Steinbeis-Experten vergleichen die optische Konfokal- und Weißlichtmesstechnik mit der taktilen Rauheitsmesstechnik
Die Steinbeis-Experten am Herzogenauracher Steinbeis-Transferzentrum sind Spezialisten rund ums Thema Wälzlagertechnik. Seit einiger Zeit beschäftigen sie sich intensiv mit optischer Messtechnik an Wälzlagerkomponenten, denn: Die Qualitätsanforderungen in der Wälzlagerindustrie sind spürbar gestiegen, die Nachfrage nach einer hochgenauen Messtechnik wird immer größer. Optische Messverfahren sind in der Lage sehr präzise, sogar im Nanometerbereich, zu messen und können darüber hinaus durch ihre berührungslose Messtechnik in einen Fertigungsprozess integriert werden. Wie gut korreliert nun aber die taktile Rauheitsmessung mit der Messung der optischen Verfahren? Dieser Frage ist das Steinbeis-Team mit seiner Forschung nachgegangen.
Für gewöhnlich werden Oberflächenprofile durch das taktile Messverfahren bestimmt. In den letzten 30 Jahren haben sich vor allem die optischen Messmethoden etabliert. Sie haben die Fähigkeit, Oberflächen vollkommen berührungslos zu erfassen. Um das Potenzial der optischen Messungen zu analysieren, werden ihre Ergebnisse mit denjenigen der genormten taktilen Messungen nach DIN EN ISO 4287 verglichen.
Das Forscher-Team setzte für seine Untersuchungen das optische Multisensorgerät FRT MicroProf® 200 ein. Die Messstation wurde von der FRT GmbH bereitgestellt und besteht aus einem konfokal-chromatischen Weißlichtsensor (CWL) und einem Konfokalmikroskop (CFM) [1]. Das Gerät kann unter anderem Topographien, Rauheiten und Konturen von Oberflächen bestimmen. Durch die optischen Messmethoden können nun auch Bauteile mit komplexeren Geometrien erfasst werden. Die optischen Verfahren ermöglichen es, zusätzlich zu einer einfachen Linienmessung auch eine millimetergroße Flächenmessung durchzuführen.
Der Weißlichtsensor in der Messstation basiert auf der Kombination des konfokalen Messprinzips mit dem Prinzip eines chromatischen Tiefenscanners. Der chromatische Effekt der Linsen fächert das Weißlicht entlang ihrer optischen Achse in Fokuspunkte verschiedener Wellenlängen auf. Aufgrund der konfokalen Fähigkeit der Messmethode werden nur diese fokussierten Punkte vom Spektrometer erfasst. Jeder einzelnen Wellenlänge wird eine Höhenkoordinate zugeordnet. Der Sensor ist in der Lage viele Punkte kontinuierlich für eine flächige Messung zu bestimmen [2]. Für die Flächenmessung von 5×5 mm werden 5.000 Linien à 5.000 Punkte über die Oberfläche des Außenrings erfasst.
Diese Messmethode des Konfokalmikroskops in der Messstation basiert ausschließlich auf dem konfokalen Messprinzip. Das Licht des Mikroskops trifft gebündelt auf die Fokusebene des Objektes. Die Strahlen erfahren eine Reflexion und werden von dem Detektor aufgenommen. Die Aufnahmen der Intensitäten werden zur Höhenauswertung der konfokalen Messung genommen. Durch die integrierte Nipkowscheibe sind Aufnahmen von Bildfeldgrößen bis maximal 890×655 μm möglich [3]. Für das Messsystem besteht die Oberfläche aus mehreren übereinanderliegenden Schichten und in einer Schicht werden nur die konfokalen Punkte erfasst. Damit das Messgerät neue konfokale Punkte auf einer neuen Schicht bestimmen kann, wird der aktuelle Fokuspunkt über einen Versteller um eine Schrittweite von der Oberfläche entfernt. Im Messvorgang des Steinbeis-Teams wurden die einzelnen Bildfelder zu einem Messbereich von 5×5 mm zusammengelegt.
Für die taktilen Messungen haben die Herzogenauracher Forscher das Rauheitsmessgerät MarSurf LD 130 der Mahr GmbH verwendet. Das Tastschnittverfahren läuft nach DIN EN ISO 3274 ab. Am Ende des Tastarms ist eine kegelförmige Diamantspitze mit einem Radius von 2μm und einem Winkel von 60° angebracht. Der Taster wird über die Oberfläche gezogen und wertet die durch das Profil hervorgerufenen Ausschläge als Oberflächenkennwerte aus [4].
Wie korrelieren nun taktile und optische Messungen? Um dieser Frage nachzugehen, hat das Team um die beiden Steinbeis-Leiter Prof. Dr.-Ing. Stephan Sommer und Dominik Helfrich vier Außenringe an ihren Außenflächen jeweils mit den taktilen und den optischen Verfahren gemessen: Die Ringe Nr. 1 und Nr. 2 hatten jeweils eine homogen geschliffene Oberfläche. Auf den Oberflächen der Außenringe Nr. 3 und Nr. 4 waren hingegen Riefen hinzugefügt, um mögliche Auswirkungen auf das Messergebnis zu beobachten. Die verwendeten Kennwerte der Messung waren unter anderem der Mittenrauwert Ra, die arithmetische Rautiefe Rz und die Schiefe Rsk nach DIN EN ISO 4287. Ra- und Rz-Werte wurden verwendet, da sie in der Industrie üblicherweise die Oberflächengüte von Wälzkörpern beurteilen. Den Rsk-Wert fügten die Wälzlagerspezialisten hinzu, weil er als weiterer beurteilender Kennwert dient: Wenn er negativ wird, erkennt er plateauartige Profile auf der Oberfläche. Solche Profile zeigen generell ein gutes Tragverhalten [5]. Die prozentualen Unterschiede zwischen den taktilen Werten und den optischen sind farblich in den Korrelationstabellen abgebildet. Die taktilen Ergebnisse sind grün markiert und bilden die Referenz.
