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Wie digitale Transformation mit der richtigen Unternehmenskultur gelingt

Steinbeis-Experten untersuchen agile Teams aus dem Mittelstand

Gemeinsam mit weiteren Projektpartnern haben das Ferdinand-Steinbeis-Institut, die Steinbeis 2i GmbH und die bwcon GmbH das vom Wirtschaftsministerium Baden-Württemberg geförderte Pilotprojekt „Agile Teams – Erfolgsfaktoren unternehmens- und branchenübergreifender Kooperationen in der digitalen Transformation“ realisiert. Dabei stand die Frage im Mittelpunkt, wie Unternehmen ihre Unternehmenskultur gestalten sollten, um in Wertschöpfungsnetzwerken auch mit Partnern aus anderen Branchen erfolgreich agieren zu können. Im Rahmen des Pilotprojekts gab das agile Team der d-serv GmbH einen Einblick in seine Unternehmenskultur und die erfolgreiche Zusammenarbeit mit der Stuttgarter Koenig & Bauer MetalPrint GmbH. 

Die Zeiten geschlossener Warenkreisläufe sind längst vergangen: Die Wirtschafts- und Lebenswelt wird zunehmend komplex, vernetzt und auch digital. Doch wie mit dieser Komplexität umgehen? Wie können Unternehmen sie sogar nutzen, um neue Wertschöpfung zu erreichen? Wo ein Unternehmen für sich und aus sich heraus nur schwer ausreichende Innovationskraft entfesseln kann, empfiehlt sich der Blick auf das Netzwerk. Wertschöpfungsnetzwerke sind Kooperationen, die den Beteiligten helfen können, ihre jeweiligen Stärken, individuellen Ressourcen und Innovationspotenziale zu bündeln und im Verbund Mehrwerte zu schaffen.

Einfluss der Unternehmenskultur auf den Erfolg einer Kooperation

Was so einfach klingt, bringt auch Hürden mit sich. Denn Organisationen haben ihre Eigenheiten, also ihre jeweils eigene Kultur. Diese spezifische Unternehmenskultur kann sich in Kooperationsprojekten als Hemmnis, aber auch als Katalysator herausstellen. Um herauszufinden, wie die Kultur eines Unternehmens aufgestellt sein sollte, damit solche Kooperationen in Wertschöpfungsnetzwerken gelingen können, haben die bwcon GmbH, das Ferdinand-Steinbeis-Institut, die Steinbeis2i GmbH und der Handwerkstag Baden-Württemberg ein Pilotprojekt durchgeführt. Ziel des vom Wirtschaftsministerium Baden-Württemberg geförderten Projekts „Agile Teams – Erfolgsfaktoren unternehmens- und branchenübergreifender Kooperationen in der digitalen Transformation“ ist es, herauszuarbeiten, wie sich die Unternehmenskultur in KMU weiterentwickeln sollte, damit die Unternehmen dazu befähigt und motiviert werden, in Zeiten der digitalen Transformation auch mit heterogenen Partnern außerhalb ihrer Branche, ihres Sektors oder ihres Technologiefeldes Kooperationen einzugehen und im Netzwerk komplexe Produkte und Dienstleistungen zu erstellen.

d-serv: agiles Team, kompatible Unternehmenskultur

Eines der an dem Projekt beteiligten agilen Wertschöpfungsteams ist die d-serv GmbH. Von Beginn an zeichnete sich die Kultur des Unternehmens aus der Sicht der Steinbeis-Experten durch ein wechselseitiges Vertrauen und ein gemeinsames Interesse an einer herausfordernden Aufgabe mit bestmöglicher Lösungsfindung aus. Eine solche kompatible Unternehmenskultur der zusammenarbeitenden Unternehmen ist in heterogenen Wertschöpfungsnetzwerken als Basis für erfolgreiche Innovations- und Kooperationsprozesse ausschlaggebend. „Wir verstehen Unternehmenskultur als Bindeglied zwischen den einzelnen Mitarbeitenden aus unserem Unternehmen und den Menschen in der Organisation, die als Plattform die Umsetzung ermöglichen. Sie umfasst unter anderem Werte, Kommunikation, Qualitätsverständnis, Anspruch, Zusammenarbeit“, so Ugur Cetin und Pietro Triscari von d-serv. Bei der Entwicklung neuer Geschäftsfelder spielen auch die solide Vertrauensbasis und eine gemeinsame Sprache, die einen offenen Austausch mit dem Team, den Partnern und den Kunden ermöglichen, eine entscheidende Rolle. Ziel ist es Kunden mit Experten zu vernetzen, um neue Lösungen zu entwickeln. Wie dies erfolgreich in der Praxis umgesetzt werden kann und welche Rolle die Unternehmenskultur dabei spielt, zeigt die konkrete Zusammenarbeit mit der Koenig & Bauer MetalPrint GmbH (KBA) aus Stuttgart.

Vom Problem zur Lösung

KBA ist ein international tätiger Maschinen- und Anlagenbauer, der weltweit Produktionslinien für die Lackierung und Bedruckung von Blechverpackungen, wie zum Beispiel Lebensmittelkonserven oder Chemiebehälter, installiert. Eine entscheidende Komponente bei der Installation und Inbetriebnahme der Produktionslinien ist die Informationserfassung durch die Servicetechniker vor Ort und deren anschließende Weiterverarbeitung. Wesentliche Herausforderungen ergeben sich dabei zum Beispiel dadurch, dass Produktionslinien oft an Standorten aufgestellt werden, die eine ungeeignete IT-Infrastruktur haben oder aus Gründen der Unternehmensrichtlinien der Kunden keinen IT-Zugang bieten.

