Junge Forschende in Aktion: Das Schülerforschungszentrum Singen spricht Schülerinnen und Schüler ab der 3. Klasse an, die sich für naturwissenschaftlich-technische Themen interessieren.

„Junge Menschen verdienen für ihre Ziele Respekt und offene Türen“

Im Gespräch mit Horst Scheu, Steinbeis-Unternehmer am Steinbeis-Transferzentrum Naturwissenschaft Technik Bildung

Naturwissenschaft, Technik, Bildung – das sind Themen, die den Berufsweg von Horst Scheu bestimmen, ob als Lehrbeauftragter für Fachdidaktik Physik an der Universität Konstanz, Schulleiter am Friedrich-Wöhler-Gymnasium in Singen oder Steinbeis-Unternehmer. Mit der TRANSFER hat er über die Bedeutung dieser Themen für Wirtschaft und Gesellschaft gesprochen.

Herr Scheu, Ihr Steinbeis-Unternehmen fokussiert die Schwerpunkte Naturwissenschaft, Technik und Bildung. Warum ist Ihnen die Schnittstelle zwischen diesen Themenbereichen so wichtig?

Naturwissenschaftlich-technisches Verständnis ist aus meiner Sicht heute unerlässlich, gerade für nicht-technische Berufe und für Entscheidungsträger, wie Politiker, Juristen oder Verwalter. Es muss ein zentrales Anliegen der Gesellschaft sein, in diesem Bereich für eine breite Grundbildung zu sorgen. Diese Idee hat mich mein ganzes berufliches Leben begleitet und motiviert.

Die Idee zur Gründung eines Steinbeis-Unternehmens mit diesem Schwerpunkt entstand bei der Entwicklung des inzwischen auch als Abiturfach etablierten Unterrichtsfachs Naturwissenschaft und Technik (NWT) für die Gymnasien in Baden-Württemberg. Ziel war ein fächerübergreifendes, praxis- und handlungsorientiertes Kernfach, das naturwissenschaftlich und technisch interessierte Schülerinnen und Schüler im naturwissenschaftlichen Profil wählen können.

In einer Arbeitsgruppe am Kultusministerium suchten wir in Kooperation mit Versuchsschulen, Hochschulen und Industriebetrieben Unterrichtsthemen, die für Jugendliche verständlich und zugleich motivierend waren. Zu diesem Zweck gingen wir unter anderem in Betriebe, liefen teilweise mehrere Tage mit Ingenieuren mit und lernten Entwicklungs- und Produktionsmethoden kennen – immer mit dem Blick auf die Übertragung in den schulischen Unterricht. Aus diesem Verfahren entwickelten sich bei meiner späteren Arbeit am Friedrich-Wöhler-Gymnasium Singen viele sehr fruchtbare Bildungspartnerschaften. Wir stellten fest, dass Betriebe großes Interesse haben ihre Arbeit darzustellen, aber oft nicht die Ressourcen und den Zugang zu den Jugendlichen, um dies umzusetzen. So entstand die Idee eines Technologietransfers in umgekehrter Richtung: vom Betrieb in die Bildungseinrichtung.

Mit welchen Angeboten wollen Sie Kinder und Jugendliche für Natur und Technik begeistern und welche Rolle spielt die Wirtschaft dabei?

Hier möchte ich das neu gegründete Schülerforschungszentrum in Singen am Hohentwiel erwähnen, an dem ich mitarbeite: Unsere Angebote richten sich an alle Altersgruppen ab der Grundschule und sehen zunächst Veranstaltungen vor, die in Gruppen besucht werden können: Da gibt es zum Beispiel Calliope Mini – einen Kleinstcomputer, mit dem bereits Grundschulkinder spielerisch in die Welt der Programmierung eingeführt werden, oder „Mobilität der Zukunft“ für Jugendliche ab 16 in Kooperation mit dem Ferdinand-Steinbeis-Institut der Steinbeis-Stiftung. In diesen Kursen lernen unsere jungen Gäste das Schülerforschungszentrum kennen und erfahren von unserem Angebot, dort eigene freie Experimente und Forschungsarbeiten unter der Betreuung von erfahrenen Lehrkräften und Studierenden durchzuführen.

Getragen wird das Schülerforschungszentrum Singen von einem leistungsfähigen Verbund von Hochschulen, der Stadt Singen und dem Landkreis Kon­stanz sowie vielen namhaften Industriebetrieben, deren Aufgabe auch darin besteht, inhaltliche Anregungen und Unterstützung zu geben.

Neue Technologien, Digitalisierung, demografischer Wandel, Globalisierung – das sind nur einige der Faktoren, die die Arbeitswelt und die Anforderungen an die Arbeitnehmer von morgen verändern. Wie kann bereits die Schule Kinder und Jugendliche darauf vorbereiten?

