BETOLAMINA®-CAST MACHT’S MÖGLICH: FILIGRANE FASSADEN AUS BETON

Chemnitzer Steinbeis-Team entwickelt mit FIBER-TECH Products und Medicke Metallbau innovative Fassaden auf Basis eines neuartigen FaserBetons

Der Baustoff Beton liegt im Trend: Eine ansprechende Optik, vielfältige Gestaltungsmöglichkeiten und hervorragende Materialeigenschaften machen ihn zu einem gefragten Allrounder. Er kommt auch bei Gebäudehüllen zum Einsatz, die in der Regel aus vorgehängten Fassadenelementen hergestellt werden. Ein wesentlicher Nachteil: das hohe Gewicht des Baustoffs, das durch die integrierte Stahlbewehrung und die zum Korrosionsschutz erforderliche Betonüberdeckung entsteht. Gemeinsam mit der FIBER-TECH Products GmbH aus Chemnitz und der Glauchauer Medicke Metallbau GmbH entwickelte das Steinbeis-Innovationszentrum FiberCrete in Chemnitz in einem Forschungsvorhaben den glasfaserverstärkten Architekturbeton BetoLamina®-Cast sowie die Technologie zur Herstellung und Verankerung dünnwandiger Fassaden, mit wesentlich reduziertem Gewicht und einer hervorragenden Optik. Die drei Projektpartner wurden dafür mit dem Transferpreis der Steinbeis-Stiftung 2019 ausgezeichnet.

Für moderne Vorhangfassaden werden stahlfreie Betone gesucht, die neben den geforderten mechanischen Eigenschaften dünnwandig und frei gestaltbar sind und hochwertige Oberflächenqualitäten haben. Hier sind intelligente Materialkonzepte, eine innovative Befestigungstechnologie und eine reproduzierbare Fertigungsstrategie gefragt. Die starke Nachfrage nach derartigen Lösungen führte die Medicke Metallbau GmbH – ein Komplettanbieter für hochwertige Gebäudehüllen – nach Chemnitz ans Steinbeis-Innovationszentrum FiberCrete und zu FIBER-TECH Products. Im Fokus des gemeinsamen Projekts stand die Abbildung einer ganzheitlichen Prozesskette, beginnend bei der Vermischung der Komponenten für den Beton bis hin zur logistischen Umsetzung und Montage am Bauwerk. 

Der im Projekt entstandene neue Faserbeton BetoLamina®-Cast kam erstmals im Zuge des Neubaus der Büroimmobilie Wilhelm-Kaiser-Hof in Köln als freigestaltete Fassade (ca. 5.000 m²) zum Einsatz. Unterschiedlich ausgerichtete Lisenen erzeugen am Gebäude ein außergewöhnliches Schattenspiel, das sich im Wechsel des Lichteinfalls verändert. Alle Anforderungen an die Fassade, das heißt eine glatte Oberfläche, die höchste Sichtbetonklasse, eine filigrane matte Optik, hohe Witterungsbeständigkeit und Festigkeit, wurden erfüllt. Der Transfer der Grundlagenforschung von der Technischen Universität Chemnitz, Institut für Strukturleichtbau in Verbindung mit dem Steinbeis-Innovationszentrum FiberCrete konnte in idealer Weise innerhalb des Projektes umgesetzt werden. Der Transferpreis der Steinbeis-Stiftung – Löhn-Preis würdigt diese intensive Zusammenarbeit der Partner und zeigt den erfolgreichen Transfer von Forschungsleistungen in die Praxis.


„ES WIRD SPANNEND!“
Im Gespräch mit PD Dr. Sandra Gelbrich, Franziska Pfalz und Marcus Medicke

Frau Dr. Gelbrich, wenn es um fili­grane Bauteile geht, denkt man gemeinhin nicht unbedingt an den Werkstoff Beton. Sie haben diesen vermeintlichen Gegensatz überzeugend aufgelöst. Was macht den neu entwickelten Beton so einzigartig?

