© denisismagilov – Fotolia.com

„Was wir beibringen müssen, ist, wie man eine Idee validieren und weiterentwickeln kann“

Im Gespräch mit Professor Dr. Nils Högsdal, Prorektor Innovation und Professor für Corporate Finance und Entrepreneurship an der Hochschule der Medien in Stuttgart

Professor Dr. Nils Högsdal spricht mit der TRANSFER über seine Verbundenheit mit dem Schülerwettbewerb „Jugend gründet“. Des Weiteren erzählt er, wie junge Menschen mit den Chancen des Unternehmertums umgehen und wie sie von den Hochschulen dabei unterstützt werden können.

Herr Professor Högsdal, Sie haben den deutschlandweiten Schülerwettbewerb „Jugend gründet“ maßgeblich konzipiert und begleiten diesen auch heute aktiv als Jury-Mitglied. Weshalb engagieren Sie sich so stark für diesen Wettbewerb?

Am Anfang, vor etwa 15 Jahren, war „Jugend gründet“ für mich und unser junges Start-up ein spannender Entwicklungsauftrag des BMBF. Es ging um die Entwicklung einer interaktiven webgestützten Lernumgebung mit einem Planspiel, bei dem Tausende Schüler die Chance erhalten, sich mit dem Thema Entrepreneurship und Gründung auseinanderzusetzen. Dies war technologisch sozusagen „Neuland“.

Unser Glück war, dass wir das Steinbeis-Innovationszentrum Unternehmensentwicklung an der Hochschule Pforzheim als Partner für die Durchführung fanden. Dort hatte man bereits über das Projekt „PriManager“ Erfahrung mit der Durchführung von Planspielen für Schüler in Baden-Württemberg gesammelt. Bereits im ersten Durchlauf zeigte sich, dass es bei der Initiative um wesentlich mehr ging als nur darum, ein Planspiel durchzuführen. Die Begeisterung beim Finale des ersten Wettbewerbsjahres 2003/2004 und die Reaktionen auf die von mir begleitete Gewinnerreise ins Silicon Valley zeigten, dass hier nicht weniger entstanden war als die „jüngere Schwester“ zu „Jugend forscht“. Innovationen sind gute Ideen, für die man auch eine Rechnung stellen kann, und viel zu oft mangelt es uns nicht an diesen Ideen, sondern an deren Weiterentwicklung zu tragfähigen Geschäftsmodellen.

Die Durchführung des Wettbewerbs liegt nun seit Jahren in bester Hand beim Steinbeis-Team aus Pforzheim. Dennoch bin ich „Jugend gründet“ eng verbunden und bringe mich neben meiner Funktion als Jury-Mitglied auch als Mentor für das Gewinnerteam ein. Als Highlight fliege ich mit ihnen für eine Woche ins Silicon Valley. Dies ist auch für mich jedes Mal von neuem inspirierend und wir bieten hier einen Preis, den man sich nicht für Geld kaufen kann: persönliche Kontakte für die eigene Zukunft, spannende Ideen und die Auseinandersetzung mit einem Mindset, das zeigt, dass man viel bewegen kann.

In Ihrer Tätigkeit als Hochschulprofessor haben Sie täglich mit jungen Menschen zu tun. Wie gut sind diese Ihrer Meinung nach vorbereitet, die Chancen des Unternehmertums zu erkennen?

Ich denke, dass sich da einiges tut. Ich zitiere gerne die Aussage: „we hire for the attitude and train for the skills“. Vor einigen Jahren rief das Thema Unternehmertum und Selbstständigkeit wenig Begeisterung bei jungen Menschen hervor. Dies hat sich verändert, die Grundeinstellung ist heute positiv und aufgeschlossen. Was fehlt, sind Kenntnisse der Werkzeuge, mit denen aus Ideen tragfähige Geschäftsmodelle werden. Diese lassen sich aber im Studium einfach vermitteln und auch „Jugend gründet“ bietet hier inhaltlich viel.