All diese Themen haben längst Eingang in die Bildungspläne und den schulischen Unterricht gefunden. Solange die Beschäftigung damit aber ausschließlich in der Schule stattfindet, bewegt sie sich allerdings auf einem relativ ab­strakten Niveau und mit wenig konkreter Anschauung. Ziel muss daher sein, Jugendliche in direkten Kontakt mit möglichst vielen Berufen zu bringen. Leider erleben sie jedoch in der Regel nur die beruflichen Wirklichkeiten ihrer Lehrkräfte und, wenn überhaupt, die der Eltern.

Berufsorientierung an allen Schularten sowie die Öffnung der Betriebe für Schüler, zum Beispiel im Rahmen von Bildungspartnerschaften, aber auch für Praktika und Ferienjobs, sind notwendige Voraussetzungen für eine reflektierte Berufsentscheidung junger Menschen und im Übrigen ein wichtiger Standortvorteil für Betriebe, die qualifizierte Mitarbeitende suchen.

Manche Betriebe organisieren auch Tage, an denen die Kinder eingeladen sind, ihre Eltern am Arbeitsplatz zu besuchen, und Mitglieder von Service-Clubs gehen an Schulen und stellen dort ihre Berufe vor. All das sind wichtige Bausteine.

Es wird immer wieder behauptet, dass die Generation Z wenig Inte­resse an technischen und naturwissenschaftlichen Berufen hat, sehen Sie das auch so? Und wie kann man dieser Entwicklung entgegenwirken?

Solche Beschreibungen gelten immer dem Mainstream und sind selten hilfreich. Aber es stimmt: Mit reiner Technikbegeisterung holt man heute im Gegensatz zu meiner Generation keinen jungen Menschen mehr hinter dem Ofen vor. Fragen nach Sinn und Nutzen bestimmter Technologien spielen eine wichtige Rolle und müssen eine gesellschaftliche Antwort finden. Außerdem verlaufen individuelle Ausbildungs- und Berufswege sehr unterschiedlich und häufig nicht geradlinig. Junge Menschen verdienen für ihre Ziele Respekt und offene Türen. Für den Bildungsbereich heißt dies: Zwischen den verschiedenen Bildungswegen muss es eine große Durchlässigkeit und vielfältige Möglichkeiten zum Quer- und Wiedereinstieg geben. Besonders betonen möchte ich die Möglichkeit der beruflichen Qualifikation für ein Studium, die leider nur in manchen Bundesländern wirklich gängige Praxis ist. Dabei bringen Menschen, die diesen Weg gehen, bereits wertvolle Berufserfahrungen in das Studium mit und wissen genau, wo sie hinwollen.


Auf einen Blick: Das Schülerforschungszentrum Singen

Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik – die sogenannten MINT-Fächer – stehen im Fokus des Schülerforschungszentrums im baden-württembergischen Singen am Hohentwiel.

MINT-interessierte Schülerinnen und Schüler ab der 3. Klasse finden hier Möglichkeiten zu Experimentieren, können an Vorträgen, Workshops und Kursen teilnehmen und werden dabei von engagierten Lehrkräften und Studierenden der Partner-Hochschulen betreut.

Mit seinem Konzept hatte sich das Schülerforschungszentrum 2019 beim Konzeptwettbewerb der Joachim-Herz-Stiftung und der Stiftung Jugend forscht beworben und wurde dafür mit 15.000 Euro ausgezeichnet.

Das Schülerforschungszentrum ist offen für Kinder und Jugendliche aller Schularten. Seine Räume hat es seit Kurzem in der ehemaligen Tittisbühl-Grundschule der Stadt Singen.

Bei der Gründung des Schülerforschungszentrums wirkten drei weiterführende Singener Schulen, die Stadt Singen und Singen aktiv Standortmarketing e.V. erfolgreich zusammen. Seit 2021 ist das Zentrum vom Kultusministerium Baden-Württemberg als „Außerschulisches Forschungszentrum“ (AFZ) anerkannt.

Ein Trägerverein aus über 40 Gründungsmitgliedern aus Politik, Wirtschaft und Bildungseinrichtungen fördert die Arbeit des Schülerforschungszentrums und ist offen für interessierte weitere Unterstützer.

Weitere Infos: https://sfz-singen.de/

Kontakt

Horst Scheu (Interviewpartner)
Steinbeis-Unternehmer
Steinbeis-Transferzentrum Naturwissenschaft Technik Bildung (Konstanz)
Stellvertretender Vorsitzender
Trägerverein des Schülerforschungszentrums Singen (Singen)

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