Beton ist der am meisten verwendete Baustoff weltweit, der aufgrund seiner besonderen Eigenschaften die optischen, statischen und bauphysikalischen Anforderungen dauerhaft erfüllen kann. Dabei verfügt Beton über sehr gute Druckeigenschaften, aber nur über eine vergleichsweise geringe Zugfestigkeit, so dass in der Regel eine Bewehrung aus Stahl erfolgt. Stahl neigt unter Sauerstoff- und Feuchtezufuhr zur Rostbildung, daher muss Stahl im Beton vor Korrosion geschützt werden. Das führt dazu, dass um den Stahl herum eine Betonüberdeckung von mehreren Zentimetern aufgebracht werden muss, das stellt den passiven Korrosionsschutz des Stahls durch das alkalische Milieu des Betons sicher. Das hat wiederum massive, schwere Bauteile zur Folge und geht mit einem erhöhten Bedarf von Ressourcen einher. Daher wird seit einigen Jahren an stahlfreien Bewehrungen, beispielsweise aus alkalibeständigen Glas- und Carbonfasern, geforscht.

Für die Anwendung als Fassadenelemente haben wir im Steinbeis-Innovationszentrum FiberCrete den glasfaserverstärkten Architekturbeton Beto­Lamina® entwickelt. Dieser neue weiße Glasfaserbeton verfügt über sehr gute mechanische Eigenschaften, eine hervorragende Dauerhaftigkeit und eine exzellente Sichtbetonqualität. BetoLamina®-Cast ist als 5-Stoff-System aufgebaut und besteht aus Portlandzement, Gesteinskörnung mit maximal 4 mm Korndurchmesser, Zusatzstoffen und projektspezifischen Zusatzmitteln sowie alkaliresistenten Glasfasern mit einer Faserlänge von 12 mm. Somit sind wir in der Lage, mit dieser während der Verarbeitung hochfließfähigen BetoLamina®-Cast-Mischung unter Verwendung besonders glatter Schalungen aus glasfaserverstärkten Kunststoffen Fassadenelemente komplexer Geometrie mit einer Materialdicke von 2 cm reproduzierbar herzustellen. Dabei können nahezu alle gestalterischen Wünsche im Hinblick auf Form, Struktur der Oberfläche und Farbe umgesetzt werden.

Durch die ansprechende Optik, die vielfältigen Gestaltungsmöglichkeiten und die hervorragenden Materialeigenschaften sind unsere Fassadenelemente stark bei Architekten und Bauherren gefragt.

Einen neuartigen Beton in der Theorie zu entwickeln ist das eine, daraus in der Praxis Bauteile herzustellen das andere. Frau Pfalz, Sie sind diese Herausforderung bei FIBER-TECH Products angegangen. Was waren die Anforderungen, die Sie zu lösen hatten?

Das Know-how von FIBER-TECH liegt in der Bearbeitung von komplexen Projekten im Bereich Faserverbund. Wir lösen konstruktive Anforderungen und setzen das Ergebnis in unseren Produkten um. Da es sich bei dem Projekt Wilhelm-Kaiser-Hof in Köln nicht nur um das erste gemeinsame Projekt im Projektkonsortium FIBER-TECH – Metallbau Medicke – FiberCrete handelt, sondern auch um die erste Fassade, für die FIBER-TECH 5.000 m² Architekturbetonsteine in höchster Anforderungsqualität hergestellt hat, waren hier die Herausforderungen etwas umfangreicher.

Wir haben Zug um Zug eine zusätzliche Produktion mit den entsprechenden Räumlichkeiten für eine betontaugliche Produktion und Lagerung fertiger Elemente aufgebaut, notwendiges Produktionsequipment musste angeschafft und vorfinanziert werden. Parallel haben wir Mitarbeiter rekrutiert und ausgebildet. Für einen reibungslosen Ablauf in Seriengüte für 2.000 reproduzierbare Fassadenelemente musste eine funktionierende und betriebswirtschaftlich sinn­volle Produktionslinie erarbeitet werden. Für die Umsetzung der umfangreichen Geometrien haben wir ein Formenbaukonzept entwickelt, um erhöhte Produktionskosten zu vermeiden. Der Erfolg der fertigen Gebäudefassade zeigt, dass sich die Investitionen, Mühen und Geduld in einen neuen Geschäftsbereich gelohnt haben.

Herr Medicke, Ihr Team bei Medicke Metallbau kam ins Spiel bei Fragen zur Verankerung der Fassadenteile, zur Teilelogistik und letztendlich zur Montage an der Fassade. Welche Erfahrungen haben Sie im Projekt gemacht und wie profitieren Sie heute?

