Dr. Christian May

„Für mich gibt es nichts Spannenderes, als an vorderster Front modernste Technologien miterleben zu können“

Im Gespräch mit Dr. Christian May, Plattformmanager am Steinbeis-Innovationszentrum Transferplattform Industrie 4.0

Mit welchen Problemen KMU bei der Digitalisierung zu kämpfen haben und wie sie bei deren Bewältigung durch die Steinbeis-Experten der Transferplattform Industrie 4.0 unterstützt werden können, erklärt Dr. Christian May vom Steinbeis-Innovationszentrum Transferplattform Industrie 4.0. Das Zentrum fokussiert den querschnittsorientierten, hochschulübergreifenden Wissens- und Technologietransfer zwischen Wissenschaft und insbesondere der mittelständischen Wirtschaft.

Herr Dr. May, seit November 2017 sind Sie als Manager der Transferplattform Industrie 4.0 tätig, warum haben Sie sich für dieses Projekt entschieden?

Der digitale Wandel ist derzeit überall spürbar, das Schlagwort „Industrie 4.0“ wirkt durch seine Omnipräsenz fast schon abgedroschen – und doch sind einerseits viele im Unklaren darüber, was eigentlich ganz konkret darunter zu verstehen ist und andererseits herrschen auch Unsicherheiten und Skepsis. Diese Umbruchstimmung nehme ich als Herausforderung und Chance wahr, aktiv in diesem Prozess mitwirken zu können. Für mich gibt es nichts Spannenderes, als an vorderster Front modernste Technologien miterleben zu können und gleichzeitig einen Beitrag dazu leisten zu können, die Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft zu erhalten oder sogar auszubauen. Ich bin überzeugt, dass Deutschland seine weltweit führende Rolle im Bereich der industriellen Fertigungs- und Automatisierungstechnik auf die Dauer nur verteidigen kann, wenn das Thema Industrie 4.0 aktiv und nachhaltig angegangen wird.

Die Transferplattform hat zum Ziel, KMU in Baden-Württemberg die Chancen der digitalen Vernetzung und der intelligenten Produktion besser nutzbar zu machen. Wo haben diese Unternehmen Ihrer Meinung nach die größten Defizite und welche Dienstleistungen bietet ihnen die Plattform in diesem Zusammenhang?

Die momentan sehr erfreuliche Wirtschaftslage ist in dieser Hinsicht fast schon ein Hindernis: Die Unternehmen haben volle Auftragsbücher und keine freien Kapazitäten, um Mitarbeiter vom Alltagsgeschäft zu befreien und an der Gestaltung der digitalen Zukunft arbeiten zu lassen. Hinzu kommen natürlich auch finanzielle Hindernisse für KMU, die für größere Unternehmen keine gravierende Rolle spielen. Aus diesen Gründen zeichnet sich schon seit einiger Zeit eine Innovations- und auch eine Digitalisierungsschere zwischen KMU auf der einen Seite und Großunternehmen auf der anderen Seite ab, die langfristig droht, KMU im Wettbewerb abzuhängen.

An diesem Punkt möchte die Transferplattform ansetzen, indem die Schwelle für einen Einstieg in Industrie 4.0-Techniken herabgesetzt wird. Mit einfachen niederschwelligen Angeboten soll auf der einen Seite das Bewusstsein in den Unternehmen geschaffen werden, welche Technologien im Bereich Industrie 4.0 heute bereits möglich sind und woran an den einzelnen Hochschulen derzeit geforscht wird. Auf der anderen Seite wollen wir von den Unternehmen wissen, was ihre konkreten Bedürfnisse sind, um darauf eingehen zu können und nach Möglichkeit individuelle Projekte zu lancieren. Wir bauen hierzu an den einzelnen Hochschulen Schaufensterfunktionalitäten auf, die die KMU vor Ort besichtigen können, woraus sich einzelne Projekte und auch Verbundprojekte mit mehreren Partnern mit ähnlich gelagerten Interessen ergeben sollen. Nebenbei profitiert von der Orientierung an tatsächlichen Problemstellungen auch die Lehre an den Hochschulen für Angewandte Wissenschaften, die den Auftrag haben, den KMU die richtig ausgebildeten Absolventen zur Verfügung zu stellen.

Das Steinbeis-Innovationszentrum ist die organisatorische Basis für ein gemeinsames Projekt der Hochschulen für Angewandte Wissenschaften an den Standorten Aalen, Esslingen und Reutlingen und der Steinbeis-Stiftung. Welche Vorteile bringt diese Zusammensetzung von Mitspielern und was bedeutet diese für Ihre Aufgaben als Plattformmanager?

Die drei involvierten Hochschulen an vier Standorten bringen jeweils ihre Forschungsexpertise ein, die auf unterschiedlichen Gebieten liegen. Das versetzt uns als Plattform in die Lage, interessierte KMU schnell und direkt mit Experten auf unterschiedlichen Gebieten zusammenbringen zu können. Durch das breite Feld an Forschungsaktivitäten, das an den Hochschulen abgedeckt wird, können wir auch eine ganzheitliche Betrachtung von Problemstellungen anbieten und zum Beispiel sowohl technische Aspekte bis ins Detail verstehen als auch betriebswirtschaftliche Perspektiven eröffnen. Auf der anderen Seite haben wir stets die Steinbeis-Stiftung im Hintergrund und können immer auf den Erfahrungsschatz des Verbundes zurückgreifen und die dort vorhandenen Ressourcen nutzen. Für meine Aufgaben als Plattformmanager bedeutet diese Zusammensetzung, integrativ zu wirken und die verschiedenen Partner mit ihren unterschiedlichen Ausrichtungen nach außen hin einheitlich auftreten zu lassen. Dies beginnt bei einheitlichen Auftritten auf Messen und der Internetpräsenz und reicht bis zu Projekten, in denen wir an einem Strang ziehen müssen.

Das aktuell laufende Pilotprojekt fokussiert zunächst auf die Automobilbranche, in welche Richtung werden Ihrer Meinung nach zukünftige Projekte gehen?

Dass die Automobilbranche eine große Rolle spielt, ist nicht verwunderlich in einer Region, in der führende Anbieter der Automobilindustrie und ihre Zulieferer ansässig sind. Es finden sich hier jedoch auch eine Vielzahl von Weltmarktführern in verschiedenen Nischen – die sogenannten hidden champions – in Branchen wie Maschinenbau und Medizintechnik und gerade bei den mittelständischen Unternehmen dieser Branchen sehe ich noch ein großes Potenzial.

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Dr. Christian May
Steinbeis-Innovationszentrum Transferplattform Industrie 4.0 (Göppingen)