Lage einer unipolaren Stimulationselektrode in einem koronalen Hirnschnitt

Das Hirn stimuliert

Steinbeis-Team entwickelt Stimulator zur tierexperimentellen Parkinson-Erforschung

Die Parkinsonkrankheit ist eine Erkrankung des Gehirns, die mit dem fortschreitenden Verlust von Nervenzellen einhergeht. Die Tiefe Hirnstimulation (THS) ist eine relativ neue Behandlungsmethode, bei der unterhalb der Großhirnrinde eine kleine Hirnregion elektrisch stimuliert wird, die unter anderem für die unbewusste Steuerung der Willkürmuskulatur zuständig ist. Neuere Entwicklungen ermöglichen es, mit Hilfe der THS die Parkinson-Symptome bereits in früheren Stadien zu behandeln. Trotz des medizinischen Erfolgs der THS wird über den genauen Wirkmechanismus noch immer spekuliert, so dass für die Therapie bisher nur empirische Verbesserungen möglich sind. Gemeinsam mit dem Lehrstuhl für Biophysik der Universität Rostock und der Rückmann und Arndt GbR aus Berlin hat das Steinbeis-Transferzentrum Zell-Manipulations- und Monitoring-Systeme (CMMS) eine Stimulatorplatine und Stimulationselektroden entwickelt, die Langzeit-THS-Studien ermöglichen.

Zur Parkinson-Behandlung im fortgeschrittenen Stadium wurden ursprünglich Läsions-Operationen durchgeführt, bei denen man ein Kerngebiet des Thalamus im Zwischenhirn zerstörte. Dabei wurden die Krankheitssymptome gemildert, indem man eine fehlerhafte Verschaltung unterbrach, die durch den fortschreitenden Ausfall der schwarzen Nervensubstanz entsteht. Zur Lokalisation des optimalen Läsionsortes während der Operationen verwendeten die Ärzte eine Stimulationselektrode. Die bereits während der Operation erkennbaren positiven Effekte dieser elektrischen Stimulation führten zur Idee der Entwicklung der THS-Therapie. Ungewöhnlich dabei: Der Therapieeinsatz einer operativen Methode am Menschen ohne vorherige Untersuchungen an einem geeigneten Tiermodell.

Weil sich systematische invasive Untersuchungen am Menschen aus ethischen Gründen verbieten und zellbasierte In-vitro-Verfahren das komplexe Krankheitsbild leider nicht abbilden können, sind für die Erforschung der neuronalen Mechanismen der THS und ihrer Optimierung Tiermodelle, wie beispielsweise Ratten, zurzeit unverzichtbar. Der Größenunterschied zwischen den Hirnen der Ratte und des Menschen führt jedoch dazu, dass sich die Stimulationsbedingungen der klinischen Therapie nicht 1:1 auf das Tiermodell übertragen lassen. Um dennoch aussagekräftige experimentelle Ergebnisse zu erzielen, haben der Lehrstuhl für Biophysik der Universität Rostock, Rückmann und Arndt und das Steinbeis-Transferzentrum Zell-Manipulationsund Monitoring-Systeme (CMMS) in Rostock speziell auf die Anatomie der Ratte abgestimmte Elektroden und Stimulatoren entwickelt und getestet. Der Vorteil dieser mobilen Stimulatoren liegt in der Möglichkeit, erstmalig repräsentative Langzeitstudien an vollkommen frei beweglichen Tieren über bis zu sechs Wochen kontinuierlicher Dauerstimulation durchzuführen. Übertragen auf den Menschen entspricht dieser Zeitraum einer Stimulationsdauer von etwa 4,5 Jahren. Damit wurden die Beschränkungen der bisherigen Tierstudien, beispielsweise durch behindernde externe Kabelbäume, überwunden.

Im Tierexperiment an der Klinik und Poliklinik für Neurologie an der Universität Rostock wird eine einseitige, sogenannte Hemiparkinson- Erkrankung induziert. Dadurch wird für den Test motorischer Funktionen ein Vergleich von gesunder und erkrankter Seite möglich. Die Stimulationselektroden werden in den subthalamischen Nukleus der erkrankten Seite implantiert. Die Tests müssen parallel an gesunden, scheinläsionierten und Schein-THS-behandelten Tieren durchgeführt werden. Um Langzeiteffekte der THS auf die Sensomotorik und Emotionalität zu studieren, werden die chronisch instrumentierten, frei beweglichen Hemiparkinson-Ratten zu unterschiedlichen Zeitpunkten im Krankheitsverlauf auf ihr Verhalten untersucht.

Das Projektteam um die Steinbeis-Forscher konnte mit dem neuen System in den Verhaltenstests signifikante Läsions- und Therapieeffekte nachweisen. Damit stellt das Modell eine vielfältig einsetzbare Plattform zum Testen unterschiedlicher Stimulationsparameter, wie zum Beispiel neuartiger Elektroden oder unerforschter Zielgebiete dar. Die stabile chronische Instrumentierung eignet sich auch für andere Tiermodelle von Erkrankungen, bei denen eine klinische THS Erfolg verspricht. Neben den bereits für die THS zugelassenen Bewegungsstörungen wie der Parkinsonerkrankung, der Dystonie und dem essentiellen Tremor (Zwangszittern) gibt es weitere Indikationen wie Zwangsstörungen, bei denen zukünftig THS eingesetzt werden könnte.

Kontakt

Prof. Dr. habil. Jan Gimsa
Steinbeis-Transferzentrum Zell-Manipulations- und Monitoring-Systeme (CMMS) (Rostock)

Dr. Kathrin Badstübner
Universität Rostock, Klinik und Poliklinik für Neurologie (Rostock)

Dr. Robert Arndt
Rückmann und Arndt GbR (Berlin)