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„ES GILT, DIE TECHNOLOGIE OPTIMAL EINZUSETZEN, UM ZEIT ZU GEWINNEN, DIE FLEXIBILITÄT ZU ERHÖHEN UND DIE NACHHALTIGKEIT ZU FÖRDERN“

Im Gespräch mit Sven Göth, CEO & Founder des Digital Competence Labs

Nur Unternehmen, die heute schon vorausschauend aktiv sind, werden in der Zukunft erfolgreich sein, davon ist der Experte für zukünftige Lebens- und Arbeitswelten Sven Göth überzeugt. Für die TRANSFER hat er in die Mobilitätszukunft geblickt und ist sich sicher, dass diese von einer neuen Vielfalt an Mobilitätsangeboten geprägt sein wird, auch wenn der Weg dahin sowohl für Unternehmen als auch für Verbraucher nicht ganz einfach sein wird. Infrastruktur, Bewohner und Mobilitätsbedürfnisse des jeweiligen Standortes werden den optimalen Mobilitäts-Mix bestimmen.

Herr Göth, Sie beschäftigen sich intensiv mit Fragen der Zukunft: Wie sieht Ihrer Meinung nach die Zukunft der Mobilität aus? Wie autonom wird sie sein?

Die Zukunft der Mobilität, wenn wir Zukunft auf 10 bis 15 Jahre fixieren, ist in meinen Augen eine Frage des Standortes und Standpunktes. Ländliche Gebiete werden sich in Bezug auf das Mobilitätsangebot stark von urbanen Zentren unterscheiden. Die IT-Infrastruktur und die Quantität der Mobilitätsnachfrager sind entscheidend für das jeweilige zur Verfügung stehende Angebot. Mobility as a Service ist in aller Munde, dieser Gedanke ist aber ein Einzelfall und kein auf ein Flächenland wie Deutschland schnell übertragbares, ganzheitliches Versprechen. Am ehesten werden wir in den großen Städten auf eine neue Vielfalt an Mobilitätsalternativen zugreifen können, was die Frage treibt – wie sieht der Verkehrsmix der Zukunft aus und brauche ich in diesem Szenario noch ein eigenes Fahrzeug? Besitz wird im Vergleich zur Nutzung in diesen Bereichen stark sinken. Hier sind die Anzeichen bereits heute spürbar, sie sind jedoch bisher noch nicht erfolgreich positioniert in Bezug auf die effiziente und nutzeroptimierte Umsetzung. Ebenso braucht es auf der politischen und öffentlichen Seite einen klaren Standpunkt zur Mobilität, zum Beispiel in den Städten. Denn heute müssen bestimmte Themenfelder angegangen werden, um die Infrastruktur auf die hohe Anzahl an Nutzer auszulegen und deren Erwartungen an Service, Nachhaltigkeit und Convenience zu bedienen. Daher wird Mobilität im nächsten Jahrzehnt sehr unterschiedlich aussehen. Wir sehen heute schon, dass sich Länder und einzelne Städte sehr stark im Bereich der Mobilität unterscheiden. Wir haben Bereiche, in denen bereits autonome Bus- se, Züge und Autos fahren, und Städte, die sehr digitalisiert sind, aber auch solche, wo die Menschen ohne eigenes Auto nicht mobil sind.

Sind die deutschen Unternehmen auf diese Entwicklung vorbereitet? Und wie sieht es mit den Verbrauchern aus?

