Chancen und Risiken der militärischen Nutzung autonomer Flugobjekte
Drohnen sind inzwischen für die meisten Armeen dieser Welt, vor allem aber in westlichen Staaten, unverzichtbare Instrumente. Primär dienen die meisten Drohnen der Aufklärung auf allen Ebenen: strategisch, operativ und taktisch. Wie alle anderen militärischen Werkzeuge bringt deren Einsatz sowohl Vorteile als auch Risiken mit sich. Welche das sind und wie der verantwortungsvolle Umgang damit gelingen kann, mit diesen und weiteren Fragen hat sich Dr. Olaf Theiler, Referatsleiter Zukunftsanalyse im Planungsamt der Bundeswehr, für die TRANSFER und auch im Rahmen der #techourfuture-Veranstaltung „Zukunft Autonomes Fliegen“ auseinandergesetzt.
Für die militärische Nutzung ist inzwischen eine Vielzahl an Drohnenmodellen auf dem Markt verfügbar, die den unterschiedlichen Einsatzzielen gerecht werden. Große Maschinen wie die Global Hawk von Northrop Grumman dienen der strategischen Aufklärung, sie können aus hohen Höhen über große Reichweite und lange Flugdauer Überwachungsaufgaben wahrnehmen. Für den operativen Einsatz dienen eher Drohnen für mittlere Flughöhen und Flugzeiten bis zu 50 Stunden, wie zum Beispiel die israelische „IAI-Heron“. Zusätzlich gibt es noch eine große Zahl an kleineren Drohnen, die vor allem zur taktischen Nahaufklärung genutzt werden. Hier ist die LUNA-Drohne der Bundeswehr ein gutes Beispiel, die mit rund vier Meter Spannbreite und zwei Meter Länge noch relativ groß ist und einen Aufklärungsbereich von ca. 100 km abdeckt. Inzwischen gibt es jedoch auch viele noch kleinere Drohnen, vom Mikro- bis hin zum Nanobereich, die primär kurzzeitige lokale Aufklärungsdaten liefern sollen. Die Bundeswehr verwendet hier die EMT-Aladin mit einer Spannweite von ca. 150 cm. Auch kleinere Varianten sind inzwischen auf dem Markt, die zum Teil nicht größer als eine Handfläche sind, aber auch eine entsprechend kurze Reichweite und Flugdauer aufweisen.
EINSATZGEBIETE MILITÄRISCHER DROHNEN
All diese Aufklärungsdrohnen dienen vor allem dem Schutz der Soldaten im Einsatz. Mit ihrer Hilfe kann man Regionen und Wege aufklären, ohne eigenes Personal der Gefahr für Leib und Leben auszusetzen. Darüber hinaus können mit Hilfe von Drohnen Transporte und Patrouillen begleitet und damit vor Überraschungsangriffen geschützt werden. Einige Staaten verwenden jedoch auch Drohnen für Angriffsoperationen, das heißt, sie besitzen bewaffnete Drohnen, die ferngelenkt Angriffe auf bewegliche Ziele durchführen können. Am bekanntesten ist hier die inzwischen bereits wieder aus dem Dienst genommene US-Drohne „Predator“ oder ihr Nachfol- ger die „Reaper“. Vergleichbare Systeme werden unter anderem aus Gründen erhöhter Präzision beim Waffeneinsatz von verschiedenen Militärs und Geheimdiensten verwendet, nicht jedoch in Deutschland oder bei der Bundeswehr. Der Deutsche Bundestag hat im Herbst letzten Jahres erst die Beschaffung von Drohnen für die Bundeswehr genehmigt, die zwar prinzipiell bewaffnungsfähig sind, für die jedoch die entsprechende Waffenausstattung nicht mitgekauft werden darf. Damit wird sich die Nutzung von Drohnen in der Bundeswehr auch für die nächste Zukunft ausschließlich auf die Aufklärung beschränken.
Motive zum Einsatz von gelenkten Drohnen sind primär der Schutz des eigenen Personals, da ein Großteil derartiger Aufklärungseinsätze in der Regel mit erheblichen Risiken für die Soldaten verbunden wäre. Dazu kommt die längere Einsatzdauer von ferngelenkten Drohnen im Vergleich zu herkömmlichen Flugzeugen oder Helikoptern, die nach relativ kurzer Zeit wieder zum Auftanken zur Heimatbasis zurückkehren müssten. Angesichts der zunehmenden Komplexität von Einsätzen und Krisenlagen, ergänzt durch den gerade in Europa sehr ausgeprägten Wunsch zum Schutz eigener Kräfte, sind unterschiedlichste Formen der Drohnen bei westlichen Militärs nicht mehr wegzudenken.
NUTZUNG NUR IN ETHISCH VERTRETBAREN FÄLLEN
Im Zusammenhang mit Drohnen wird häufig auf zwei mögliche Gefahren hingewiesen: Zum einen argumentieren viele, dass die Distanz zwischen dem Drohnenpiloten und seinem möglichen Ziel die emotionale Belastung verringere und den Waffeneinsatz, vielleicht sogar die kriegerische Handlung an sich erleichtere und wahrscheinlicher mache. Dagegen kann man feststellen, dass gerade beim Waffeneinsatz über Drohnen durch die unmittelbare Videoaufnahme eine wesentlich größere Nähe hergestellt wird, als sie ein normaler Flugzeugführer oder gar Artillerist jemals erleben kann. Dies führt unter anderem auch zu sehr hohen emotionalen Stressbelastungen der Drohnenpiloten. Außerdem müsste in Demokratien grundsätzlich jeder Waffeneinsatz parlamentarisch gebilligt werden. Dies lässt ein Absinken der Hemmschwelle durch die Drohnenverfügbarkeit im Kriegseinsatz eher unwahrscheinlich erscheinen (diese Regel gilt nicht für Geheimdiensteinsätze, bei denen Drohnen mitunter an Stelle von menschlichen Einsatzteams Verwendung finden).
