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„Die zwischenmenschlichen Aspekte sollten nicht unterschätzt werden“

Im Gespräch mit Dr. habil. Gernot Barth und Bernhard Böhm, Leiter der Steinbeis-Beratungszentren Wirtschaftsmediation in Leipzig und Wien

Beim Transferprozess zwischen Unternehmen stehen Wissen und Technologien im Vordergrund. Warum dabei aber auch Kommunikation und sogar Emotionen eine wichtige Rolle spielen und wie die daraus resultierenden Konflikte gelöst werden können, erklären Dr. habil. Gernot Barth und Bernhard Böhm.

Herr Dr. Barth, Herr Böhm, Wissens- und Technologietransfer zwischen Unternehmen und Wirtschaftsmediation: Was verbindet diese zwei auf den ersten Blick nicht zusammengehörenden Themen?

Barth: Beim Wissens- und Technologietransfer handelt es sich oftmals um hochkomplexe Kommunikationsvorgänge. Dabei geht es vordergründig natürlich um die Weitergabe von Wissen und Informationen. Doch wie so oft spielen bei solchen Prozessen auch zwischenmenschliche Aspekte wie Vertrauen, Fairness, Kommunikation oder Wertschätzung eine Rolle. Auch können sich Unternehmenskulturen stark voneinander unterscheiden. So kann es passieren, dass mancher Transfer ohne einen moderierenden Part konflikteskalierend verläuft. Wirtschaftsmediation kann an dieser Stelle Unterstützung bieten. Präventiv im Vorfeld, begleitend oder in einer konkret eskalierten Situation.

Böhm: Ich denke, dass man hierbei auch das Feld des „ungewollten Wissenstransfers“ beispielsweise bei Joint Ventures berücksichtigen muss. Oft verstricken sich die Unternehmen dann in langwierige Rechtsprozesse, die das Vorankommen des eigentlichen Ziels, nämlich das gemeinsame Erreichen neuer Innovationen und Märkte, in weite Ferne rücken lässt. Hier bieten sich Mediationsverfahren besonders an, da sie schnelle, gemeinsame Lösungen ermöglichen. In jedem Fall ist dabei dann die Hinzunahme der Patentanwälte beider Seiten zu empfehlen. Mit Hilfe der Verfahrensleitung durch einen Wirtschaftsmediator können jedoch integrativere Lösungen gefunden werden als durch das konfrontative Verhandeln vor Gerichten und zwischen Rechtsabteilungen.

Konflikte sind so alt wie die Menschheit. Es gibt sie auf allen Ebenen des Zusammenlebens und eben auch beim zwischenunternehmerischen Transfer. Wie können sie gelöst werden und was sind die besonderen Herausforderungen dabei?

Böhm: Der erste Schritt ist zunächst, dass alle Beteiligten sich auf eine externe Begleitung einlassen und Vertrauen zum Mediator aufbauen. Dann ist es natürlich erforderlich, dass sich die Beteiligten auch persönlich treffen und miteinander sprechen. Dies klingt zunächst trivial. Es geht jedoch darum, anders zu kommunizieren, als es die Beteiligten vielleicht gewöhnt sind. In der Praxis ist dies meist die größte Herausforderung. Es geht also darum, die eigenen Anliegen, Ziele und Vorstellungen so zu artikulieren, dass die „Gegenseite“ sie verstehen und respektieren kann und damit eine tragfähige und dauerhafte Lösung möglich wird.

Dies ist dann die Grundlage für eine funktionierende Beziehung und bei einem Wissens- und Technologietransfer geht es ja vielfach um die Herstellung von Beziehungen, um so Sachaufgaben zu lösen. Während einer Mediationssitzung kann in einem solchen Zusammenhang darüber gesprochen werden, welche Erwartungen alle Teilnehmer an den konkreten Transferprozess haben. Wichtig dabei ist, dass tatsächlich alle betroffenen Parteien beteiligt werden. Eine besondere Herausforderung ist es dabei den Kommunikationsprozess auch jenseits von Hierarchien oder Unternehmenszugehörigkeiten zu ermöglichen. Dabei kommt es natürlich immer wieder zu spannungsgeladenen Situationen. Besonders wenn Unternehmen in Konkurrenz zueinander stehen oder unterschiedliche Kulturen wie Hochschule, Forschung, Konzern und Mittelstand aufeinandertreffen. Wichtig ist dann, eine möglichst transparente und faire Kommunikationsebene zu finden. Außerdem gehört es zum Handwerkszeug des Mediators, sich dabei nicht auf die eine oder andere Seite ziehen zu lassen, sondern die Allparteilichkeit und Neutralität zu wahren.

Barth: Genauso spielen beim zwischenunternehmerischen Wissenstransfer Ängste und Machtspiele eine Rolle. Besonders Ängste, wie zum Beispiel Verlust- und Existenzangst, werden im Wirtschaftsbereich aus unserer Erfahrung nicht thematisiert und geradezu tabuisiert, weil dies als Eingeständnis von Schwäche gesehen werden könnte. Auch fehlende Anerkennung für das „eigene Wissen“ könnte eine Rolle spielen. Die Emotionen bleiben jedoch unterschwellig präsent und leiten die Menschen in ihrem Handeln. Dies geschieht oft durch scheinbar irrationale Argumentationen, deren Motive jedoch in den zugrundeliegenden Emotionen begründet sind. Diese Konstellationen bilden dann den Nährboden für Konflikteskalationsspiralen, in denen aus einer Meinungsverschiedenheit ausgewachsene und den Wissenstransfer lähmende Konfliktkonstellationen entstehen.

