Abschlussarbeiten beruflicher Schulen bringen der regionalen Wirtschaft einen Mehrwehrt in Millionenhöhe, zeigt eine Analyse des Steinbeis-Teams aus Villingen-Schwenningen
Hochschulen und akademische Forschungseinrichtungen gelten seit jeher als Treiber für Innovationen. Seit einiger Zeit rückt die Bedeutung beruflicher Bildungseinrichtungen hierbei stärker in den Fokus. Gerade kleine und mittlere Unternehmen profitieren von den praxisnahen Abschlussarbeiten, die die angehenden Fachkräfte zum Ende ihrer Ausbildung erstellen. Welcher konkrete wirtschaftliche Nutzen mit diesen Abschlussarbeiten für regionale Unternehmen verbunden ist, hat das Team des Steinbeis-Transferzentrums Infothek in Villingen-Schwenningen exemplarisch am Beispiel der dortigen Feintechnikschule analysiert.
Die Staatliche Feintechnikschule in Villingen-Schwenningen bietet unter anderem die Weiterbildung zum staatlich geprüften Techniker an. Im Rahmen eines Innovationspreises begutachtet das Steinbeis-Transferzentrum die Technikerarbeiten eines jeden Jahrgangs. Gegenstand der Arbeiten sind reale Fragestellungen von regional ansässigen Unternehmen. Um den Mehrwert, den diese Arbeiten für die kooperierenden Unternehmen bringen, monetär zu bewerten, hat das Steinbeis-Team folgende Daten herangezogen:
- Anzahl der Absolventinnen und Absolventen pro Jahr: 65
- Durchschnittlicher Zeitaufwand pro Arbeit: 360 Stunden
- Branchenüblicher Stundensatz: 45–60 Euro
Diese Daten liefern eine plausible Näherung für den betriebswirtschaftlichen Nutzen: Bei einem angenommenen Stundensatz von 45 bis 60 Euro beläuft er sich auf 1,05 bis 1,4 Millionen Euro pro Jahr.
Innovationsimpulse für KMU
Von solchen Abschlussarbeiten profitieren vor allem kleine und mittlere Unternehmen, die keine eigene Forschungsabteilung haben. „Die Technikerarbeiten liefern ihnen echte Innovationsimpulse“, ist Steinbeis-Unternehmer Wolfgang Müller überzeugt. Mit seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern begleitet er Unternehmen dabei, neue Produkte, Verfahren und Dienstleistungen erfolgreich in den Markt zu bringen. Die Abschlussarbeiten sind seiner Erfahrung nach realwirtschaftlich verwertbar: „Sie bieten Lösungen, Produktoptimierungen und Prozessverbesserungen, die schnell in den betrieblichen Alltag übergehen können“, so Wolfgang Müller.
Für Unternehmen in technologieintensiven Branchen ist Innovationskraft längst nicht nur Kür, sondern ein Überlebensfaktor. Neue Produkte, effizientere Prozesse und angepasste Geschäftsmodelle müssen in immer kürzeren Abständen auf den Markt gebracht werden. Doch für kleinere Unternehmen sind Investitionen in riskante Projekte nur schwer zu stemmen – umso wichtiger sind externe Impulse.
Transfer von der Abschlussarbeit in die Serienfertigung
„Technikerschüler und Studierende bringen frische, unvoreingenommene Ideen in unser Unternehmen. Gemeinsam mit ihnen können wir Themen angehen, die wir ohne ihre Unterstützung oft nicht realisieren würden – weil sie innovativ, experimentell und mitunter risikoreich sind“, sagt Unternehmer Stefan Huber. Rund 40 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter arbeiten in seinem auf innovative Audiokonzepte spezialisierten Unternehmen WHD. 2025 wurde ein seit längerem ruhendes Projekt durch einen Schüler der Feintechnikschule wiederbelebt: eine ausfahrbare Lautsprecher- und Lichtsäule für den Außenbereich. Christian Storz hat sie in seiner Abschlussarbeit so weiterentwickelt, dass sie jetzt in die Serienfertigung geht.
Rund 90 % der Partnerunternehmen liegen im unmittelbaren Einzugsgebiet der Feintechnikschule, in der Region Schwarzwald-Baar-Heuberg im Süden Baden-Württembergs. Daher richten sich die Abschlussarbeiten thematisch an den dominierenden Wirtschaftssektoren aus und tragen dort erheblich zur Innovationsfähigkeit und Effizienzsteigerung bei: Maschinen- und Anlagenbau, Elektrotechnik und Automatisierung sowie Medizintechnik. Zwei weitere Beispiele des diesjährigen Abschlussjahrgangs sind die Arbeit von Robin Kauth – eine universelle Schnellspannvorrichtung als pragmatische Automatisierungslösung für Werkstätten – und die Arbeit von Niklas Naunapper – ein 3D-gedruckter Wirbelkörper, der in Ausbildung und Forschung eingesetzt werden kann.
Nachhaltiger Mehrwehrt für die Region
Für Unternehmen bietet die Kooperation mit beruflichen Schulen Vorteile, die auch abseits der bezifferbaren Entwicklungsleistung von strategischer Bedeutung sind: Die unvoreingenommene Herangehensweise und die Fähigkeit, eingespielte Prozesse infrage zu stellen, fördern kreative Lösungen, die intern im betrieblichen Alltag häufig nicht zur Entfaltung kommen. Zentraler Faktor des Erfolgs ist dabei auch die Betreuung durch die Fachlehrkräfte. „Die Feintechnikschule wirkt wie ein Innovationsmotor mitten im Herzen der Region,“ sagt Schulleiter Thomas Ettwein. Darüber hinaus steigen viele Absolventinnen und Absolventen genau dort in das Berufsleben ein, wo sie ihre Abschlussarbeit geschrieben haben.
In Zeiten beschleunigter Innovationszyklen und des zunehmenden Fachkräftemangels kommt praxisnahen Bildungseinrichtungen eine wachsende Bedeutung zu. Sie sind ein Bindeglied zwischen Wissen, Können und wirtschaftlicher Wertschöpfung, und zwar mit regionalem Fokus. Das Modell der Feintechnikschule ist ein Beispiel für nachhaltige regionale Wirtschaftsförderung – ganz ohne Fördergelder, dafür mit Know-how, Motivation und handfesten Ergebnissen.
Steinbeis-Transferzentrum Infothek
Das Steinbeis-Team in Villingen-Schwenningen unterstützt Unternehmen in den Bereichen neue Produkte, Technologie-Roadmaps und Marktanalysen, um die wirtschaftliche Tragfähigkeit neuer Ideen zu sichern. Es erschließt Förderprogramme und berät zum Forschungszulagengesetz. Zugleich ist es darauf spezialisiert, die Innovationen durch Schutzrechte, Patentrecherchen und Monitoring langfristig abzusichern.
Weitere Infos: www.steinbeis-infothek.de
Staatliche Feintechnikschule Villingen-Schwenningen
Die Schule bietet verschiedene Aus- und Weiterbildungsangebote an. Dazu gehört die Ausbildung an der Technikerschule. Dort begleiten praxiserprobte Lehrerinnen und Lehrer, die meist zuvor in Betrieben und Hochschulen gearbeitet haben, die Schülerinnen und Schüler auf ihrem Weg zum „staatlich geprüften Techniker“.
Weitere Infos: www.feintechnikschule.de
Kontakt
Wolfgang Müller
Steinbeis-Unternehmer
Steinbeis-Transferzentrum Infothek (Villingen-Schwenningen)
www.steinbeis-infothek.de
Marlene Müller (Autorin)
Freie Journalistin

