Im Gespräch mit Professor Dr. Armin Trost, Professor für Personalmanagement an der Hochschule Furtwangen
Diversity im Personalmanagement: Die Vielfalt in der Gesellschaft führt zu Vielfalt in der Arbeitswelt. Wie gehen die Personalmanager damit um, welche Herausforderungen sind dabei zu bewältigen und was bedeutet diese Entwicklung für die Mitarbeiter? Diese Fragen hat Professor Dr. Armin Trost, Professor für Personalmanagement an der Hochschule Furtwangen, der TRANSFER beantwortet.
Herr Professor Trost, gesellschaftliche, technologische und wirtschaftliche Trends verändern unsere Arbeitswelt und bringen neue Herausforderungen für Personalmanager mit. Welche Rolle spielt dabei das Thema Diversity?
Diversity spielt eine große Rolle und zwar aus mehreren Gründen. Zum einen haben wir es in Zeiten der Digitalisierung mit sehr komplexen Herausforderungen zu tun, die innovative, neue Ideen erfordern. Diese können nur in Teams oder in Netzwerken bewältigt werden, in die unterschiedliche Perspektiven miteinbezogen werden können. Es macht wenig Sinn, wenn sich eine Gruppe von gleichdenkenden, gleichartigen Menschen zusammensetzt, die sich immer sehr schnell einig sind. Es braucht ein Setting, in dem sehr unterschiedliche Menschen – vielleicht auch Spinner, ungewöhnliche Menschen, Querdenker – zusammenkommen, Regeln brechen und Dinge wirklich aus ganz unterschiedlichen Perspektiven betrachten, weil sie anders sind, eine andere Herkunft und einen anderen sozialen Hintergrund haben. Wir wissen, dass Vielfalt auch zu einer größeren Bandbreite an Ideen führt, und genau die brauchen wir heute in einer Welt, die nicht mehr vorhersagbar ist. Zum anderen ist es so, dass alle Unternehmen in bestimmten Berufsbereichen erhebliche Probleme haben gute Leute zu finden. Das ganze Thema Personalgewinnung oder Talentakquisition ist nach wie vor ein großes Thema. Wir sehen Unternehmen beispielsweise in der Automobilzuliefererindustrie, die in den vergangenen Jahren immer erfolgreich waren Ingenieure oder Fahrzeugtechniker zu gewinnen, jetzt aber Softwareentwickler suchen, die aber diese Unternehmen oft nicht auf dem Radar haben. Es ist ein Fehler, Leute mit sehr kleinteiligen, differenzierten Anforderungsprofilen zu suchen, weil es die, so wie wir sie uns vorstellen, nicht gibt. Das bedeutet, dass sich Unternehmen öffnen müssen. Sie müssen Mitarbeitende einstellen, die vielleicht nicht genau einem bestimmten Profil entsprechen, aber bestimmte Fähigkeiten mitbringen, bei denen man davon ausgehen kann, dass sie andere Dinge auch lernen können. Der Fachkräftemangel zwingt uns dazu Leute zu gewinnen, die wir vielleicht früher so nicht eingestellt hätten.
Wie sieht eine wirksame Diversity-Strategie im Personalmanagement aus und was bedeutet Diversity explizit für die Personalentwicklung?
Wir müssen vom Denken in klar definierten Anforderungen wegkommen. Bei Diversity gibt es im Grunde zwei Möglichkeiten. Die eine bedeutet, statistisch und in Kennzahlen zu denken, die wir versuchen zu erreichen: „Diversity ist bei uns schon ganz gut umgesetzt, wir haben schon 23% Frauen in Führungspositionen” oder „wir haben in der Geschäftsführung bereits 1/3 nicht-deutsche Mitglieder“. Diversity wird dabei mit Variationen, Standardabweichungen verwechselt. Aber auch das ist eine Strategie, die man fahren kann. Eine andere Strategie ist, Diversity nicht als statistische Vielfalt sondern als Wertschätzung von Individualität zu sehen. In diesem Fall ist Diversity vor allem eine Frage des Mindsets – der Einstellung, der Geisteshaltung: Der Mensch wird dabei so wertgeschätzt wie er ist, unabhängig von seinem Geschlecht, Alter, seiner Herkunft. Und jetzt kommt noch ein weiterer Punkt hinzu: Unternehmen haben häufig Talent-Pools mit ausgewählten Nachwuchskräften und High Potentials. In diesen Pools gibt es häufig tatsächlich eine statistische Vielfalt, beispielsweise sind oft viele Frauen enthalten. Aber wenn man dann schaut, wer nachher wirklich Spitzenpositionen erreicht, sind es wieder nur Männer. Da stimmt irgendetwas nicht. Offenbar gibt es viele Frauen, die alles notwendige mitbringen: Sie sind motiviert, talentiert, super ausgebildet, schaffen es aber doch nicht in die Spitzenpositionen. Dafür gibt es eine einfache Erklärung: Gerade bei den Führungspositionen haben wir eine Einstellung, die in gewisser Weise familienfeindlich ist, manche würden sie vielleicht sogar asozial nennen. Eine Führungskraft muss immer da, immer erreichbar sein, sie ist die erste, die morgens aufs Schiff kommt, und verlässt es abends als letzte. Und solange wir diese Vorstellung von einer Führungskraft haben, gibt es glücklicherweise viele Menschen – und dazu gehören viele Frauen – die sagen: „Den Preis bin ich nicht bereit zu bezahlen“. Wir kommen also nicht umhin, beim Thema Personalentwicklung, insbesondere Talentmanagement, auch an den Rahmen- und Arbeitsbedingungen zu rütteln. Beispiele dafür sind Führung in Teilzeit oder Jobsharing bei Führungspositionen. Allein eine Quote zu haben ist einfach zu kurz gegriffen, man muss die Regeln, Strukturen und Prozesse verändern. Nur so können Werte und Kultur im Unternehmen geändert werden.
