Im Gespräch mit Almut Kaupp, Leiterin des Steinbeis-Beratungszentrums Internationales Marketing & Nachhaltigkeit
Klimaziele, Ressourcenknappheit aber auch die Wahrung der Menschen- und Arbeitsrechte nehmen Unternehmen wie auch Mitarbeiter in die Verantwortung. Ein Ökosystem ist nur dann stabil, wenn die natürliche Reproduktionsrate wie auch die Aufnahme- und Regenerationskapazität beachtet werden. Werden diese Grenzen außer Acht gelassen, entstehen instabile Zustände, die den Fortbestand des gesamten Systems gefährden. Wie das Nachhaltigkeitsmanagement Unternehmen helfen kann dies zu vermeiden und wie dessen Umsetzung in der Praxis aussieht, darüber hat die Steinbeis-Expertin Almut Kaupp mit der TRANSFER gesprochen.
Frau Kaupp, Nachhaltigkeitsmanagement ist ein Trendwort, aber was hat ein Unternehmen eigentlich davon?
Der Begriff des Nachhaltigkeitsmanagements setzt voraus, dass das Unternehmen eine nachhaltige Entwicklung verfolgt und Corporate Social Responsibility – sprich die gemeinsame gesellschaftliche Verantwortung – zu seiner strategischen Ausrichtung erklärt. Nachhaltigkeitsmanagement ist also die Konsequenz aus einer ethischen und verantwortungsvollen Gesinnung des Unternehmens. In groben Zügen bedeutet es, ein Unternehmen so zu führen, dass es langfristig bestehen kann unter achtsamer Verwendung der ökonomischen, ökologischen und sozialen Ressourcen. Im Einzelnen betrifft es vier Handlungsfelder – Gemeinwesen (Gesellschaft), Mitarbeiter (Unternehmen), Markt und Umwelt – und trägt zu einer positiven, zukunftsfähigen Entwicklung der Gesellschaft bei. In diesem Bewusstsein bedingt eine verantwortungsvolle Geschäftstätigkeit eine langfristige Unternehmensplanung. Dazu gehören mehrere Aspekte: zum einen der Aufbau und die organisatorische Einbindung des Nachhaltigkeitsmanage ments in das Unternehmen. Mit eingeschlossen sind die materiellen, finanz iellen, informellen und mentalen Ressourcen sowie der permanente Kontakt zu den Stakeholdern und damit die Bereitschaft für ein prozessuales Wachstum in Markt und Umwelt. Daneben ist die Nachhaltigkeitsberichterstattung für die eigene Transparenz und Verbindlichkeit wesentlich und nicht zuletzt die Nachhaltigkeitsausrichtung in sämtlichen über- und betrieblichen Funktionsbereichen. Eine nachhaltige Ausrichtung mit einem gesunden Nachhaltigkeitsmanagement dient der langfristigen Unternehmenssicherung und dem Bestand beziehungsweise der Steigerung der Absatzzahlen sowie der Ressourceneffizienz in allen Geschäftsbereichen.
Was ist wichtig für den Einstieg von Unternehmen ins Nachhaltigkeitsmanagement?
Wie bereits erwähnt geht dem Nachhaltigkeitsmanagement primär die Identifikation der Unternehmensphilosophie voraus und damit das Festsetzen von entsprechenden Leitlinien, die den Rahmen und Verhaltensparameter für das Nachhaltigkeitsmanagement bilden. In meinem Steinbeis-Beratungszentrum gehen wir in unserer Arbeit grundsätzlich von einem ganzheitlichen Ansatz aus: Das Unternehmen wird als Ganzes in seiner Einbettung im mikro- und makroökonomischen Kontext betrachtet. Mittels Workshops in unterschiedlicher Zusammensetzung von Mitarbeitern verschiedenster Abteilungen und auch Stellungen wird die Essenz des Unternehmens herauskristallisiert und die Unternehmensphilosophie von innen heraus entwickelt. Was ist es, was dieses Unternehmen in seinem Kern ausmacht? Was ist seine DNA? Was ist an Nachhaltigkeitselementen bereits vorhanden? Und welche Motivation steckt dahinter? Hinzu kommen Stakeholder-Befragungen, die das gesamte Wirkungsfeld des Unternehmens einschließen: Angefangen bei den Mitarbeitern über die Kunden, Lieferanten, Kommunen, in denen das Unternehmen ansässig ist, Kapitalgeber und so fort, wird ein Bild des Unternehmens erstellt und auf diese Weise in seinem gesellschaftlichen Kontext „gespiegelt“. Verbunden mit den bereits vorhandenen Engagements – und ich wage zu behaupten, dass die meisten KMU schon in vielen Bereichen nachhaltig aktiv sind – und den erarbeiteten Zielvorstellungen wird daraus eine Roadmap der Nachhaltigkeit erstellt, auf die das Nachhaltigkeitsmanagement aufgebaut und damit realisierungsfähig wird. Wir möchten weg vom „Säulendenken“, bei dem sich vereinzelte nachhaltige Maßnahmen auf einige wenige Bereiche innerhalb des Unternehmens beschränken, hin zu einer ganzheitlichen, betrieblichen Umsetzung, die auch die außerbetrieblichen und internationalen Umgebungen mit einbezieht.
Nachhaltigkeit und Globalisierung: Wie lassen sich diese zwei auf den ersten Blick unvereinbaren Bereiche vereinen?
