Steinbeis-Team aus Pforzheim und Optik-Elektro Huber entwickeln innovatives Fertigungsverfahren
In vielen technischen Anwendungsfeldern sind zwei Tendenzen erkennbar: Das ist zum einen der starke Trend zur Miniaturisierung, zum anderen zur Integration von immer mehr technischen Funktionen in die eingesetzten Produkte. Damit einher geht die Forderung nach höchster Qualität und Funktionalität speziell bei sensiblen Anwendungsfeldern wie im Bereich der Luft- und Raumfahrttechnik oder der Medizintechnik. Das Steinbeis-Transferzentrum Produktion und Organisation aus Pforzheim und die Optik-Elektro Huber GmbH haben sich erfolgreich dieser Anforderung gestellt: Ihr gemeinsames Projekt erhielt dafür den Transferpreis der Steinbeis-Stiftung 2019.
Die Optik-Elektro Huber GmbH aus dem baden-württembergischen Enzberg bei Mühlacker hat sich auf die Fertigung von hochkomplexen, kleinvolumigen mechanischen Bauteilen spezialisiert, die in der Luft- und Raumfahrttechnik oder auch der Medizintechnik ihren Einsatz finden. So werden beispielsweise Komponenten für Ventile hergestellt, die in Tieftemperaturbereichen von bis zu -100°C einwandfrei funktionieren müssen. Da bei diesen Temperaturen keine Elastomerdichtungen eingesetzt werden können, muss die Dichtfunktion durch metallische Funktionsflächen gewährleistet werden, bei denen Metall auf Metall sicher abdichtet. Dies kann nur durch Oberflächen mit geringsten Rauheitswerten und höchster Präzision sichergestellt werden.
Um diesen Anforderungen gerecht werden zu können, entwickelte Optik-Elektro Huber zusammen mit dem Steinbeis-Transferzentrum Produktion und Organisation ein neues Verfahren, das die negativen Einflussmöglichkeiten durch die Prozesse von der Zerspanung bis zur versandfertigen Verpackung eliminiert.
Die Basis des vollautomatisierten Verfahrens ist eine autarke Fertigungsinsel, bei der die zu fertigenden Bauteile einer Einzelteilbehandlung unterzogen werden. Damit kann eine Beschädigung der Oberflächen durch ein unbeabsichtigtes Berühren der Bauteile untereinander prozesssicher ausgeschlossen werden. Das Herzstück der Anlage ist ein neuartiges Reinigungssystem: Hier wählte das Projektteam die relevanten Einflussgrößen auf den Reinigungsprozess wie Temperatur, Reinigungszeit, mechanische Reinigungsunterstützung und Chemieeinsatz so, dass trotz des eingesetzten sehr umweltfreundlichen Reinigungsmittels sämtliche installierten Prozesse zeitparallel zur Zerspanungszeit der Bauteile ablaufen können. Somit ist höchste Qualität bei minimalen Kosten gewährleistet.
Neben der technologischen Entwicklung und Realisierung des Systems erarbeiteten die Projektpartner im Rahmen des Projektes auch eine Vermarktungsstrategie zur Erweiterung des Einsatzfeldes der neuen Technologie, die nun umgesetzt wird. Mit dem Projekt zeigen beide Partner, dass mit einem übergreifenden Lösungsansatz und der engen Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft und Praxis innovative Technologien und Konzepte zur langfristigen Wettbewerbssicherung entstehen können. Für diese Leistung wird das Projekt mit dem Transferpreis der Steinbeis-Stiftung – Löhn-Preis ausgezeichnet.
„WIR WOLLEN UNSEREN KUNDEN ZEIGEN, DASS WIR MIT INNOVATIVEN LÖSUNGEN ZUM BEIDERSEITIGEN ERFOLG BEITRAGEN“
Im Gespräch mit Prof. Dr.-Ing. Herbert Emmerich und Thilo Huber
Herr Huber, Sie sind seit vielen Jahren spezialisiert auf die Produktion von miniaturisierten mechanischen Bauteilen. Vor welcher Herausforderung standen Sie, als Sie 2017 die Expertise des Steinbeis-Transferzentrums Produktion und Organisation suchten?