Für moderne Fassaden werden stahlfreie Betone benötigt, die nicht nur die geforderten mechanischen Eigenschaften haben sondern auch dünnwandig und frei gestaltbar sind sowie über hohe Oberflächenqualitäten verfügen. Hier sind intelligente Materialkonzepte, eine innovative Befestigungstechnologie und eine reproduzierbare Fertigungsstrategie gefragt. Leichtbau und Freiformen bieten dem modernen Fassadenbau heutzutage völlig neue Möglichkeiten bei der Gestaltung und Umsetzung von komplexen bautechnischen Lösungen.

Mit dem Kaiser-Hof in Köln haben wir als Komplettanbieter für Gebäudehüllen diese neue Technologie des dünnwandigen Betons erstmals in der Praxis eingesetzt. Dabei hatten wir viele neue Herausforderungen in Konstruktion, Logistik und Montage zu bewältigen. Für die BetoLamina®-Cast-Faserbetonelemente musste ein komplett neues Unterkonstruktionssystem entwickelt und für die bautechnische Zulassung erprobt werden. Besonders wichtig war hier die spannungsfreie Aufhängung der Faserbetonelemente und eine möglichst einfache Montage, um Fehler von vornherein auszuschließen. 

Für die Logistik der circa 2.000 m2 Faserbetonelemente mussten spezielle Transportgestelle konstruiert werden, damit sie sicher und unbeschädigt zur Baustelle transportiert werden konnten. Darüber hinaus erforderte die große Anzahl der Elemente, die eine Länge von circa 3,5 m haben, ein ausgeklügeltes Ladungs- und Logistikkonzept, um termingerecht zur Montage am Bauwerk zur Verfügung zu stehen. Die dünnwandigen Faserbetonelemente bedurften bei der Montage am Gebäude einer besonders vorsichtigen Handhabung durch unsere speziell geschulten Mitarbeiter. Auch hier mussten im Vorfeld neue Handhabungsweisen erprobt und ausgiebig getestet werden, um einen reibungslosen Montageablauf zu gewährleisten. Die in diesem Projekt gesammelten Erfahrungen in der Planung und Handhabung der Faserbetonelemente bilden für uns eine solide Grundlage für den weiteren Einsatz des BetoLamina®-Cast-Faserbetons bei zukünftigen Projekten.

Frau Dr. Gelbrich, der nächste Großauftrag, den Sie als Projekt-Team umsetzen, steht schon fest: Geben Sie uns einen kurzen Einblick, wie Ihre Zusammenarbeit weitergehen wird!

BetoLamina®-Cast wurde erfolgreich im Zuge des Neubaus der Büroimmobilie Wilhelm-Kaiser-Hof in Köln eingesetzt. Nun entwickeln wir das Produkt entsprechend den Anforderungen des Marktes weiter. Dabei geht es um verschiedene Oberflächenstrukturen, Farben, Formen und Konstruktionen sowie Befestigungstechniken. Außerdem wird an neuen Technologien zur effizienten Schalung und Herstellung der Elemente gearbeitet. Die Umsetzung der Fassade des DIN (Deutsches Institut für Normung)-Gebäudes in Berlin ist bereits in Realisierung. Eine besondere Herausforderung für uns ist die Komposition einer neuen hochwertigen Betonmischung mit lokal integrierten Designglassteinen in der DIN-Farbe blau, die aufgrund ihrer Materialzusammensetzung, optimier­­ten Packungsdichte und Faserverstärkung die geforderten mechanischen Eigenschaften erzielt und den optischen Ansprüchen hinsichtlich Design und Struktur genügt. Zudem soll dieser neue Materialmix mit einer offenen Gießformgebung zu verarbeiten sein und anschließend zur Veredelung sandgestrahlt werden. Bei der Materialauswahl müssen wir berücksichtigen, dass die eingesetzten Designglassteine beständig im alkalischen Milieu der mineralischen Matrix sind und eine ausreichende Steinfestigkeit gegeben ist. Es wird spannend!

Kontakt

Prof. Dr.-Ing. habil. Sandra Gelbrich (Autorin)
Leiterin
Steinbeis-Innovationszentrum FiberCrete (FC) (Chemnitz)
www.fibercrete.de

Franziska Pfalz
Geschäftsführerin
FIBER-TECH Products GmbH (Chemnitz)

Marcus Medicke
Geschäftsführender Gesellschafter
Medicke Metallbau GmbH (Glauchau)