Biodistribution im Organismus und Gesundheitsrisiko von Nanopartikeln (modifiziert nach Steinhoff G. und Tiedemann G.)

Krank durch Nanopartikel?

Steinbeis-Experten setzen die Erkenntnisse aus der Stammzellforschung in der Umwelttoxikologie ein

Die partikuläre Luftverschmutzung entwickelt sich zu einem der Hauptfaktoren für die Entstehung von Herz-Kreislauf-, Blut- und Tumorerkrankungen. Dieses Risiko rückt durch die zunehmende Exposition von Nanopartikeln, die in Verbrennungsmotor-Abgasen, medizinischen und kosmetischen Verbraucherprodukten sowie Lebensmittelzusatzstoffen enthalten sind, immer mehr in den Fokus der Gesundheitsdiskussion und erfordert eine sorgfältige Analyse der biologischen Auswirkungen als Grundlage für regulatorische Maßnahmen und Produktzulassungen. Mit deren Entwicklung beschäftigen sich die Experten im Steinbeis-Transferzentrum Herz-Kreislaufforschung.

Die Einatmung von Partikeln in durch Motorabgase verunreinigter Luft und weitere Umweltbelastungen mit ultrafeinen Nanopartikeln (<100 nm) haben sich als wesentliche Faktoren für die Entstehung von Herz-Kreislauf-, Autoimmun- und Krebserkrankungen herausgestellt. Dazu kommt, dass durch die zunehmende Verwendung von industriell hergestellten metallischen und chemischen Nanopartikeln in medizinischen und kosmetischen Verbraucherprodukten und insbesondere auch Lebensmitteln die Umweltexposition drastisch steigt und mehr und mehr Sicherheitsbedenken auslöst. Ausgangspunkt für die Toxizität ist die unkontrollierte Aufnahme von ultrafeinen Nanopartikeln über die Lunge, den Darm und die Haut im Gegensatz zur Abwehrkontrolle größerer Partikel durch die Abwehrzellen.

Die Experten im Steinbeis-Transferzentrum Herz-Kreislaufforschung in Rostock haben sich in den letzten Jahren mit der Aufnahme und Verarbeitung von metallischen und polymerbeschichteten Nanopartikeln in den Stammzellen des menschlichen Knochenmarks beschäftigt. Diese Stammzellen können sowohl die Aufnahme von bestimmten Nanopartikeln verarbeiten wie auch Funktionsschäden entwickeln. Aus der Erkenntnis, dass die Zellkern-Schädigung und Genmutation von Stammzellen im Körper entscheidende Ausgangspunkte für die Entstehung von Krankheiten sind, haben die Steinbeis-Experten jetzt ihre hochentwickelte Analytik mit hochauflösender Lichtmikroskopie (Zeiss Elyra PS-1) und molekularer Charakterisierung der Funktion (GLP) von Stammzellen im Körper auf Schädigungsmechanismen ausgerichtet. Dadurch wird das Know-how aus der Stammzellforschung direkt in der Umwelttoxikologie angewendet.

Aktuell spielt die regulatorische Befassung mit dieser neuen Sachlage eine große Rolle in der Europäischen Union, da das Komitee für Risikoerfassung von gesundheitsgefährdenden Stoffen der ECHA (European Chemicals Agency) einen Bericht über die hohe Gesundheitsgefährdung von Titandioxyd-Nanopartikeln publiziert hat, der zu verschärften regulatorischen Maßnahmen durch die EU-Kommission führen soll. Die Aufnahme von Titandioxyd und anderen Nanopartikeln in den Körper durch die Lungenalveolen und die Relevanz für die Entstehung von Erkrankungen ist aufgezeigt worden. Dabei wird zusätzlich zur lokalen Entzündungsreaktion in der Lunge, die sich zu Asthma entwickeln kann, eine körperweite Entzündung verursacht, die auf die Proliferationsaktivierung von Stammzellen zurückgeführt werden kann. Hier spielt die Translokation von ultrafeinen Nanopartikeln über das Blut in die Körperzellen eine vorher nicht vermutete wichtige Rolle, insbesondere die Aufnahme in die hochreplikativen Zellen – den Stammzellen im Knochenmark, Immunsystem und den Organen. Hierbei kann insbesondere bei chronischer Entzündungsstimulation durch die Partikel eine Genotoxizität (u. a. Mutationen) ausgelöst werden, was zu autoimmunen, rheumatischen, Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder auch Krebsentartung der Stammzellen führen kann. Insofern ist die Zellaufnahme von jedem ultrafeinen Nanopartikel primär ein Schadensfaktor von Zellkernen bei Stammzellen, insbesondere wenn sie die Kernmembran durch deren Poren von 30 nm frei passieren können. Deshalb sind neue diagnostische Verfahren zur Beurteilung der Genotoxizität und Mutationsanalysen von Stammzellen nach Exposition mit Nanopartikeln dringend notwendig, um die Sicherheit der Exposition besser beurteilen zu können.

Dies hat insbesondere große Bedeutung für den Schutz des wachsenden Organismus in der Schwangerschaft und während des Wachstums. Daraus muss sich ein gesicherter Umgang ähnlich wie bei chemischen Stoffen, Strahlung und Seucheninfektion ableiten. Um diese Aufgabe zu bewältigen, ist interdisziplinäre Arbeit notwendig: Das Steinbeis-Transferzentrum Herz-Kreislaufforschung arbeitet eng mit Stammzellexperten, Naturwissenschaftlern, Biotechnologen, Informatikern und Medizinern zusammen, um die dafür benötigte Analytik und medizinische Risikoanalyse zu entwickeln.

Kontakt

Professor Dr. med. Gustav Steinhoff

Professor Dr. med. Gustav Steinhoff, Professor für Herzchirurgie an der Universität Rostock und Leiter des Referenz- und Translationszentrums für kardiale Stammzelltherapie, ist einer der international führenden Experten in der Regenerativen Medizin, der kardialen Stammzelltherapie und der Gentherapie mit Nanopartikeln. Seit 2002 leitet er das Steinbeis-Transferzentrum Herz- Kreislaufforschung an der Universität Rostock und bietet seinen Kunden anwendungsorientierte wissenschaftliche Auftragsforschung im Bereich Herz-Kreislauf, präklinische Entwicklung, Evaluierung und Sicherheitstestung von kardiovaskulären Biomaterialien, Transplantaten und Implantaten sowie die Erarbeitung von Richtlinien für medizinische Therapieverfahren und von medizinisch-ethischen und ökonomischen Grundlagen zur Weiterentwicklung der Therapie von Herz-Kreislauferkrankungen. fen, Strahlung und Seucheninfektion ableiten. Um diese Aufgabe zu bewältigen, ist interdisziplinäre Arbeit notwendig: Das Steinbeis-Transferzentrum Herz-Kreislaufforschung arbeitet eng mit Stammzellexperten, Naturwissenschaftlern, Biotechnologen, Informatikern und Medizinern zusammen, um die dafür benötigte Analytik und medizinische Risikoanalyse zu entwickeln.

Professor Dr. med. Gustav Steinhoff
Steinbeis-Transferzentrum Herz-Kreislaufforschung (Rethwisch-Borgerende)