In einem Workshop mit KBA erarbeitete das Team von d-serv die Anforderungen an ein Werkzeug, das die Servicetechniker bei ihrer Arbeit unterstützen kann: Es sollte unabhängig vom Stammhaus und ohne permanenten Internetzugriff, in einem standardisierten Prozess Informationen projekt- und standortbezogen sowie effizient an das Stammhaus übermitteln können. Anhand eines Prozesscharts wurden die kritischen Prozessschritte ermittelt und mit den Benutzergruppen abgestimmt. Nach der Anforderungsanalyse fiel die Entscheidung auf die IQM-Plattform, eine internetbasierte Datenbank, die bereits seit Jahren in der Baubranche und im Anlagenbau eingesetzt wird und an die Anforderungen von KBA angepasst werden konnte. Der Pilot wurde in bereits laufenden und in neuen Projekten mit unterschiedlichen Benutzergruppen und Standorten eingesetzt.

Die im Pilotprojekt „Agile Teams“ gewonnenen Erkenntnisse und entwickelten Instrumente und Konzepte haben die Steinbeis-Experten und ihre Projektpartner in einem Maßnahmenkatalog zusammengeführt. Dieser soll auch für Folgeprojekte in anderen Themenbereichen jenseits der Unternehmenskultur nutzbar sein.


Den im Rahmen des Pilotprojektes erstellten Maßnahmenkatalog finden Sie unter https://bit.ly/2ThPR7m


„Für den Wandel scheinen mir nicht die Kompetenzen der Engpass zu sein – viel kritischer ist die Bereitschaft der Mittelständler sich ihm zu öffnen“

Im Gespräch mit Tolga Turan, Director Project Management bei der Koenig & Bauer MetalPrint GmbH

Herr Turan, welche Bedeutung haben aus Ihrer Sicht digitale Plattformlösungen für den Mittelstand allgemein und für den Maschinen- und Anlagenbau im Besonderen?

Digitale Plattformlösungen bieten dem Mittelstand die Möglichkeit, an der Weiterentwicklung der Geschäfts- und Ablaufmodelle mitzuwirken beziehungsweise sich neu etablierende Modelle zu nutzen. Der Charme der digitalen Plattformen ist, dass Lösungen, die mit großen finanzstarken Unternehmen in aufwendiger Zusammenarbeit entstehen, in das Standardprodukt des Plattformanbieters überführt und dadurch auch für alle anderen Unternehmen verfügbar werden. Dies ist insbesondere für den mittelständischen Maschinen- und Anlagenbau von großem Wert, da die Prozess- und Arbeitskomplexität in Industrieunternehmen hoch und ähnlich ist und somit auch deren Digitalisierungsbedarf vergleichbar ist. Hinzu kommt, dass im Informationszeitalter das erforderliche Wissen mittlerweile breit gestreut ist und bei Bedarf auch überall eingekauft werden kann. Gesteigerte Effizienzen durch Plattformlösungen sind der nächste Schub für die internationale Wettbewerbsfähigkeit mittelständischer Unternehmen.

Ist der deutsche Mittelstand auf diesen Wandel ausreichend eingestellt? Welche Kompetenzen benötigen die Betriebe, um diesen meistern zu können?

Wie bei jedem Wandel, ist eine kritische Masse von 15 bis 20 % notwendig, die als Speerspitze wirkt. Für den Wandel scheinen mir nicht die Kompetenzen der Engpass zu sein, denn diese lassen sich über Beratungsleistungen einkaufen. Viel kritischer ist die Bereitschaft der Mittelständler sich diesem Wandel zu öffnen, denn Digitalisierung ohne Veränderung der Aufbau- und Ablaufstrukturen der Betriebe endet meistens darin, dass Informationen statt in Papierform nun als PDF-Dateien oder automatisch generierte E-Mails im Haus gestreut werden. Der digitale Wandel wird allerdings erst durch tiefgreifende Veränderungen das verborgene Potenzial hervorbringen können.

Wie wichtig ist in diesem Zusammenhang der Faktor „Unternehmenskultur“ bei der Einführung digitaler Plattformlösungen?

Sehr wichtig. Eine optimierungsorientierte Unternehmenskultur mit der dazugehörigen Fehlerkultur ermöglicht erst die Bereitschaft der Mitarbeiter neue Wege zu denken, auszusprechen und zu probieren.

Wäre das Konzept auch für andere Betriebe oder Plattformen geeignet?

Ich bin überzeugt davon, dass diese Lösung auch für andere Betriebe wünschenswert ist, das merken wir auch durch die Gespräche in unseren eigenen Industrienetzwerken.

Kontakt

Autoren Beitrag

Dr. Michael Ortiz (Autor)
Senior Research Fellow
Ferdinand-Steinbeis-Institut (Stuttgart)
www.steinbeis-fsti.de

Johanna Pabst (Autorin)
Organisationsbegleiterin
bwcon research gGmbH (Stuttgart)
www.bwcon.de

Ugur Cetin (Autor)
Senior Consultant
d-serv GmbH (Tübingen)

Pietro Triscari (Autor)
CEO
d-serv GmbH (Tübingen)


Autor Interview

Tolga Turan (Autor)
Director Project Management
Koenig & Bauer MetalPrint GmbH (Stuttgart)

 

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