Das ist eine gute Frage, wo doch gerade die Globalisierung – als Grundvoraussetzung für den Export – Verursacher unserer nicht nachhaltigen Zustände zu sein scheint. Dennoch bin ich nicht der Meinung, dass wir fortan unsere Pakete mit dem Fahrrad nach Russland transportieren sollten. Ich behaupte sogar, dass wir mit dem Export und der Internationalisierung die Chance und Pflicht haben, unsere ethischen Parameter und Maßstäbe global zu „exportieren“ und umzusetzen. Gerade die Exportkontrolle mit ihren Bestimmungen zur Einhaltung von Sanktionsund Antiterrorvorschriften setzt ja schon wichtige internationale Maßstäbe.
Wichtig ist aber auch, die Wertschöpfungskette zu betrachten. Denn auch un ser internationales Beschaffungsmanagement bietet viele Handlungsmöglichkeiten. Jetzt mögen viele sagen, sie könnten nicht bis zum letzten Lieferanten Kontrollmechanismen einführen. Dem kann ich aus meiner Erfahrung im Exportgeschäft nur widersprechen. Die Prozesse sind in jedem exportierenden Unternehmen bereits dadurch gelegt, dass die Ursprungsberechnung der zu exportierenden Ware alle Lieferanten miteinbezieht. Es ist somit keine Unmöglichkeit, diese Prozesse der Sicherung der Nachhaltigkeit anzupassen. Zudem würde ich just im internationalen Prozess die Möglichkeit einräumen, nachhaltig produzierte Waren mit günstigeren Zollsätzen zu belegen, um so die Wahrung der Menschenrechte, die Arbeitssicherheit aber auch die Recyclingfähigkeit und die ressourcenschonende Produktion international zu fördern und diesen Kriterien damit einen bedeutenderen Stellenwert zu geben. Als nachhaltig ausgerichtetes Unternehmen sollte es selbstverständlich sein, nicht nur im Mutterwerk ein entsprechendes Nachhaltigkeitsmanagement zu implementieren sondern diese Gesinnung in das jeweilige Land weiter zu tragen, zu dem ein Unternehmen Beziehungen hat: sei es in die Tochterunternehmen, zu den Lieferanten, aber auch zu Kunden und Verhandlungspartnern.
Wie wird Ihrer Meinung nach die Zukunft der Nachhaltigkeit im Unternehmen aussehen und welche technologischen und gesellschaftlichen Trends werden dabei die entscheidende Rolle spielen?
Wenn wir eine vernünftige Zukunft wollen, kommen wir nicht umhin Nachhaltigkeit als Erfolgskriterium im Unternehmen zu verankern. Das ist an sich nichts Neues und gab es schon mit der Begrifflichkeit des „ehrbaren Kaufmannes“ Anfang des letzten Jahrhunderts. Bis dato gründet sich unternehmerischer Erfolg aber überwiegend auf monetärem Wachstum. Glücklicherweise verzeichnen wir zunehmend ein Umdenken in der Unternehmenswelt: Innovationen, Offenheit für neue Arbeitsmodelle und Strukturen bekommen immer mehr Zuspruch in der Gesellschaft. Was es zudem braucht, ist ein Regelwerk, das festlegt, dass derjenige unternehmerisch erfolgreich ist, der sich verantwortlich gegenüber Mensch und Umwelt verhält und sich für eine ressourcenschonende Geschäftstätigkeit einsetzt, sowohl im ökologischen als auch im ökonomischen und sozialen/arbeitsrechtlichen Bereich. Wir haben durch die ISO-Zertifizierungen Energie (ISO 50001) und Umwelt (ISO 14001 beziehungsweise EMAS 3) sowie Qualität (ISO 9001) in vielen Bereichen schon einiges erreicht.
Ich sehe zusammen mit den technologischen Entwicklungen der Industrie 4.0 ganz neue Marktmöglichkeiten entstehen: mit Industrien, die für die Recyclingunternehmen neue Beschaffungsmärkte erschließen und damit neue Arbeitsplätze schaffen. Die technischen Möglichkeiten haben wir bereits, wir müssen sie nur dort einsetzen, wo sie aktuell global benötigt werden. Ich finde es sehr interessant, dass wir in vielen industriellen Branchen technologisch exponentiell weiter entwickelt sind als in der Recyclingindustrie dieser Branchen. Hier herrscht Aufholbedarf, das ist aber lediglich eine Frage der Verteilung des Kapitals und der Bedeutsamkeit. Auch im nichtmonetären Bereich gibt es noch viel Potenzial, wo unter anderem die Sozialmanagementsysteme (ISO 26000, OHSAS, 18001, SA 8000, AA 1000) greifen. In diesem Zusammenhang stellen sich viele herausfordernde Fragen: Wie mache ich soziale Werte messbar? Wie kann die Motivationssteigerung von Arbeitnehmern – sei es durch neue Aufgaben oder den Regenerationseffekt von Urlaubszeiten – gemessen werden? Welche Auswirkungen haben neue Arbeitszeitmodelle? Und können diese in die Berichterstattung und das Controlling einfließen? Um ein gesamtunternehmerisches Bild zu bekommen, ist das sogar notwendig!
Wir befinden uns derzeit in einer Umbruchphase, in der uns der Zustand unseres Planeten und seine Auswirkungen aufzeigen, in welchen Bereichen wir unsere Innovationskraft und die technologischen wie digitalen Entwicklungen einzusetzen haben, um langfristige Werte zu schaffen – und wir haben das Potenzial dazu!
Kontakt
Almut Kaupp | Leiterin
Steinbeis-Beratungszentrum Internationales Marketing & Nachhaltigkeit (Freiburg)