Bedingt durch die Komplexität und die sehr hohen Oberflächenanforderungen der Bauteile hatten wir tatsächlich bei einigen Typen eine zu hohe Ausschussquote, die in den Prozessen nach der Zerspanung und der Art des Teilehandlings begründet war. Hier galt es, neue Wege zu suchen, um in einem automatisierten Prozess die externen Einflussmöglichkeiten eingrenzen und eliminieren zu können. Ein weiteres ganz generelles Thema sind bei unserer losgrößenbezogenen Fertigung die Durchlaufzeiten des Gesamtauftrages durch alle Prozessschritte. Hier galt es, ein Verfahren zu implementieren, mit dem wir den Charakter einer Fertigungsinsel nachbilden können und bei dem die Liegezeiten zwischen den einzelnen Prozessschritten und damit die gesamte Durchlaufzeit signifikant reduziert werden können.
Herr Professor Emmerich, Ihr Vorbild aus der Biologie bei der Umsetzung des nun mit dem Transferpreis ausgezeichneten Projekts waren rohe Eier. Das müssen Sie uns erklären!
Besondere Anforderungen erfordern besondere Lösungen. Die Produkte von Optik-Elektro Huber können tatsächlich mit rohen Eiern verglichen werden. Jede unsachgemäße Handhabung führt unweigerlich zum Bruch und zum Ausschuss. Bei zulässigen Rauhtiefen, die teilweise unter einem µm liegen, kann eine sichere Handhabung und damit die Vermeidung von Beschädigungen der Einzelteile nur durch ein Einzelteilhandling vermieden werden. Eine Handhabung der relevanten Teile im Verbund, insbesondere beim überkritischen Reinigungsprozess verbietet sich von selbst. Es würde ja auch niemand auf die Idee kommen, rohe Eier im losen Verbund einer Wascheinrichtung zuzuführen.
Im Projekt ist nun ein einsatzfähiger Prototyp entstanden. Herr Huber, wie profitieren Sie schon heute von der innovativen Entwicklung?
Der Prototyp hilft uns in unterschiedlichen Richtungen. Wir nutzen das System im Moment, um die Stabilität des Verfahrens weiter zu testen und zu verbessern. Wir wollen natürlich alle möglichen Verbesserungspotenziale durch Tests ausfindig machen und diese dann bei den nächsten Anlagen direkt umsetzen. Das bedeutet, dass wir die Anlage bereits heute schon in der Produktion einsetzen können. Erfreulicherweise sind bereits einige potenzielle Kunden durch unsere Veröffentlichungen auf das System aufmerksam geworden und haben sich nach Lieferzeiten und der technischen Verfügbarkeit des Systems erkundigt.
Herr Professor Emmerich, geben Sie uns bitte noch einen kurzen Ausblick in die Zukunft: Welches Potenzial steckt nun nach der Prototypenphase in Ihrem gemeinsamen Projekt?
Unsere Ziele beinhalten zwei Zielrichtungen. Einerseits wollen wir natürlich durch den Einsatz der Systeme in der eigenen Fertigung unsere Wettbewerbsfähigkeit stärken und unseren Kunden auch zeigen, dass wir mit innovativen Lösungen zum beiderseitigen Erfolg beitragen können. Wir müssen daneben aber auch weiterdenken und beabsichtigen, das System in Kombination mit leistungsstarken Herstellern von Werkzeugmaschinen als eigenes Produkt am Markt zu platzieren. Sie sehen also, es wird uns nicht langweilig werden.
Kontakt
Prof. Dr.-Ing. Herbert Emmerich (Autor)
Leiter
Steinbeis-Transferzentrum Produktion und Organisation (Pforzheim)
Thilo Huber
Geschäftsführer
Optik-Elektro Huber GmbH (Mühlacker)