Zum anderen wird häufig der Verdacht geäußert, dass Drohnen nur die Vorstufe zum Killer-Roboter sind, also den Weg zum autonomen Waffensystem nach Vorbild des aus Hollywood-Filmen bekannten Terminators bereiten. Nach derzeitigem Stand werden aber weder wirkliche Intelligenz (starke KI) noch wirkliche Autonomie (Fähigkeit zur eigenständigen Entscheidung) in absehbarer Zeit technisch realisierbar sein. Gleichzeitig wäre ein derartiger Kontrollverlust weder für eine militärische noch politische Führung wirklich wünschenswert. Dementsprechend betonen derzeit auch alle westlichen Militärs und insbesondere die Bundeswehr, dass bei allen militärischen Aktionen zwingend der Vorbehalt einer menschlichen und damit ebenso ethisch vertretbaren wie juristisch überprüfbaren Entscheidung zu gewährleisten ist. Obwohl also die militärisch-technische Entwicklung aufgrund erhöhter Geschwindigkeit auf dem Gefechtsfeld zwangsläufig zu einer gewissen Automatisierung vor allem von Abwehrwaffen führt, kann in absehbarer Zeit von einer Zielauswahl durch die Maschine, also vom autonomen Töten, nicht die Rede sein.
„Information kann helfen, jeder Zukunftsentwicklung zumindest eine Chance zu geben.“
Im Gespräch mit Dr. Olaf Theiler
Herr Dr. Theiler, warum ist es aus Ihrer Sicht wichtig, die Gesellschaft über Zukunftstechnologien zu informieren?
Neue Technologien werden häufig von sogenannten Hypes begleitet, das heißt überzogenen Erwartungen und Ängsten, die, medial vermittelt, die Einstellungen der breiten Öffentlichkeit meist negativ beeinflussen, noch bevor die neue Technologie sich in der Praxis bewähren kann. Dies führt schnell zur Überregulierung und zur Verhinderung langfristig und gesamtgesellschaftlich sinnvoller Entwicklungen auf Basis kurzfristiger und kleinteiliger Widerstände und Verlustängste. Information, viel mehr aber noch ein wirklicher Dialog über neue Technologien, kann helfen, jeder Zukunftsentwicklung zumindest erst einmal eine Chance zu geben.
Welche Vorbehalte gegenüber Zukunftstechnologien begegnen Ihnen im Rahmen Ihrer Arbeit?
Im Grunde wird im Bereich der Bundeswehr und der militärischen Sicherheitspolitik häufig die Angst vor einem Missbrauch zum Maßstab des Urteils über neue Technologien gemacht. Diese primär emotionale Reaktion verhindert oft eine rationale Auseinandersetzung mit realen Stärken und Schwächen zukunftsträchtiger Technologien. Noch schlimmer ist es, wenn die vage Möglichkeit eines ethisch nicht vertretbaren Einsatzes solcher Technologien am Ende die Abwehr eines missbräuchlichen Einsatzes mit legalen Mitteln behindert, unter anderem wenn das Thema zum politischen Tabu wird.
Wo und wie würden Sie persönlich autonome Flugobjekte verwenden und/oder für welche Situationen würden Sie dies ausschließen?
In absehbarer Zeit wird es weder starke KI noch wirkliche Autonomie geben. Damit bleibt der Einsatzbereich teilautonomer Flugobjekte zwangsläufig begrenzt. Man kann sie programmieren, von einem Punkt A nach Punkt B zu fliegen, diesen Weg selbstständig zu suchen und möglichen Hindernissen auf dem Weg auszuweichen. Im zivilen Bereich kann das vielfältig genutzt werden, auch wenn es wohl keine Antwort auf die Probleme der Massenmobilität leisten kann. Im militärischen Bereich kann man nicht von passiven Objekten ausgehen, denen es auszuweichen gilt, sondern muss mit Gegnern rechnen, die aktiv den Flug zu stören versuchen oder das Flugobjekt vollständig zerstören wollen. Hier kann so eine Form der beschränkten Autonomie nur in sehr begrenzten Fällen zur Anwendung kommen. Vorstellbar wären Transporte im Hinterland, im Friedensbetrieb im Heimatland und vielleicht auch Verwundetentransporte im rückwärtigen Bereich eines Einsatzes. Aber eine aktive Beteiligung am Kampf, ein autonomer Einsatz von Waffensystemen ohne menschliche Kontrolle wäre nicht nur ethisch nicht vertretbar, sondern vor allem militärisch kaum sinnvoll, unter anderem weil solche Systeme viel zu leicht auszuschalten/zu bekämpfen sind.
Kontakt
Dr. Olaf Theiler (Autor)
Referatsleiter
Zukunftsanalyse Planungsamt der Bundeswehr (Berlin)