Netzwerk initiiert Forum für erfolgreiche KMU-Geschäftsmodelle durch partizipative Technikentwicklung
Technisches Wissen, Handeln und Entscheiden sollten in einer Demokratie nicht einigen wenigen Expertengruppen vorbehalten, sondern einer breiten Bevölkerungsschicht möglich sein. Dass dieser Ansatz eines neuen Bildungskonzepts bedarf, das technische Bildung als ein zentrales Bildungsgut von Aufklärung, Diskurs und Beteiligung (SozioMINT) betrachtet, ist naheliegend. Dass die deutsche Gesellschaft davon noch sehr weit entfernt ist, ist aus Sicht von zwei Steinbeis-Unternehmen und drei Hochschuleinrichtungen offensichtlich. Sie haben dies zum Anlass genommen, das gemeinsame Unternehmerforum „Soziotechnik und SozioMINT“ zu initiieren. Es widmet sich der Frage, unter welchen Bedingungen sich zukunftsweisende, innovative Technologien so entwickeln lassen, dass sie einerseits den gesellschaftlichen Anforderungen genügen und andererseits die Interessen und Bedürfnisse der Anwender berücksichtigen. Das Forum richtet sich vorrangig an den Mittelstand.
Die Vorstellungen darüber, wie die Zukunft gestaltet werden soll, prägen gesellschaftliche Leitbilder und haben Auswirkungen auf die gesellschaftliche Förderung in Forschung und Praxis. Die Auswahl von in sich oft divergierenden Leitbildern innerhalb einer Gesellschaft hängt hochgradig davon ab, welche gesellschaftlichen Gruppierungen an deren Entstehung beteiligt werden und wie intensiv sie ihre Interessen durchsetzen können. „Gesellschaftliche Gruppierungen üben damit massiven Einfluss auf Bedeutung und Dringlichkeit technischer Innovationen aus. Das zieht Konsequenzen für die Forschungs- und Entwicklungslandschaft in Industrie und Wissenschaft nach sich. Bei diesen Entscheidungen werden soziale Aspekte einer innovativen und gesellschaftlich tragfähigen Technikentwicklung häufig außer Acht lassen“, erläutert Dr. Maja Jeretin-Kopf, Leiterin des Steinbeis-Transferzentrums BATSolutions. Die wirtschaftliche Folge sind Produkte, die nicht oder anders genutzt werden als gedacht, die politische Folge sind ineffiziente Forschungsförderungen, die Folgen auf Seite der Individuen können Inakzeptanz oder Ignoranz sein.
Der Staat fördert Forschungs- und Entwicklungsvorhaben, doch die Innovatorenquote in Deutschland und international sinkt. Aber warum weisen deutsche Unternehmen trotz staatlicher Fördergelder nicht die zu erwartende Innovationskraft auf? Zu den Gewinnern der staatlichen Förderung zählen eher Großunternehmen, die eine hohe Anzahl an Patentanmeldungen vorweisen können. Zunehmende Marktkonzentration auf immer weniger Akteure führt dazu, dass sich die Innovationstätigkeit auf wenige große und wirtschaftlich starke Unternehmen beschränkt (EFI – Expertenkommission Forschung und Innovation [2018]: Gutachten zu Forschung, Innovation und technologischer Leistungsfähigkeit Deutschlands 2018).
Auch zahlreiche europäische Förderprogramme stellen den Mitgliedsstaaten Fördergelder zur Verfügung. Sie sollen zur Bewältigung großer gesellschaftlicher Herausforderungen eingesetzt werden, die auf nationaler Ebene nicht bewältigt werden können. Zur Mittelvergabe gelten Kriterien, in welchem technologischen Bereich geforscht werden soll. „Die Politik gibt die Zielrichtung für technische Innovationen vor auf der Grundlage der Annahme, dass sich die angestrebten Technologien auch als zukunftsträchtig erweisen. Zahlen belegen, dass hier ein Trugschluss vorliegt. Trotz großer Investitionsvolumen in Forschung und Entwicklung scheitern etliche Technologien an der Markteinführung oder Akzeptanz“, beurteilt Prof. Dr.-Ing. Rüdiger Haas, Leiter des Steinbeis- Transferzentrums Institute for Transfer Technologies and Integrated Systems SITIS, die Förderung kritisch.
Medizintechnologie könnte hier für eine Kehrtwende sorgen. Sie umfasst die Biomedizin samt Gentechnik und die klassische Medizintechnik im oftmals digitalen neuen Gewand und damit wesentliche Bereiche technischer Innovation. Die Wiedererlangung von körperlicher Autonomie und individueller Mobilität durch Exoskelette, Smart-Health-Systems und autonomes Fahren mit dem Rollstuhl oder PKW sind sozial kaum umstritten. Diese Systemlösungen haben eine hohe Akzeptanz, sie transportieren „humane Botschaften“ und lassen es sehr wahrscheinlich erscheinen, den Sinn derartiger technologischer Innovationen der Allgemeinheit vermitteln zu können. Dabei ist wichtig, dass ihre Entwicklung die Einbindung der Nutzergruppen erfordert. Damit können sie Vorreiter entsprechender Gesellschaftstechnologien sein, wie zuvor Smartphones und IT-Anwendungen, deren Entwicklung durch das Nutzerverhalten der Anwender stark beeinflusst wurde. Durch die Digitalisierung ist in diesem Bereich eine partizipative Produktentwicklung bereits bei der Entwicklung möglich.
Das Unternehmerforum „Soziotechnik und SozioMINT“ ist eine Plattform für Akteure aller gesellschaftlicher Gruppierungen, in der vorrangig ein Dialog mit den Entscheidern kleiner und mittelständischer Unternehmen ermöglicht werden soll. In der ersten Auftaktveranstaltung zum Thema „Biomedizin im Zeitalter der Digitalisierung“ werden Möglichkeiten einer partizipativen Technikentwicklung diskutiert. Steinbeis- Zentren und Unternehmen, die sich an diesem Dialog beteiligen möchten, sind dazu ausdrücklich eingeladen.
Kontakt
Information und Anmeldung zum Unternehmerforum: https://bat-kompetenztage.de
PD Dr. habil. Maja Jeretin-Kopf
Steinbeis-Transferzentrum BAT-Solutions (Karlsruhe)
www.bat-solutions.de
Prof. Dr.-Ing. Rüdiger Haas
Steinbeis-Transferzentrum Institute for Transfer Technologies and Integrated Systems SITIS (Karlsruhe)
www.sitis-karlsruhe.de
Hon.-Prof. Dr. Uwe Pfenning
Universität Stuttgart, Bereich Sozialwissenschaften (Stuttgart)
Prof. Dr. Christian Wiesmüller
Technische Bildung, Pädagogische Hochschule Karlsruhe (Karlsruhe)