Im Gespräch mit Professor Dr.-Ing. Tim A. Jansen, Leiter des Steinbeis-Transferzentrums Industrielle Digitalisierung an der DHBW Stuttgart, Campus Horb
Warum fällt es einigen Unternehmen schwer, die Digitalisierung und die Chancen, die sie mitbringt, zu nutzen? Wie können die Unternehmen sich und ihre Mitarbeiter auf die aktuellen Veränderungen vorbereiten? Diese und weitere Fragen hat die TRANSFER Professor Dr.- Ing. Tim A. Jansen gestellt.
Herr Professor Jansen, Digitalisierung birgt sowohl Chancen aber auch Risiken für Unternehmen. Was müssen die Unternehmen tun, um die sich bietenden Potenziale erfolgreich nutzen zu können?
Die Entwicklungen, die die vergangenen industriellen Revolutionen geprägt haben, wurden stets von Kritikern aber auch Befürwortern begleitet. Letztendlich waren es aber die neuen Technologien, die die weitere Zukunft beeinflusst haben. Diejenigen Unternehmen, die den Trend rechtzeitig erkannt und aufgegriffen haben, waren die Vorreiter am Markt, konnten von den Entwicklungen profitieren und damit ihre Stellung am Markt ausbauen. Heute sieht es grundlegend nicht anders aus. Wesentlich ist die Bereitschaft zur Akzeptanz neuer Entwicklungen. So ist es auch mit der aktuellen vierten industriellen Revolution, die maßgeblich durch die Digitalisierung geprägt wird. Eine Besonderheit in diesem Zusammenhang ist, dass durch die rasante Entwicklung der Smartphones und dem dadurch permanent mitgeführten Internetzugang ein Wandel im Internet-Nutzungsverhalten ausgelöst wurde, insbesondere im privaten Social Media-Bereich. Hierdurch werden Wissen, Meinungen und andere Informationen schnell verbreitet. Privat zum Alltag gehörend, fällt es vielen Unternehmen jedoch noch schwer, mit dieser Entwicklung Schritt zu halten und die sich bietenden Potenziale auch unternehmerisch erfolgreich zu nutzen. Dies ist der Kerngedanke von Industrie 4.0. In der Produktion sind es Maschinen und Produkte, die über das Internet der Dinge miteinander kommunizieren und als cyberphysische Systeme autark agieren. Es bieten sich gänzlich neue Möglichkeiten neuer Geschäftsmodelle. Die vorherrschende Unsicherheit der Unternehmen jedoch wird bestimmt von Kostenungewissheit, Zeitmangel und fehlendem Informationsfluss an das Management. Aufklärung ist somit häufig der fehlende wesentliche erste Schritt.
Die zunehmende Digitalisierung verlangt von Unternehmen, ihre bestehenden Produktions-, Fertigungs- und Geschäftsprozesse kritisch zu hinterfragen und zu verändern. Was sind Ihrer Meinung nach die größten Probleme dabei?
Durch die vorherrschende Schnelllebigkeit müssen Unternehmen flexibel auf Trends oder kurze Produktzyklen reagieren. Dies gelingt besonders dann, wenn vorausschauend geplant werden kann und der Fokus auf die komplette Produktions- und Dienstleistungskette gelegt wird. Die volle Transparenz der eigenen Prozesse steht dabei im Vordergrund. Doch genau diese Transparenz fehlt häufig und somit ist auch nicht die Basis vorhanden, um kritisch hinterfragen und verändern zu können. Die Prozesse werden einfach nicht weitreichend genug durchdrungen, so dass zwar durchaus wichtige Produktionselemente erfolgreich automatisiert werden, die Möglichkeiten, die mit den Bestrebungen Industrie 4.0 einhergehen, jedoch nicht erreicht werden. Hier geht es um mehr, als nur eine Maschine mit dem Netzwerk zu verbinden und auf diesem Wege Fernwartung zu ermöglichen. Es geht auch um mehr, als eine flexible Fertigung zu schaffen, mit der eine Losgröße 1 realisiert werden kann. Die Produktion der Zukunft erfolgt vernetzt, über Unternehmensgrenzen hinweg und bietet dem Kunden und dem Unternehmen einen bislang nicht vorhandenen Mehrwert. Das fehlende Verständnis, mangelnde Argumentation und unzureichende Datensicherheit sind immer wieder Themen, die schließlich dazu führen, dass der Kunde nicht bereit ist für den Mehrwert der Produkte zu zahlen. Die firmenseitig mangelnde Transparenz eigener möglicher Kostensubstitutionen hingegen führt zu dem Schritt, die Kosten gänzlich auf den Kunden umlegen zu wollen. So wird ein Kreislauf geschlossen, der Weiterentwicklung ausschließt.
