betonsilo mit einem adaptiven Schlauchsystem befüllt. Nach einer Aushärtezeit von zwölf Stunden erfolgte das Ausschalen aus der Innenform und schließlich das Ausheben des Betonmöbels aus der Außenform. Den Abschluss bildeten die Nachbehandlung und Applikation einer Hydrophobierung.
Funktionalisierung: Heizung, Ladestation und Licht inklusive
Die Funktionalisierung der neuen FurCrete-Stadtmöbel aus Carbonbeton umfasste die Beheizung von Hocker und Bank durch eine flächige Carbonheizung, die Integration einer induktiven Ladestation im Tisch sowie die Beleuchtung des Tisches und Lampenelements.
Zur Integration einer Heizung in den Hocker und die Bank wurde ein Carbonfaserheiztextil entwickelt, das über eine elektrische Widerstandsheizung eine Erwärmung mit hohem Wirkungsgrad ermöglicht. Dazu wurde ein Carbon-Roving auf einem AR-Glasgitter abgelegt und kontaktiert. Die Flächenheizleistung liegt bei 600 Watt pro Quadratmeter. Das Carbonfaserheiztextil heizt sich aufgrund des hohen Wirkungsgrads der Carbon-Roving-Struktur schnell und homogen auf. Mit der oberflächennahen Einbettung in den Hocker und die Bank kann eine schnelle und insbesondere rissfreie Erwärmung im Bauteil sichergestellt werden, wodurch eine hohe Funktionalität und Langlebigkeit gewährleistet werden.
Die Implementierung der Ladestation erfolgte unterhalb der Betonoberfläche, sodass die Ladestation von außen nicht sichtbar und damit vollintegriert in den Tisch ist. Die kabellose Ladeleistung liegt bei maximal 20 Watt und ist mit jedem Qi-fähigen Endgerät kompatibel. Die Anschlussleitung zu der Ladestation liegt in einer Tischseite.
Für eine indirekte Ausleuchtung entwickelte das Steinbeis-Team eine Betonlampe. Darüber hinaus wurde der Tisch mit einer Beleuchtungsoption ausgestattet. Dazu wurde sowohl bei der Lampe als auch beim Tisch ein Platzhalter sowie die Befestigung des Anschlusses auf der Kernschalung appliziert. Im Anschluss an die Betonage sind die entsprechenden Lichtmodule in die Lampe und den Tisch eingesetzt worden. Die Lampenmodule entsprechen der Schutzklasse IP54 und können im Rahmen einer Revision problemlos ausgetauscht werden.
Die neuen freigeformten funktionsintegrierten Stadtmöbel in leichtbaugerechter Architekturbetonbauweise sind hinsichtlich Nachhaltigkeit, Design und Funktionalität unikal. Zur Markteinführung wurde die FurCrete-Möbelserie als Messeprototyp einem breiten Publikum vorgestellt, die Resonanz darauf war sehr positiv. Weitere Prototypen stehen bei LIMEX im Mustergarten. Erstmals zum Einsatz kommen die neuen Carbonbeton-Stadtmöbel im Terrassenbereich des Carlowitz Congresscenters in Chemnitz.
Kontakt
Prof. Dr.-Ing. habil. Sandra Gelbrich (Autorin)
Steinbeis-Unternehmerin
Steinbeis-Innovationszentrum FiberCrete (FC) (Chemnitz)
www.fibercrete.de
Henrik Funke (Autor)
Leiter Forschung und Entwicklung
Steinbeis-Innovationszentrum FiberCrete (FC) (Chemnitz)
www.fibercrete.de