Erfindungsgemäße Einrichtung des verbesserten Verfahrens („Planoflex“) Legende: 1: Rasterwalze 2: weich-elastische Druckformoberfläche 3: Bedruckstoff 4: Gegendruckzylinder

Mit Vollkontakt in die Zukunft

DFTA-Technologiezentrum entwickelt Flexodruck-Verfahren vielversprechend weiter

Als Hochdruckverfahren ist der Flexodruck ein Druckverfahren mit sogenannter Elementepressung: Nur die druckenden, erhabenen Reliefteile berühren Rasterwalze und Bedruckstoff. Je nach Druckmotiv und einzustellendem Anpressdruck kann das zuweilen eine recht unharmonische Abrollung der Druckform verursachen, ähnlich wie bei der Fahrt mit einem grob profilierten oder beschädigten Fahrzeugreifen. Die unharmonische Abrollung kann Schwingungen in die Druckmaschine bringen, die sich im schlimmsten Fall durch Querstreifen im Druckbild zeigen. Im DFTA-Technologiezentrum, einem Steinbeis-Transferzentrum an der Hochschule der Medien Stuttgart, haben die Forscher nun ein „Vollkontakt“-Flexodruckverfahren zum Patent angemeldet, das eine vereinfachte Anwendung in der Druckmaschine mit deutlichen Einsparungen auf Seiten der Druckformherstellung verbindet. Das hat Potenzial, den Flexodruck noch wettbewerbsfähiger zu machen!

Beobachtungen und Analysen zu neuen Lösungen zu verknüpfen ist wohl die höchste Stufe der Beherrschung einer fachlichen Disziplin. Im DFTA-Technologiezentrum sieht man genau das als eine seiner maßgeblichen Aufgaben an. Und so hat sich das Forscher-Team intensiv mit der ungleichmäßigen Abrollung der Druckform beschäftigt. Zahlreiche Versuche hatten gezeigt, dass gegen die Streifen im Druckbild nur mit der Vermeidung von Resonanz durch die Variation der Druckgeschwindigkeit anzukommen war.

Wie also kann man der unharmonischen Abrollung auf anderem Wege beikommen? Angesetzt haben die Experten am DFTA-Technologiezentrum an den Grundlagen des Hochdrucks: Die Differenzierung der druckenden von den nicht-druckenden Flächen findet bereits bei der Einfärbung statt; indem die Rasterwalze eben nur die oberen Flächen der erhabenen Reliefteile berührt und somit einfärbt, übertragen auch nur diese Stellen die Druckfarbe auf den Bedruckstoff. Soweit so gut, scheint diese Erkenntnis für den erfahrenen Drucker keine Überraschung zu sein. Doch das Forscher-Team hat diese Tatsache weiter gedacht. In Versuchen haben die Experten die gesamte nicht-druckende Fläche der Druckform, man spricht hier vom Reliefsockel, auf ein so hohes Niveau angehoben, dass im Druckspalt zwischen Druckform und Bedruckstoff quasi „Vollkontakt“ herrscht. Oder umgekehrt ausgedrückt: Die Relieftiefe wurde auf ein sehr geringes Maß abgesenkt, so dass der gesamte Reliefsockel in der Drucklinie den Bedruckstoff berührt. Dieser Vollkontakt zwischen Druckform und Bedruckstoff führt zu einer sehr harmonischen Abrollung, weil die kaum noch fühlbaren Erhebungen des druckenden Reliefs (nur etwas mehr als Haaresbreite) keine Störungen mehr verursachen.

Schwingungen und die damit verbundenen Querstreifen im Druckbild sind damit Geschichte und gleichzeitig kommt eine ganze Reihe weiterer Vorteile hinzu. Denn der europäische Flexodruckmarkt verwendet mengenmäßig hauptsächlich Fotopolymermaterialien als Druckformen. Deren Herstellungszeiten und -kosten sind nicht zuletzt durch die Tiefe an auszuwaschendem oder thermisch zu entfernendem Monomermaterial bei der Reliefbildung bestimmt. Bei nur etwa einem Zehntel Millimeter an auszubildender Relieftiefe haben sich in den DFTA-Versuchen die Verarbeitungszeiten bei der Hauptbelichtung, beim Auswaschen und thermischen Entwickeln und beim Trocknen drastisch verkürzt. Entsprechend sparen Druckereien eine Menge an Zeit, Lösemittel und Energie oder gewinnen umgekehrt an Kapazität.