Aber auch die besten Prozesse im Unternehmen sind ohne Mitarbeiter, die diese erfolgreich umsetzen, wertlos. Wie können die Unternehmen ihre Beschäftigten auf die neuen Herausforderungen vorbereiten?
Erfolgreich Umsetzen heißt im ersten Schritt zu verstehen, erst im darauffolgenden Schritt zu agieren. Entscheidungen und Tätigkeiten werden zunehmend automatisiert und intelligent vernetzt. Der zukünftige Mitarbeiter wird daher zum Wissensmitarbeiter, der den gesamten Prozess verstehen muss, um auch eingreifen und entscheiden zu können. Das Aufgabenfeld wird interdisziplinär. Maschinenbau, Elektrotechnik und Mechatronik sind heute nicht mehr zwangsläufig und einvernehmlich zu differenzieren. Informationstechnik fungiert als übergreifende Schnittstelle. Den allwissenden Mitarbeiter, der diese Wissensfelder abdeckt, gibt es jedoch nicht. Mitarbeiter sind somit gefordert vertiefende technische Fachkompetenzen aufzuweisen, aber zugleich eine breite soziale Kompetenz zu erwerben, um über Schnittstellen hinweg interdisziplinär kommunizieren, vor allem aber verstehen zu können. Man spricht in diesem Zusammenhang von der T-Kompetenz, die den Mitarbeiter zum Wissensmitarbeiter befähigt. Während in der aktuellen Berufsausbildung und im Studium entsprechende Informationen durchaus vermittelt werden, ist für Bestandsmitarbeiter ein gezieltes Change Management gefordert, um eine Sensibilisierung der Mitarbeiter zu erreichen. Prozesse sind strukturiert einzuführen und sollten ausschließlich mit entsprechender Grundakzeptanz der Mitarbeiter implementiert werden.
Herr Professor Jansen, Ihr Steinbeis-Unternehmen bietet seinen Kunden Hilfestellung auf dem Weg in die digitale Zukunft. Welche Dienstleistungen werden von Unternehmen verstärkt nachgefragt?
Das Steinbeis-Transferzentrum Industrielle Digitalisierung wurde als Netzwerkplattform für die Produktionstechnik ins Leben gerufen. Als Steinbeis-Unternehmen haben wir die Möglichkeit für KMU subventionierte und damit kostenfreie Erstberatungen anzubieten. Diese dienen unter anderem einer ersten Erörterung der erforderlichen Schritte für den Weg in die industrielle Digitalisierung. Darüber hinaus kann vielseitig unterstützt werden, zum Beispiel durch Projektbegleitung, zielgerichtete Schulungen oder gemeinsam durchgeführte, drittmittelgeförderte Forschungsprojekte. Das angebotene Portfolio bewegt sich dabei rund um den Produktlebenszyklus, zum Beispiel Ideenfindung, Test- Lounges rund um den Zerspanungsprozess oder logistische Optimierung sowie Implementierung neuer Dienstleistungen.
Kontakt
Professor Dr.-Ing. Tim A. Jansen leitet das Steinbeis-Transferzentrum Industrielle Digitalisierung. Das Steinbeis-Unternehmen bietet seinen Kunden einen Informationspool für jegliche Art von Digitalisierungs-Know-how in Produktion und Logistik, Weiterbildung und Seminare, projektbegleitende Forschung, Test-Lounge (Proof-of-Concept Environment), Fertigungsprozessoptimierung, Evaluierung von bestehenden/ neuen Lösungen und Unterstützung bei der Markteinführung.
Professor Dr.-Ing. Tim A. Jansen
Steinbeis-Transferzentrum Industrielle Digitalisierung (Horb)