„Über die Messung hinaus konnten wir tendenziell einen engeren Bezug zwischen dem taktilen und dem konfokalen Verfahren nachweisen“, erläutert Stephan Sommer, „gerade für die Ringe Nr. 3 und Nr. 4 stimmen die Werte der konfokalen Messung mit der taktilen Messung gut überein.“ Bei den Ergebnissen der Weißlichtmessung haben die Rsk-Werte eine größere Abweichung zu den taktilen Werten. Für die Ringe Nr. 1 und Nr. 2 unterscheiden sich auch hier die Rsk-Werte aus der Weißlichtmessung deutlich von den taktilen Werten. Die Unterschiede zwischen den konfokalen und den taktilen Ergebnissen liegen weitestgehend bei ±30% – ±50%. Lediglich der Rsk-Wert aus der konfokalen Messung des Rings Nr. 2 hat einen deutlichen Unterschied. Aus den Tabellen lässt sich schließen, dass die Kennwerte Ra und Rz der beiden optischen Verfahren gut mit den Kennwerten der taktilen Verfahren übereinstimmen. Der Weißlichtsensor gibt allerdings für die Bestimmung des Rsk einen positiveren Wert als der taktile Taster an. Da dieser Wert nahezu null ist, könnte daraus für die Oberflächen ein schlechteres Tragverhalten interpretiert werden als es in Wirklichkeit der Fall ist.
Welches Fazit ziehen die Wissenschaftler nun aus ihren Messungen? Aus den Ergebnissen der Korrelationstabellen wird deutlich, dass das konfokale Messprinzip nahezu 80% korrelierend zu dem taktilen Verfahren ist. Das Weißlichtprinzip hat hingegen nur eine 66%-ige Korrelation zu dem taktilen Verfahren. Die schlechtere Prozentangabe liegt darin begründet, dass die Rsk-Werte aus der Weißlichtmessung deutlicher von den taktil bestimmten Werten abweichen. Die Werte des Konfokalmikroskops ermöglichen hingegen größtenteils eine bessere Interpretation des Rsk-Werts. Doch die Abweichungen dürfen nicht zu sehr gewichtet werden: Es handelt sich um Unterschiede im Nanometer- Bereich, generell kann von einer Korrelation zwischen den beiden optischen und dem taktilen Verfahren ausgegangen werden. In der Wälzlagerindustrie genügen für gewöhnlich Angaben im Mikrometerbereich.
„Die optische Messung ist nicht nur für Rauheitsmessungen von Profilen vorgesehen, sondern hat weitere Besonderheiten. Durch die Flächenmessung können gleichzeitig mehrere Messpunkte analysiert werden. Aus den Höheninformationen kann unter anderem auch die Oberflächenstruktur sowohl zwei- als auch dreidimensional dargestellt werden“, macht Dominik Helfrich die Vorteile der Messmethode deutlich. Vor allem in der Zahnmedizintechnik finden optische Flächenmessungen aufgrund ihres kontaktlosen Funktionsprinzips eine Anwendung. Außerdem kann der Weißlichtsensor in einem fließenden Fertigungsprozess integriert werden. Da der Sensor in der Lage ist Linienmessungen durchzuführen, kann in kürzester Zeit eine automatisierbare 100%-Prüfung bewerkstelligt werden.
Literaturverzeichnis
[1] FRT GmbH: Bedienungsanleitung, Bergisch Gladbach: FRT GmbH, 2013.
[2] Gevatter, H.-J.; Grünhaupt U.: Handbuch der Mess- und Automatisierungstechnik in der Produktion, Berlin: Springer, 2006.
[3] FRT GmbH: Bedienungsanleitung FRT CFM DT, Bergisch Gladbach: FRT GmbH, 2013.
[4] DIN EN ISO 3274:1998-04, Geometrische Produktspezifikationen (GPS) – Oberflächenbeschaffenheit: Tastschnittverfahren – Nenneigenschaften von Tastschnittgeräten (ISO 3274:1996)
[5] DIN EN ISO 4287:2010-07, Geometrische Produktspezifikation (GPS) – Oberflächenbeschaffenheit: Tastschnittverfahren –Benennungen, Definitionen und Kenngrößen der Oberflächenbeschaffenheit (ISO 4287:1997)
Kontakt
Prof. Dr.-Ing. Stephan Sommer, Dominik Helfrich
Steinbeis-Transferzentrum Wälzlagertechnik (Herzogenaurach)
sowie Labor für Qualität, Fertigungsmess- und Wälzlagertechnik, Fakultät Maschinenbau, Hochschule für angewandte Wissenschaften Würzburg-Schweinfurt
Achraf Kouramola, Sebastian Dinkel, Daniel Wagenhäuser
Labor für Qualität, Fertigungsmess- und Wälzlagertechnik, Hochschule für angewandte
Wissenschaften Würzburg-Schweinfurt
Frank Pohli
Labor für Tribologie, Hochschule für angewandte Wissenschaften Würzburg-Schweinfurt