Gewissermaßen im Windschatten der flachen Relieftiefe der Fotopolymerdruckplatten kommt noch ein weiterer unschätzbarer Vorteil: die Verbesserung der Passgenauigkeit im Mehrfarbendruck. Noch sind die Versuche am DFTA-Technologiezentrum nicht abgeschlossen, aber es scheint so, als ob die geringe Reliefhöhe es nicht „gestattet“, dass sich die üblichen motivhaften Dehnungsunterschiede in den flach hergestellten Druckplatten einstellen („Rahmen-Effekt“). Darüber hinaus scheint die damit an jeder Stelle der Druckplatte relativ dicke Schicht von Fotopolymer (bei einer Druckplatte der Dicke 1,14 mm nach Abzug der Trägerfolien-Dicke etwa 0,85 mm an Fotopolymer) die scheinbar unvermeidbaren unterschiedlichen Verzerrungen der Teildruckplatten eines Mehrfarbenjobs zu minimieren. Dies führt zu einer insgesamt besseren Passgenauigkeit.

Im Druckvorgang selbst haben die DFTA-Experten ebenfalls Erleichterungen erlebt: Schwingungen und Querstreifen sind, falls sie überhaupt auftreten, auf sehr enge Druckgeschwindigkeitsfenster begrenzt und leicht beherrschbar, die Beistellungseinstellungen pro Druckwerk verkürzen sich durch vereinfachte Handhabung, sie sind schneller im Passer, weil weniger „vermittelt“ werden muss, und die motivabhängige Abstufung der Druckbeistellungen war bisher nicht erkennbar, vermutlich weil alle Druckformen gleichermaßen auf Vollkontakt gefahren werden. Die Druckqualität ist der herkömmlichen Verfahrensweise ebenbürtig, das Forscher-Team hat aber auch neue, experimentelle Rasterungen untersucht, die weitere deutliche Qualitätsverbesserungen erwarten lassen – und das alles selbstverständlich mit einer herkömmlichen Bebilderungsauflösung von 2540 dpi für die digitalen Fotopolymerplatten.

„Wir vermuten, dass die Funktion unseres alternativen Flexodruck-Verfahrens eng damit verknüpft ist, wie genau man die äußerst niedrige Relieftiefe der Druckform auf deren gesamter Fläche einhalten kann. Denn nur so wird es gelingen, gleichmäßige Pressungsverhältnisse beim Vollkontakt zwischen Druckform und Bedruckstoff zu erlangen“, schätzt Prof. Dr. Martin Dreher, Leiter des Steinbeis-Transferzentrums, das neue Verfahren ein. Die Erzielung einer so geringen Relieftiefe ist bei der Herstellung von Fotopolymerplatten, bei denen sie nominell durch die Rückseitenbelichtung bestimmt wird, nicht durch deren simple zeitliche Steuerung möglich. Dickenschwankungen des Reliefsockels von mindestens ±40 μm, wie sie die normale Rückseitenbelichtung zurücklässt und die im konventionellen Verfahren völlig unkritisch sind, toleriert das neue Verfahren nicht. Daher hat das Projekt-Team eine zuverlässige Alternative entwickelt, bei der es Toleranzen von lediglich etwa ±10 μm einhalten kann.

Die aktuell größte Herausforderung ist die Gestaltung des Querspalts, der notwendigerweise entsteht, insofern Druckplatten verwendet werden. Die bisher untersuchten Gestaltungsvarianten haben in den Versuchen noch nicht voll überzeugt, aber es stehen noch einige zu untersuchende Möglichkeiten parat. Die Herausforderung besteht darin, den Querspalt so zu gestalten, dass er bei Vollkontakt die nötige volle Kontaktfläche bildet, denn ein Spalt könnte wieder Schwingungen ins System bringen. Andererseits darf er aber durch etwaiges Hochstehen der Kanten nicht zur unerwünscht druckenden Querlinie führen.

Werden nahtlose Runddruckformen verwendet, sind die Forscher inzwischen am Ziel der uneingeschränkten Anwendbarkeit angekommen, so dass der Patentanmeldung nichts mehr im Wege stand. Nun geht es darum mit Testbetrieben auszujustieren, für welche Marktbereiche des Flexodrucks das neue Verfahren besonders geeignet ist.

Kontakt

Prof. Dr. Martin Dreher
Steinbeis-Transferzentrum DFTA-Technologiezentrum Flexodruck an der Hochschule der Medien (Stuttgart)