Im Gespräch mit Steinbeis-Unternehmer und Energietechniker Dr.-Ing. Thomas Freitag
Man kann den „Greta-Effekt“ kontrovers diskutieren, aber eins scheint sicher: Die junge Klimaaktivistin hat dem Klimawandel eine enorme Öffentlichkeitswirksamkeit beschert. Doch das wird nicht für ein nachhaltiges Umdenken in Gesellschaft und Wirtschaft ausreichen, meint Dr.-Ing. Thomas Freitag, Steinbeis-Unternehmer am Steinbeis-Transferzentrum Energie- und Umwelttechnik. Er konzentriert sich in seiner Arbeit auf die Erarbeitung von komplexen Energiekonzepten und das Energiemanagement, um den Energiebedarf zu minimieren. Mit der TRANSFER hat er sich über die eigentlichen Herausforderungen unterhalten, denen wir bei der Begegnung mit dem Klimawandel gegenüberstehen.
Herr Dr. Freitag, das verantwortungsvolle Managen von Energieressourcen rückt immer mehr in den Fokus der Unternehmen, aber auch der Städte und Kommunen. Was sind aus Ihrer Sicht die größten Herausforderungen dabei?
Ein Problem ist, dass man auch in Entscheidungspositionen immer noch auf Menschen trifft, die den anthropogenen Klimawandel und die damit zukünftig auf uns zukommenden Probleme als nicht real oder von der Zivilisation beeinflussbar ansehen. Teilweise gibt es ein erschreckendes Desinteresse an derartigen Fragestellungen. Auf der anderen Seite ist der verantwortungsvolle Umgang mit Energieressourcen immer mit finanziellem Aufwand verbunden. Kurzfristiges ökonomisches Denken, hohe Kosten und geringes finanzielles Einsparpotenzial machen die Umsetzung solcher Projekte schwierig. Der sehr große Verbrauch der Bestandsimmobilien wird bis jetzt kaum angegangen, da dort die Kosten der Einsparmaßnahmen nicht auf die Nutzer umgelegt werden dürfen.
Würden schon jetzt die Folgekosten der Energieerzeugung aus fossilen und atomaren Energieträgern mit in den Energiepreis eingerechnet werden, wären diese schon längst nicht mehr so günstig, wie sie es momentan noch sind. Leider werden die sogenannten Ewigkeitskosten immer noch zum großen Teil auf die gesamte Gesellschaft umgelegt, indem sie vom Staat getragen werden.
Viele Unternehmen setzen sich aktuell mit der Frage der Energieeinsparung auseinander, sowohl aus wirtschaftlichen, aber auch aus Umweltschutzgründen. Welche Vorgehensweise würden Sie hier empfehlen?
Zuerst sollte immer eine grundlegende Bestandsaufnahme erfolgen. Dafür gibt es für viele Unternehmen sehr lukrative Fördermittel. Ich rate dazu, auf kompetente Experten zu setzen, die den aktuellen Stand der Technik, aber auch der gesetzlichen Regelungen kennen. Denn es gibt immer wieder Projekte, die durch unzureichende Planung entweder nicht wirtschaftlich sind oder technisch nicht funktionieren.
Wie kann der weltweit steigende Energiebedarf Ihrer Meinung nach jetzt, aber auch in Zukunft gedeckt werden? Ist dafür ein Umdenken in der Wirtschaft und Gesellschaft notwendig?
Da Wirtschaft und Gesellschaft ein sehr träges System bilden, wird ein Umdenken nur durch einschneidende Maßnahmen von außen induziert werden können. Die in diesem Jahr begonnene CO2-Bepreisung ist ein erster Schritt in die richtige Richtung. Aber erst wenn die Kosten wirklich wehtun und Alternativen aufgezeigt werden, wird ein Umdenken in der Breite einsetzen. Alternativ dazu müssen wir warten, bis der Klimawandel solch große Auswirkungen auf uns Menschen hat, dass wir zum Handeln gezwungen werden. Leider beschränkt sich dann unser Handeln nur noch auf Schadensbegrenzung.
Natürlich ist ein effizienter Umgang mit Energie essenziell. Man muss aber auch eingestehen, dass unser Lebensstil als Basis einen gewissen Mindestenergieverbrauch bedingt. Ob ein radikales Umdenken in der Mobilität und im Wohlstand wirklich realistisch ist, möchte ich zurzeit bezweifeln. Wichtig wäre, dass die großen Industrienationen zusammenarbeiten und sich abstimmen, um eine Abwanderung der energieintensiven Industrie in andere Länder zu vermeiden.
Eine bedarfsgerechte Deckung des Energiebedarfs ist natürlich die entscheidende Voraussetzung unseres Wohlstands. Diese wird mit einem heterogenen Energiesystem unweigerlich schwieriger werden als mit wenigen großen Erzeugern. Die Gegenwart zeigt allerdings, dass dies ein lösbares regelungstechnisches Problem darstellt.
Welche Rolle spielt die Digitalisierung dabei?
Insbesondere der erwähnte letzte Punkt der Koordination des gesamten Energiesystems, von der Regelung bis zum Verbrauch, wird nur mit einem gewissen Grad an Digitalisierung möglich sein.
Kontakt
Dr.-Ing. Thomas Freitag (Autor)
Steinbeis-Unternehmer
Steinbeis-Transferzentrum Energie- und Umwelttechnik (Oelsnitz)
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