Ja und Nein. Auf der einen Seite bewegen sich die Autobauer, die Städte und die Politik, um die Rahmenbedingungen für die Mobilität von morgen zur Verfügung zu stellen. Auf der anderen Seite ist das Bewusstsein für diese Veränderung, was die Konsequenz der glaubhaften Umsetzung angeht, sehr schwammig. Das gleiche Phänomen sehe ich aber ebenfalls auf der Verbraucherseite. In Städten, wo ein sehr gutes Angebot an alternativen Lösungen vorherrscht, sind die Nutzungsraten überschaubar, unter anderem da es bei Angeboten, ob E-Scooter oder Ride-Sharing à la Moia, zu Auslastungsgrenzen kommt und im Anschluss das Nutzerversprechen sowie die letztendliche Nutzung sinken. Der Mix an Mobilität, der mir im urbanen wie ländlichen Umfeld die optimale Nutzung ermöglicht, ist noch nicht gefunden. Und dieser wird auch in jeder Stadt unterschiedlich ausfallen, da Infrastruktur, Einwohner und Bedürfnisse an Mobilität individuell sind. Aktuell gilt es zu testen und Alternativen im eigenen Umfeld auszuprobieren, um mit den Erfahrungen die Mobilität für morgen gestalten zu können. Gerade im städtischen Betrieb sehe ich am Ende die Vielfalt des Angebotes im ÖPNV-Verbund, da hier die größten Synergien entwickelt werden können und bereits die wichtigsten Datenströme für den Personennahverkehr zusammenlaufen.

Bei autonomer Mobilität denken die meisten an autonome Autos, aber auch autonom fahrende Züge und autonom fliegende Flugzeuge gehören dazu. Welchen Platz im Mobilitäts- Ökosystem der Zukunft werden diese Transportmittel einnehmen?

Autonome Züge sind wohl ganzheitlich gesehen, nebst Flugzeugen, die am schnellsten umzusetzenden Bereiche der autonomen Mobilität. In Japan sind die ersten vollautonomen Züge bereits ans Netz angeschlossen. Drohnen haben in unterschiedlichen Bereichen großes Potenzial: So können sie zum Beispiel im Verkehr von Innenstädten zu Flughäfen den Verkehrsfluss optimieren. Ebenso können Drohnen im Transport von bestimmten Waren effizient genutzt werden. Der Chef des Drohnenanbieters EHang fliegt jeden Tag von zu Hause ins Büro in Shenzhen. Hierzu braucht es aber auch die entsprechenden regulatorischen Rahmenbedingungen. Ebenso gilt es in den genannten Bereichen den Einsatz nach Kriterien der Nachhaltigkeit, des Nutzens und der Planungshorizonte zu definieren. In einigen Bereichen sehe ich den Fortschritt als sehr positiv an, jedoch nicht im Sinne, dass jeder in Zukunft mit seiner privaten Drohne durch die Luft fliegt. Diese Vorstellung von Zukunft ist nicht die meine. Mobilität ist etwas Grundlegendes in unserem Alltag, hier gilt es, die Technologie optimal einzusetzen, um Zeit zu gewinnen, die Flexibilität zu erhöhen und die Nachhaltigkeit zu fördern. Das Ökosystem ist am Ende mit den Alternativen angereichert, die am jeweiligen Standort den meisten Nutzen für alle Beteiligten mit sich bringen. Hier sind auch Themen wie die Integration von Hyperloop ins Streckennetz denkbar. Ich glaube nicht, dass es an Alternativen in der Zukunft mangeln wird, wenn wir über Mobilität, auch autonome Mobilität, sprechen. Hier sehe ich in den nächsten zehn Jahren einen exponentiellen Sprung in der Entwicklung, da nun die wichtigsten Technologien alle die Reife haben, um gemeinsam ihre Potenziale zu heben beziehungsweise zu beflügeln. Auch Quantum Computing wird in der Mobilität einen starken Einfluss haben, da hiermit Verkehrsströme parallel simuliert und verbessert werden können.

Was sind aus Ihrer Sicht die größten Herausforderungen auf dem Weg zur autonomen Mobilität?

Ganz klar: die Vernetzung, die Sicherheit und das Vertrauen in die Technik!

Kontakt

Sven Göth (Autor)
Futurist | Keynote Speaker | Expert | CEO & Founder
Digital Competence Lab
www.svengoeth.com