BIM-gestützte Lebenszyklusbetrachtung der Verkehrsinfrastruktur als Lösungsansatz
Die Erhaltung der Verkehrsinfrastruktur ist eine wichtige Aufgabe der kommunalen Verwaltung: Straßen sollen sicher sein sowie wirtschaftlich betrieben und unterhalten werden. Auch die Nachhaltigkeit spielt dabei eine bedeutende Rolle. Wie es Kommunen gelingen kann alle diese Anforderungen zu erfüllen, erklären die Steinbeis-Experten Dr. Ute Stöckner und Prof. Dr.-Ing. Markus Stöckner, die sich am Steinbeis-Transferzentrum Infrastrukturmanagement im Verkehrswesen mit Fragen der Nachhaltigkeit kommunaler Verkehrsflächen beschäftigen.
In der jüngeren Vergangenheit hat sich eine systematische Erhaltungsplanung als technische Notwendigkeit erwiesen. Eine konsequente Verfolgung dieses Ansatzes führt in Richtung Asset Management. Die dabei notwendige Lebenszyklusbetrachtung kann mit der Methode des Building Information Modeling (BIM) abgebildet werden.
Einen ersten Schritt bei der Lebenszyklusbetrachtung von Straßennetzen stellt insbesondere im kommunalen Bereich die Frage nach der Bedeutung der einzelnen Straßen im Stadtkontext dar. Denn hier entstehen auch ohne zusätzliche Flächeninanspruchnahme durch innerörtliche Umnutzung von Industrie- und Handelsstandorten oder die Nachverdichtung bestehender Siedlungsgebiete veränderte Anforderungen an die vorhandenen Verkehrswege. Damit sind auch die technischen Anforderungen an die Straße auf den Prüfstand zu stellen. Im kommunalen Bereich steigen darüber hinaus die Nutzeranforderungen an die Straßeninfrastruktur, das legt bei begrenzten finanziellen Ressourcen häufig auch gegenläufige Interessen offen: Busund Autofahrende wollen schnell und bequem ihr Ziel erreichen, Anwohner wenig Verkehrslärm ausgesetzt sein, Radfahrer möchten möglichst direkt und ohne abzubremsen unterwegs sein können und beanspruchen dafür ebene Straßenoberflächen. Die Unternehmen der Ver- und Entsorgung von Wasser, Gas, Strom und Telekommunikation möchten nach Bauarbeiten im Straßenbereich dagegen nur ihre Aufgrabungsflächen wiederverfüllen.
STRASSEN SIND WEIT MEHR ALS VERKEHRSWEGE
Die Nachhaltigkeitssicht berücksichtigt daher verschiedene Aspekte: Ökologisch betrachtet stellt eine gute Radverkehrsinfrastruktur eine Umweltförderung zugunsten nachhaltig gesunder Lebensbedingungen dar. In sozio-kultureller Hinsicht sind Straßen Teil des öffentlichen Raumes und prägen das Erscheinungsbild eines Stadtviertels maßgeblich mit. Die hier lebende Bevölkerung umfasst im Idealfall eine soziale Durchmischung, was sich bis hin zur Frage der Zumutbarkeit der Refinanzierung erforderlicher Erneuerungsmaßnahmen durch die Anwohner auswirken kann. Dabei sind kommunalspezifische Randbedingungen sowie die Ländergesetzgebung über die Kommunalabgaben zu berücksichtigen. Aus ökonomischer Sicht muss eine nachhaltige Straßenerhaltung die Infrastrukturfinanzierung sicherstellen und technisch angemessene Maßnahmen in wirtschaftlicher Bauweise umfassen. Einsparungsmöglichkeiten aus der Koordinierung von Maßnahmen müssen dabei ebenso berücksichtigt werden wie die Anforderungen des Verkehrsflusses auf Umleitungsstrecken.
GANZHEITLICHER ANSATZ ALS LÖSUNG
Für Markus Stöckner liegt die Lösung auf der Hand: „Die Lebenszyklusbetrachtung als Lösungsansatz des nachhaltigen Infrastrukturmanagements greift diese ganzheitliche Betrachtung der Verkehrsinfrastrukturen über die gesamte Nutzungsdauer auf“. Ausgehend von den Anforderungen bei der Planung stellt sie die einzelnen Schritte im Lebenszyklus einer Straße von der Erstellung der Planunterlagen über Bauausführung, Inbetriebnahme und Nutzung zusammen mit notwendigen Erhaltungsmaßnahmen bis zum Ersatz des Bauwerks dar. Dadurch werden Schnittstellen zwischen den verschiedenen Beteiligten definiert und offengelegt, welche Informationen zu welchem Zeitpunkt von wem wohin abgegeben werden müssen, damit im Folgeschritt alle erforderlichen Angaben ohne Wissensverluste verfügbar sind. Beteiligte im kommunalen Straßenbau sind dabei neben Verwaltung und Auftragnehmer des Baulastträgers selbst auch Ver- und Entsorgungsunternehmen oder private Bauträger, die im Rahmen ihrer Aufgabenwahrnehmung in die Straßeninfrastruktur eingreifen. Hier wird besonders deutlich, dass bei zunehmenden Eingriffen in die gebaute Infrastruktur Zeitpunkt, Lage, Art und Weise des Eingriffs in strukturierter Weise dokumentiert werden müssen, um in der Folge angemessene Entscheidungen treffen zu können. Diese umfassen auch ökologische Aspekte bei der Straßenerneuerung, wenn es um das Recycling alten Fahrbahnmaterials und die Qualitätsanforderungen an das neu zu verarbeitende Baumaterial geht.
Das Team am Steinbeis-Transferzentrum Infrastrukturmanagement im Verkehrswesen hilft festzulegen, welche Informationen in den einzelnen Prozessschritten der Lebenszyklusbetrachtung notwendig sind. Daneben unterstützt es bei der Definition, wie und an welchen Stellen Daten übergeben werden und welche Qualitätsanforderungen diese Schnittstellen erfüllen müssen. Das Steinbeis- Team berät in diesem Zusammenhang kommunale und überörtliche Verwaltungen bei der Ermittlung bestehender Wissensquellen und hilft Wissens- und Dokumentationslücken zu schließen. Unter Einbeziehung der bestehenden Verfahrensabläufe werden damit die Methoden des systematischen Erhaltungsmanagements weiter auf die Zukunft ausgerichtet.
„Im Ergebnis erreichen wir eine deutlich verbesserte Kenntnis der Eigenschaften der realisierten Bauwerke und -leistungen, die auch die örtlichen Eigenheiten berücksichtigt. Damit können wir einen Beitrag zur Verbesserung der Prognosen leisten, mit denen die künftigen Lebensdauern abgeschätzt werden“, erläutert Ute Stöckner. Damit steigt die Planbarkeit von Ersatzmaßnahmen und deren Finanzierung, was eine zunehmend wirtschaftliche Straßenerhaltung ermöglicht. Mit der BIM- gestützten Lebenszyklusbetrachtung wird daher ein wesentlicher Beitrag zu einem nachhaltigen Infrastrukturmanagement geleistet.
Kontakt
Prof. Dr.-Ing. Markus Stöckner | Leiter
Steinbeis-Transferzentrum Infrastrukturmanagement im Verkehrswesen (IMV) (Bruchsal)
Dr.-Ing. Ute Stöckner | Projektleiterin
Steinbeis-Transferzentrum Infrastrukturmanagement im Verkehrswesen (IMV) (Bruchsal)