Moderne Personalgewinnung in Zeiten der Digitalisierung und Vielfalt – wo sollen Ihrer Meinung nach die Unternehmen ansetzen?
Bei der Personalgewinnung müssen Unternehmen ihre Bedarfe priorisieren: Es gibt Personalbedarfe, die auch in Zukunft sehr einfach mit einer Stellenanzeige zu decken sein werden (Simple Hiring). Dann gibt es aber andere Jobs oder Funktionen, bei denen eine Stellenanzeige nichts bringt und die schwer zu besetzen sind (Difficult Mass Hiring). Auf jeden Fall muss ich zu Beginn meine Bedarfe klar definieren. Und erst wenn ich das gemacht habe, kann ich entscheiden, wie ich vorgehe. Wo schalte ich eine Stellenanzeige, brauche ich eine Arbeitgebermarke, benötige ich eine Personalberatung? Und diese Vorgehensweise sehe ich aktuell noch bei ganz wenigen Unternehmen. Die meisten Unternehmen versuchen es mit der Stellenanzeige und wenn das nicht klappt, rufen sie den Headhunter an und ab da wird es extrem teuer. Momentan explodieren in den meisten Unternehmen die Kosten für Personalberatung. Dabei muss gerade der Personaler wissen, wo er sich ein sehr detailliertes Jobprofil leisten kann und wo nicht, meine Erfahrung zeigt aber, dass es oft nicht der Fall ist. Des Weiteren muss ich bei bestimmten Bedarfen die Führungskraft mit ins Boot holen und ihr bewusst machen, dass es ohne sie nicht geht: Man muss gemeinsam überlegen, wo wollen wir suchen, wie wollen wir die Leute ansprechen.
Die Zukunft wird eine immer stärker werdende Differenzierung des Menschen als Individuum und seiner vielfältigen Eigenarten mit sich bringen. Wie kann, wie soll das Personalmanagement der Zukunft darauf reagieren?
Es gibt eine Definition von Personalmanagement, die lautet: „Wir sorgen für den richtigen Mitarbeiter zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Platz.“ Deshalb überlegen wir erst einmal, wer ist der richtige Mitarbeiter, wann und an welchem Platz, dann suchen oder entwickeln wir die Leute dahin. Ich tue also etwas mit den Menschen, damit sie dann so sind wie sie sein sollen. Das ist jetzt ein bisschen überspitzt, aber so dachte man im Personalmanagement schon immer. Jetzt gehen die Personaler immer mehr dazu über, dem Mitarbeiter die Verantwortung für seine Entwicklung, sein Lernen, seine Zukunft im Unternehmen zu geben. Und wenn man so denkt, dann lässt man der Individualität viel mehr Raum. Das ist eine Denkweise, die vielen Unternehmen noch unfassbar fern liegt. Die Mitarbeiter befähigen – das ist das Stichwort. Und jetzt überlege ich mir im Personalmanagement, wie kann ich den Mitarbeiter unterstützen, ihm die Türen öffnen. Das ist eine Grundhaltung im Personalmanagement, die immer mehr an Bedeutung gewinnt. Man darf dabei aber die Individualität nicht mit Egoismus verwechseln. Es geht einfach darum, dass der Einzelne mehr Verantwortung für seine Zukunft und seinen Beitrag im Unternehmen übernimmt.
Kontakt
Professor Dr. Armin Trost lehrt und forscht an der Business School der Hochschule Furtwangen. Seine Schwerpunkte bilden Talent Management, Personalgewinnung und die Zukunft der Arbeit. Zuvor hatte er eine Professur an der FH Würzburg inne. Bei SAP war er mehrere Jahre weltweit für Recruiting verantwortlich. Seit 2005 berät Armin Trost Unternehmen unterschiedlicher Größe und Branchen erfolgreich in strategischen, personalpolitischen Fragen.
Professor Dr. Armin Trost
Fakultät für Wirtschaft der Hochschule Furtwangen (Furtwangen)