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Die Enzymersatztherapie überzeugt

Steinbeis-Team forscht an Verfahren für Diagnostik und Therapie von lysosomalen Speichererkrankungen

Lysosomale Speichererkrankungen (Lysosomal Storage Diseases, LSD) sind eine Gruppe von Stoffwechselkrankheiten, bei denen ein spezifisches defektes Enzym zu schweren krankhaften Veränderungen von Organen führt. Obwohl jede Erkrankung für sich selten auftritt, ist das generelle Vorkommen relativ hoch (etwa 1: 8.000). Je nach defektem Enzym können LSDs vielfältige Schäden im Organismus verursachen: unter anderem Leber- und Nierenschäden, Herzinfarkt oder neurologische Schäden. Unter verschiedenen individuellen Therapien hat sich in jüngster Zeit die Enzymersatztherapie (Enzyme Replacement Therapy, ERT) als erfolgreich erwiesen, bei der das fehlende/defekte Enzym durch Infusion des humanen rekombinanten Proteins zugeführt wird. Die ERT ist bei einer Reihe von LSDs erfolgreich, jedoch sehr aufwändig: Pro Patient fallen im Jahr bis zu 300.000 Euro Behandlungskosten an. Das Steinbeis-Transferzentrum Biopolymeranalytik und Biomedizinische Massenspektrometrie forscht an alternativen Behandlungsmethoden.

Ein Hauptproblem der ERT ist die Bildung von Antikörpern gegen das synthetische Enzym, was zu schweren allergischen Reaktionen führt (Quellen 1-6). Die Antikörper binden das therapeutische Enzym und führen zu einer Neutralisierung und Verhinderung der therapeutischen Wirkung. Die Therapie kann in vielen Fällen dann nur noch weitergeführt werden, wenn die Patienten mit starken immunsuppressiven Medikamenten behandelt werden, die jedoch ebenfalls schwere Nebenwirkungen hervorrufen. Alternative Therapiemöglichkeiten zur Blockierung oder Entfernung der Antikörper sind daher in der Enzymersatztherapie – wie generell in der Therapie mit Proteinen – von großem Interesse.

Antikörper binden jeweils nur kurze spezifische Peptidabschnitte eines Proteins, sogenannte Epitope, deren Struktur und Bindungsaffinität entscheidend für die Spezifität eines Antikörpers sind. Die Strukturidentifizierung von Epitopen und deren Affinitätsbestimmung sind von wesentlicher Bedeutung, unter anderem für die medizinische Entwicklung von diagnostischen und therapeutischen Biomarkern, können mit konventionellen Methoden bisher aber nicht erreicht werden. Zur Epitop- Identifizierung von Antikörpern haben die Experten am Steinbeis- Transferzentrum Biopolymeranalytik und Biomedizinische Massenspektrometrie in Rüsselsheim eine Kombination aus Oberflächenplasmonresonanz (SPR)-Biosensoranalyse und Massenspektrometrie (MS) entwickelt, sie ermöglicht erstmals die simultane molekulare Identifizierung und Affinitätsbestimmung von Antikörper-Epitopen. Und der Erfolg ist bestätigt: Die Anwendbarkeit und Effizienz der neuen Kombination konnte bereits durch die erfolgreiche Epitop-Identifizierung einer Reihe von Antikörper-Protein-Komplexen validiert werden (Quelle 7).

Vor kurzem hat das Steinbeis-Team in Rüsselsheim nun erfolgreich eine Epitopanalyse an Antikörpern durchgeführt, nachdem eine Enzymersatztherapie der Fabry-Krankheit (FD, Fabry’s disease) stattgefunden hatte. Die Fabry-Krankheit ist eine lysosomale Speicherkrankheit, die neurologische, Haut-, Nieren-, Herz-Kreislauf- und andere pathologische Effekte mit sich bringt. Die Krankheit wurde in Europa bisher bei rund 5.000 Patienten nachgewiesen und wird durch Mutationen eines Gens auf dem X-Chromosom verursacht. Die Behandlung der Fabry- Krankheit durch Enzymersatztherapie wurde in den letzten Jahren mit Erfolg unter anderem durch die Genzyme GmbH entwickelt, mit der das Steinbeis-Team seit Jahren zusammenarbeitet und 2010 den Transferpreis der Steinbeis-Stiftung erhielt. Die Patienten erhalten bei der Enzymersatztherapie Infusionen des rekombinanten humanen Enzyms. Trotz der erfolgreichen Therapie sind Immunreaktivität und Immunglobulin-Antikörper-Bildung wesentliche Therapie-Begrenzungen und können zu lebensbedrohlichen Komplikationen führen.

Die Identifizierung, chemische Synthese und Optimierung der Affinität und Stabilität von Antikörper-Epitopen eröffnet neue Möglichkeiten, um Reaktionen des Immunsystems zu vermeiden und die therapeutische Wirksamkeit der ERT von lysosomalen Speichererkrankungen zu erhöhen. Dazu sind zwei Behandlungen möglich: Zum einen kann der Patient mit dem Epitop-Peptid zur Neutralisierung der Antikörper vorbehandelt werden, zum anderen können die Antikörper durch eine spezifische Blutwäsche entfernt werden. Beide Verfahren sollten die Wirksamkeit von therapeutischen Verfahren mit Proteinen signifikant erhöhen und neue Entwicklungen und klinische Anwendungen von Epitop- Peptiden als therapeutische Leitstrukturen und spezifische Diagnostika ermöglichen.

Kontakt

Prof. Dr. Michael Przybylski

Prof. Dr. Michael Przybylski ist Leiter des Steinbeis-Transferzentrums Biopolymeranalytik und Biomedizinische Massenspektrometrie und forscht mit seinen Mitarbeitern Loredana Lupu und Pascal Wiegand in diesem Themenbereich. Zu seinen Schwerpunktthemen zählen die Strukturaufklärung von Membranproteinen, die Synthese und Strukturanalytik modifizierter Proteine sowie Erkennungsstrukturen in Autoimmunerkrankungen.

Steinbeis-Transferzentrum Biopolymeranalytik und Biomedizinische Massenspektrometrie (Russelsheim am Main)
https://affymslifechemde.wordpress.com

 

Dr. Stefan Maeser

Dr. Stefan Maeser forscht und entwickelt für die Biogen GmbH, einem weltweit aktiven Biotechnologie-Unternehmen. Biogen entwickelt, produziert und vertreibt innovative Medikamente für Menschen mit schweren neurologischen Erkrankungen, Autoimmunerkrankungen und seltenen Erkrankungen.

Biogen GmbH (Ismaning)

 

Loredana Lupu

Pascal Wiegand