Das Ferdinand-Steinbeis-Institut Heilbronn geht im Netzwerk energiebewusstes Wohnen an
Bis 2050 will die EU im Zuge des Green Deals keine Netto-Treibhausgase mehr ausstoßen und Vorreiter im Klimaschutz werden – herausfordernde Aufgaben, die nur in Netzwerken und mit allen beteiligten Akteuren gemeinsam gelöst werden können. Eine große Baustelle ist dabei der Bereich Wohnen. Das hat das Ferdinand-Steinbeis-Institut Heilbronn erkannt und die Smart Mieter Challenge ins Leben gerufen: ein Wettbewerb für digitale Lösungen für Energieeffizienz und Entkarbonisierung in der Wohnungswirtschaft.
30 % des CO2-Ausstoßes in Deutschland entfallen aktuell auf den Gebäudesektor, dabei sind ungefähr 60 % der Emissionen auf die Raumwärmeerzeugung im Bereich Wohnen zurückzuführen.[1] Wegen der schwierigen globalen Lage ist mit signifikanten Heizkostenerhöhungen zu rechnen. 10 bis 15 % Heizkostenerhöhung alleine würden dabei rund 1 bis 2 % Mietsteigerung für eine durchschnittliche Mietwohnung entsprechen.[2] Während in den vergangenen Jahren in den Privathaushalten meist aus Gründen der monetären Einsparung nachhaltig geheizt und gelebt wurde, reduziert der „Smart Mieter“ der Neuzeit eher aus gemeinschaftlichen Interessen seinen Energieverbrauch. In Zukunft werden Zähler für die Fernauslesung zur Pflicht, die Mieter sollen dann über die digital bereitgestellten Verbrauchsdaten zu energieeffizienterem Verhalten angeregt werden. Aber reichen die geplanten Ansätze, um eine nachhaltige, klimabewusste Verhaltensänderung zu bewirken? Und was bedeutet energiebewusstes Verhalten eigentlich? Diesen und weiteren Fragen ging das Ferdinand-Steinbeis-Institut Heilbronn zusammen mit den Projektbeteiligten nach.
Ein Wettbewerb zur Lösungsfindung
Das Ferdinand-Steinbeis-Institut Heilbronn hatte in diesem Projekt die Leitung inne und organisierte gemeinsam mit der Gawlitta GmbH, einem Experten für digitale Geschäftsmodelle für Immobilien- und Bauunternehmen, die Smart Mieter Challenge: ein offener, von Sponsoren aus der Immobilienbranche geförderter Wettbewerb. Das Projekt brachte einige namhafte Unternehmen mit innovativen Start-ups und Wissenschaftlern zusammen: LEG, Deutsche Wohnen SE, die Wohnungsbaugenossenschaften GEWOBA Nord, BVE, Wankendorfer und Neue Lübecker sowie die Technologiepartner Vodafone und Bosch. Fokussiert wurde sich auf die gemeinsame Entwicklung digitaler Lösungen für Energieeffizienz und Entkarbonisierung in der Wohnwirtschaft. Dabei standen Behavioural Design und Incentivierung von Mietern im Vordergrund. Wissenschaftlich begleitet wurde das Projekt von Dr. phil. Matthias Laschke, Senior Researcher am Lehrstuhl für Wirtschaftsinformatik / Ubiquitous Design der Universität Siegen.
Mehrwert für Mieter, Wohnungsbranche und Klima
Das Hauptziel der Smart Mieter Challenge bestand darin, mit den auf Feldversuchen und Nutzerfeedback basierenden Ideen den Mietern, der Wohnungsbranche und dem Klima einen echten Mehrwert zu bieten. Konkret ging das Projektteam der Frage nach, welche Anreizsysteme den Mieter zu einem ökologisch nachhaltigen Verhalten motivieren können, über welche Kanäle diese den Mieter am besten erreichen und wie über die Nutzung innovativer Technologien das Verhalten gefördert und bewertet werden kann. „Das setzt ein konsequentes Umdenken in der Beziehung zwischen Betreiber und Mieter voraus. Denn menschliches Verhalten und ein Umdenken sind der Schlüssel für eine nachhaltige Zukunft“, ist sich Matthias Laschke sicher. Der Ansatz der Co-Innovation zielte darauf ab ein Ökosystem aufzubauen, das die neuen, gemeinsamen Lösungen auf den Markt bringt. Von diesen und ähnlichen Erfahrungen kann auch die Wohnungswirtschaft profitieren. Die Schaffung von Anreizsystemen, die Nutzung neuer Kommunikationskanäle sowie das Neudenken von Ökosystemen und Datenkooperativen sind die Grundlage für den Smart Mieter, mit dem die Energiewende in diesem Bereich erreicht werden kann.
Blick in die Zukunft
Die im Jahr 2021 durchgeführte erste Phase der Challenge brachte das Tool „Mission Green“ als mögliche Lösung hervor, initiiert von Sebastian Groß, Digitalisierungsexperte des Projektpartners Vodafone. Die – momentan nur für Vodafone-Mitarbeiter nutzbare – App ist Teil einer grünen digitalen Bewegung und unterstützt die User dabei den täglichen CO2-Ausstoß zu senken und motiviert zur Verwendung klimafreundlicher Fortbewegungsarten. „Vodafone ist langjähriger Partner der Wohnungswirtschaft und als solcher setzen wir nicht nur auf technische Lösungen, sondern sehen die Aufgabe ganzheitlich – bis zur Einbindung der Bewohner“, sagt Sebastian Groß.
Im weiteren Verlauf des Projektes geht es nun im Zuge der Smart Mieter Alliance an die Produktisierung und anschließende Skalierung. Ziel ist es, in der kommenden Heizperiode 2022/23 die Pilotierung zu beginnen und anschließend zu automatisieren. Die Ansätze der Smart Mieter Challenge sind ein Baustein im Veränderungsprozess hin zu nachhaltigem, klimabewussten Leben. Sobald das Umdenken in allen Lebenslagen stattfindet, ist ein wichtiger Schritt zu energiebewusstem Verhalten gemacht, der dann auch unterbewusst im täglichen Handeln implementiert wird.
Challenge
Eine Challenge ist eine Projektform, bei der fünf bis zehn Akteure zusammen an einer Lösung für ein bestehendes Problem arbeiten. Durch unterschiedliche Expertise ist das Ziel, eine zuvor in Piloten getestete, marktfähige Lösung zu entwickeln, um individuellen und gemeinsamen Nutzen sowie Wertschöpfung zu steigern.
Behavioural Design
Menschen zu motivieren regelmäßig für gemeinnützige Aktivitäten zu spenden, Personen zu umweltbewussterem Verhalten zu bewegen oder auch Unternehmen hin zu einer nutzerzentrierteren Arbeit zu führen: Behavioural Design will Verhalten mithilfe von Psychologie, Technologie und Designmethoden besser verstehen, um über experimentelles Arbeiten Lösungen zu entwickeln, die Menschen dabei helfen für sich selbst und ihre Umwelt bessere Entscheidungen zu treffen.
Kontakt
Lena Noller (Autorin)
Research Assistant
Ferdinand-Steinbeis-Institut Heilbronn
https://ferdinand-steinbeis-institut.de