Können junge Menschen diese Chancen überhaupt von sich aus erkennen oder benötigen sie grundsätzlich Hilfe? Wenn ja, welche?

Ich denke, dass man hier an vielen Stellen Hilfe zur Selbsthilfe geben muss. Heute wissen wir, dass es strukturierte Methoden und Prozesse gibt. Dazu zählen Design Thinking und der Lean Startup-Ansatz unter anderem mit dem Business Model Canvas. Was wir beibringen müssen, ist, wie man eine Idee validieren und weiterentwickeln kann. Ich werde nie von einer Idee abraten, sondern immer die Studierenden dazu bringen, diese Schritt für Schritt mit Kunden und weiteren Stakeholdern zu validieren. Nicht selten wird in mehreren Iterationsschritten aus einem scheinbar chancenlosen Konzept ein umsetzbares Geschäftskonzept. Gründung ist heute ein agiler Prozess, und wer diesen versteht, kann damit auch in Großunternehmen Innovationen nach vorne bringen.

Wie können Hochschulen Studierenden, aber auch Absolventen noch besser helfen, die erkannten Chancen des Unternehmertums konkret zu realisieren?

Die vorige Frage brachte bereits ein wichtiges Stichwort: Auch etablierte Unternehmen nutzen heute die Erkenntnisse aus der Start-up-Welt unter dem Schlagwort „Corporate Entrepreneurship“, um schnell und zielgerichtet Innovationsprozesse zu fördern. Unser Ziel als Hochschule der Medien ist es, zukünftig jeden Studierenden im Laufe seines Studiums damit mindestens einmal zu erreichen. Dabei geht es nicht darum, jeden zum Gründer zu machen, sondern Entrepreneurship als Schlüsselkompetenz breit zu verankern. Hier geht es nicht um Details wie die Finanzplanung eines Start-ups für den Business Plan, sondern um die grundsätzlichen Prinzipien. Studierende müssen wissen, dass sie mit ihrer Idee gerade an ihrer Hochschule vielfältige Unterstützung bekommen. Das gilt heute für die Studierenden, aber auch für die Alumni nach dem Studium. Die Unterstützung ist nicht nur inhaltlicher, sondern auch finanzieller Natur über die zahlreichen Fördermöglichkeiten wie die Exist-Gründerstipendien, das Programm „Junge Innovatoren“ und die Innovationsgutscheine. Gleichzeitig gilt es im Sinne des lebenslangen Lernens die neuen Erkenntnisse auch zu teilen. Seit dem Wintersemester bieten wir gemeinsam mit der Universität Stuttgart einen gemeinsamen Master zum Thema „Intra- und Entrepreneurship (tech)“ an. Dieser kann berufs- und gründungsbegleitend studiert werden. Zudem kann an solchen Modulen auch einzeln teilgenommen werden. Fast schon ein Klassiker ist das Kontaktstudium „Design Thinking und Business Model Generation“, welches in vielen Fällen mit 6 ECTS auf einen späteren Master angerechnet werden kann. Was für die Zukunft noch fehlt, sind Strukturen, welche es Hochschulen nach amerikanischem Vorbild ermöglichen, sich an Start-ups von Studierenden zu beteiligen. Vielleicht kann hier für die Zukunft etwas im Steinbeis-Verbund entstehen.

Kontakt

Prof. Dr. Nils Högsdal lehrt Corporate Finance und Entrepreneurship an der Hochschule der Medien in Stuttgart. Seit September 2016 verstärkt er das Rektorat als Prorektor Innovation. Dieser Verantwortungsbereich bündelt die Themen Forschung und Transfer, Gründung und Entrepreneurship, Weiterbildung und Internationalisierung. Ein Schwerpunkt seines Engagements in Lehre und Forschung liegt im Bereich Entrepreneurship mit einem Fokus auf Innovation.

 

 

Professor Dr. Nils Högsdal
Hochschule der Medien (Stuttgart)