Es gibt natürlich auch Wissenstransfer in Unternehmen, wenn beispielsweise Mitarbeiter ausscheiden oder ein Team umstrukturiert wird. Dann geht es oftmals um die Frage, welches Wissen an wen weitergegeben werden soll. Oft ist besonders das implizite Erfahrungswissen von entscheidender Bedeutung, was die erfolgreiche Weiterführung des Unternehmens betrifft. Auch hier kann der Mediator dem Team oder einzelnen Mitarbeitern klärend und moderierend zur Seite stehen.

Der Transfer zwischen Unternehmen bringt unterschiedliche Menschen mit einem breiten Spektrum an Fachwissen zusammen. Benötigen Sie, um zwischen diesen vermitteln zu können, auch Wissenstransfer aus anderen (Steinbeis-)Unternehmen?

Barth: Natürlich bereiten wir uns auf Beratungen vor. Dabei ist unser Netzwerk aus Experten und Fachleuten aus unterschiedlichen Bereichen, das wir innerhalb der letzten zehn Jahre aufgebaut haben, von großer Bedeutung. Konkret zum Steinbeis-Netzwerk gefragt, würden wir uns tatsächlich einen noch intensiveren Austausch wünschen.

Böhm: Generell ist es von Vorteil, wenn der Mediator schon vorab die Zusammenhänge in einer Branche überblickt und auf gewisse mögliche Konfliktherde vorbereitet ist. Allerdings haben wir auch schon erlebt, wie hilfreich es für die Medianden sein kann, wenn die Strukturen von außen betrachtet werden. Der Mediator schaut dann sozusagen ganz unbelastet auf Branchen, Strukturen und Inhalte. So ergeben sich allein durch das Nachfragen des Mediators oftmals für die Parteien unerwartete Perspektiven und neue Lösungsansätze.

Der Wissens- und Technologietransfer zwischen Unternehmen wird im Zuge der zunehmenden digitalen Transformation und Industrie 4.0 immer mehr an Bedeutung gewinnen. Welche Auswirkungen wird das auf Ihre Arbeit als Mediator und Berater haben?

Barth: Auch in der Mediationsszene wird immer wieder über die Möglichkeiten der sogenannten Online-Mediation diskutiert. Wir sind der Entwicklung von Online-Tools im Rahmen einer Mediation positiv gegenüber eingestellt. Bereits vor fünf Jahren haben wir uns im Rahmen eines EU-Projektes mit konkreten technischen Möglichkeiten der Online- Mediation beschäftigt und auf diesem Feld Pionierarbeit in Deutschland geleistet. Damals galt es noch als schwierig eine wirklich stabile Breitband-Internetverbindung zur Verfügung zu haben. In der Zwischenzeit haben wir selbst in Deutschland – das ja aufgrund seines langsamen Ausbaus der Breitbandverbindungen in der Kritik steht – wesentlich bessere Bedingungen. Zudem hat sich natürlich auch die Videokonferenz- Technik weiterentwickelt und arbeitet ressourcensparender. Diese Technik ist gerade im Bereich der Wirtschaftsmediation von großer Bedeutung. Die Nutzung digitaler Medien wird also in Zukunft immer relevanter werden, gerade bei Beratungs-, Coaching- und Mediationsprozessen. Davon sind wir überzeugt.

Böhm: Für den Mediator ist natürlich wichtig dafür zu sorgen, dass das Verfahren reibungslos verläuft und dass keine Störungen während des sensiblen Konfliktlösungsprozesses eintreten. Dies muss geübt und erprobt sein. Auch Aspekte der Vertraulichkeit müssen stets beachtet werden. Auch wenn mittlerweile sehr viel Kommunikation und Wissenstransfer über internetbasierte Technik vonstattengeht – zum Beispiel mit Hilfe von Wikis – sollten dabei die zwischenmenschlichen Aspekte nicht unterschätzt werden. Konflikte, die zu allererst von Emotionen ausgelöst werden, haben ihren Ursprung in der menschlichen Natur und werden auch zwischen Menschen ausgetragen.

Kontakt

Dr. habil. Gernot Barth und Bernhard Böhm sind Leiter der Steinbeis- Beratungszentren Wirtschaftsmediation in Leizig und Wien. Die Steinbeis- Unternehmen sind auf Mediation spezialisiert, vorwiegend im innerbetrieblichen Bereich, in der firmenübergreifenden Zusammenarbeit sowie im öffentlichen Bereich beziehungsweise in der Verwaltung. Hinzu kommt die Begleitung von Führungskräften und Mitarbeitern in Konfliktsituationen durch Konflikt-Coaching und Supervision.

PD Dr. habil. Gernot Barth
Steinbeis-Beratungszentrum Wirtschaftsmediation (Leipzig)
www.steinbeis-mediation.com

RA Bernhard Böhm
Steinbeis-Beratungszentrum Wirtschaftsmediation (Wien)