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Das Industrial Internet Consortium – mehr als ein Netzwerk

Branchenübergreifende Digitalisierung: interdisziplinär und international

Auf den ersten Blick mag das Industrial Internet Consortium (IIC) als eines von vielen Netzwerken in den Themenbereichen Industrial Internet und Industrie 4.0 erscheinen, doch es unterscheidet sich in seinem Aufbau, seiner Struktur und seinen Zielen von vielen nationalen Initiativen. Dies liegt zum einen an dem spezifischen Verständnis von Digitalisierung sowie an dem damit verbundenen branchenübergreifenden Fokus des IIC. Zum anderen äußert sich die Diversität der im IIC vertretenen Akteure in einem komplexen, jedoch effizienten Netz aus Arbeits- und Aufgabengruppen, die nicht nur in der Theorie, sondern auch in der Praxis äußerst aktiv sind.

Das IIC wurde im März 2014 von den Unternehmen AT&T, Cisco, General Electric, IBM und Intel gegründet und umfasst mittlerweile rund 270 Mitglieder aus über 30 Ländern. Der rasante Zuwachs an Mitgliedern bestätigt nicht nur den Bedarf an einer geeigneten Kooperationsplattform im Bereich Industrial Internet, sondern auch ihren Erfolg. Als offenes und mitgliedergetriebenes Konsortium, dem nicht nur Unternehmen, sondern auch Forschungsinstitute und öffentliche Einrichtungen angehören, hat sich das IIC zum Ziel gesetzt, die Beschleunigung des Industrial Internet of Things (IIoT) voranzutreiben. Das Industrial Internet wird dabei definiert als das Internet der Dinge, Maschinen, Computer und Menschen, das mithilfe leistungsfähiger Datenanalysen intelligente Geschäftsprozesse ermöglicht, die die Wertschöpfung verändern (Haltmayer/Lasi 2016). Zu diesem Zweck entwickelt das IIC nutzenstiftende Anwendungsszenarien für die Verbindung von physischer und digitaler Welt und setzt diese branchenübergreifend und interdisziplinär mittels Internettechnologie um. Der Fokus des IIC liegt dabei auf der Schaffung einer branchenübergreifenden Interoperabilität und Interkonnektivität unter Berücksichtigung übergreifender Anforderungen wie Sicherheit und Vertrauenswürdigkeit.

Die Umsetzung dieses Ziels erfolgt in verschiedenen Arbeitsgruppen, die sich vierteljährlich wechselnd in den USA, in Asien und in Europa zusammenfinden. Derzeit besteht das IIC aus 19 Arbeitsgruppen, die sich mit sechs übergeordneten Themenfeldern beschäftigen: Business Strategy and Solution Lifecycle, Liaison, Marketing, Sicherheit, Technologien und Testbeds. Darin werden unter anderem theoretisch die strukturellen Rahmenbedingungen für die Einordnung von Lösungsansätzen im Kontext der Interoperabilität und Interkonnektivität erarbeitet. So wurde zum Beispiel die Industrial Internet Referenz Architektur (IIRA) entwickelt, um eine gemeinsame Sprache für die in Industrial Internet Systemen vorhandenen Elemente und deren Beziehung untereinander bereitzustellen. Diese gemeinsame Sprache soll gerade Entwicklern dabei helfen zu entscheiden, welche Elemente sie für ihre Systeme benötigen, um somit schneller zur Umsetzung zu kommen. Die IIRA ist über die Grenzen von Industriebereichen und IoT-Systemen hinweg anwendbar und ermöglicht es, Lücken zu identifizieren und Interoperabilität zwischen verschiedenen Komponenten herzustellen.

Eine der Hauptaktivitäten des IIC sind die Testbeds: Hier schließen sich Unternehmen zusammen, um branchenübergreifend, partnerschaftlich und pragmatisch zusammenzuarbeiten und gemeinsam Wertschöpfungsszenarien (Hotspots) im realen Unternehmensumfeld und in einer vorher nicht praktizierten Art und Weise experimentell umzusetzen. Dabei wird der Fokus auf die Umsetzung kleiner Anwendungsszenarien gelegt. Auf diese Art und Weise entstehen unter Nutzung bestehender Technologien durch die interdisziplinäre Zusammenarbeit neue Produkte und Services im Kontext der Digitalisierung und Vernetzung (Weber/ Lasi 2017). Diese branchenübergreifende und partnerschaftliche Zusammenarbeit gewinnt im Industrial Internet of Things aufgrund der zunehmenden Komplexität stark an Bedeutung. Durch die Zusammenarbeit mehrerer Unternehmen entstehen im Kontext der Digitalisierung und Vernetzung internetbasierte Ökosysteme. Wichtiger Enabler für deren Aufbau ist das Internet of Things. Ziel der Testbed-Aktivitäten im IIC ist es, interdisziplinäre Wertschöpfungsszenarien zu identifizieren und diese im Rahmen von Testbeds experimentell umzusetzen, um auf Basis der hier gesammelten Erfahrungen neue wertschöpfungsorientierte und internetbasierte Ökosysteme aufzubauen.

 

Testbeds als Enabler für neue Ökosysteme

Neben den inhaltlichen Arbeitsgruppen gibt es regionale Netzwerke, welche die Kooperation zwischen Mitgliedern nach Ländern oder Regionen stärken sollen, so zum Beispiel das German Regional Team des IIC, das unter dem Dach von Steinbeis verortet ist. Die Aufgabe des German Regional Teams besteht neben der Vernetzung der deutschen IIC-Mitglieder darin, kleinen und mittelständischen Unternehmen (KMU) eine frühe Chance zur Partizipation an den Entwicklungen des IIC zu bieten. Neben der Aufbereitung und Schaffung eines Zugangs zu den Erfahrungswerten und Expertisen des IIC haben die KMU die Möglichkeit an konkreten Anwendungsfällen und Testbeds teilzunehmen. Als Teil des Steinbeis-Verbundes profitiert das German Regional Team dabei insbesondere auch von den darin vertretenen vielfältigen Expertisen und Methoden.

Darüber hinaus arbeitet das IIC eng mit weiteren nationalen Initiativen im Bereich Industrial Internet/Industrie 4.0 zusammen. Seit der Verkündung der Kooperation zwischen der Plattform Industrie 4.0 und dem IIC durch die Bundeskanzlerin auf der Hannover Messe 2016 hat sich die Zusammenarbeit kontinuierlich verstetigt. Auch hier werden in gemeinsamen Arbeitsgruppen sowohl die theoretischen Rahmenbedingungen – Kompatibilität der beiden Referenzarchitekturen IIRA und RAMI 4.0 – sowie die praktische Umsetzung und Anwendung im Rahmen von Testbeds vorangetrieben. Das IIC und die Plattform Industrie 4.0 haben es sich auch zur Aufgabe gemacht, die Vernetzung weiterer Industrial Internet/ Industrie 4.0-Initiativen weltweit zu fördern. Im Rahmen der IIoT World Tour Event Series organisieren die beiden Partner zusammen mit nationalen IIoT-Organisationen Veranstaltungen vor Ort rund um den Globus, um Synergien zu nutzen und die Sichtbarkeit zu erhöhen.

Kontakt

Dr. Marlene Gottwald

Patrick Weber

 

 

 

 

 

Dr. Marlene Gottwald ist Projektkoordinatorin Industrial Internet am Ferdinand-Steinbeis-Institut/IIC German Regional Team. Patrick Weber ist als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Ferdinand-Steinbeis-Institut tätig und verantwortlich für das Forschungsfeld Industrial Internet/ Industrie 4.0. Das Ferdinand-Steinbeis-Institut (FSTI) ist ein Forschungsinstitut für Digitalisierung und Vernetzung. In transferorientierten Projekten adressiert das FSTI die sich durch die zunehmende Verschmelzung von physischen Objekten und eingebetteten IT-Systemen in Verbindung mit einer umfassenden, internetbasierten Vernetzung ergebenden Veränderungen von industriellen Ökosystemen und gesellschaftlichen Strukturen.

Dr. Marlene Gottwald, Patrick Weber
Ferdinand-Steinbeis-Institut (Stuttgart)