Netzwerken ohne Netzwerk
Wenn es um die Internet-Breitband-Versorgung in Deutschland und insbesondere bei mittelständischen Unternehmen geht, so lautet das Urteil: „Deutschland ist nur Mittelmaß!“ Wir sind nur „Zuschauer“, wenn die Breitband-Spitzenreiter gekührt werden, und der Rückstand wächst sogar an, durch den immer noch viel zu langsamen Netz-Ausbau in Deutschland. Warum dauert der Breitband-Ausbau in Deutschland so lange und welche negativen Auswirkungen hat es auf die Wirtschaft und die vielen mittelständischen Unternehmen? Antworten gibt Stefan Odenbach, Projektleiter am Steinbeis-Transferzentrum Technologie – Organisation – Personal.
Aktuelle Studien des BITKOM-Verbandes, von Statistik-Portalen wie STATISTA oder des BMVI sind sich einig: Es besteht noch großer Nachholbedarf für Deutschland im internationalen Wettbewerbsvergleich – auch innerhalb der EU. Der Hauptgrund liegt in der angewendeten Technologie: Aus Kostengründen setzt Deutschland mehr auf den VDSL-Ausbau, da die bestehende Infrastruktur als Basis dient, statt in die wesentlich zukunftssichereren Glasfaser-Netze zu investieren.
Stand 2016 hatten weniger als zehn Prozent der deutschen Firmen unter 500 Mitarbeiter einen Internet-Zugang von mehr als 50 Mbit/Sekunde zur Verfügung und dies ist ein wesentlicher Hemmschuh für diese Unternehmen sich mehr mit der Digitalisierung zu beschäftigen. Ein Beispiel: Ein innovatives Technologie-Unternehmen aus dem Schwarzwald oder einem anderen ländlichen Raum auf der schwäbischen Alb (außerhalb der Ballungsgebiete der Großstädte) möchte gerne seine Produkte oder Datendienste weltweit vermarkten. Grundsätzlich kein Problem in einer digitalen und globalisierten Welt, möchte man glauben. Doch schon die Geschäftsanbahnung und häufigen Video-Telefon-Konferenzen über das Internet (mit Kunden oder Lieferanten aus USA, Indien, China oder Frankreich) sind mit einer Bandbreite von lediglich 3-6 Mbit/s nur schwer möglich oder aufgrund häufiger Abbrüche oder Wartezeiten beim Nachladen nicht effizient durchführbar und fast sogar peinlich für ein Unternehmen, das sich selbst als Technologieführer präsentieren will.
Oft sind dies kleine Unternehmen mit weniger als 50 Mitarbeitern, die ihre Zelte nicht einfach so abbrechen und den Mitarbeitern 50-100 Kilometer mehr Anfahrtsweg zur Arbeit zumuten können. Ein Standortwechsel erscheint zwar in diesem Fall logische Folge, damit die Firma in den Genuss der vielen Vorteile von digitalen Geschäftsfmodellen kommen kann, aber in der Realität finanziell und logistisch kaum sinnvoll durchführbar. Wenn es schon beim einfachen Telefonieren scheitert, ist an eine Auslagerung der IT-Dienste oder ERP-Software in die Cloud beziehungsweise eine Home Office-Anbindung der Vertriebs-/Service- Mitarbeiter im Außendienst kaum zu denken. Fazit: Das begrenzte Breitband- Netz bremst die Innovation massiv aus! Eine Schlüsseltechnik ist der neue Breitband-Mobilfunk-Standard speziell für die Digitalisierung, die massiv an Bedeutung gewinnt. Aktuell rüsten die meisten Mobilfunk-Service-Provider noch ihre Netze auf 4G um. Mittels dieser Technologie können Smartphones und Tablets mit 100 bis 300 Megabit pro Sekunde mobil surfen und Daten herunterladen. Mit der 5GTechnologie steigt die Datenrate auf 1 Gigabit bis 10 Gigabit pro Sekunde (GBit/s). Neben der deutlich höheren Datenrate (Faktor 10) sind die extrem niedrigen Latenzzeiten von unter einer Millisekunde von 5G die Basis für neue Anwendungsgebiete. Dadurch ist es möglich, eine große Zahl von Endgeräten miteinander zu vernetzen. Speziell beim autonomen Fahren sind schnelle Reaktionszeiten sogar „lebensnotwendig“ für die Serienreife.
Es stellt sich also wieder einmal die Frage nach dem „Henne-Ei-Prinzip“: Sind die deutschen Mittelständler noch so gering digitalisiert, weil das Internet eher einer Kriechspur als einer Datenautobahn gleicht, oder sind digitale Geschäftsmodelle unter diesen Voraussetzungen gar nicht erst möglich und deshalb geht man weiter den analogen Weg? Fakt ist, diese Situation darf kein Dauerzustand mehr bleiben und es gibt Alternativen zum klassischen verkabelten Netzwerk: Das Allheilmittel heißt demzufolge „5G-Mobilfunknetz“!
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Stefan Odenbach ist Projektleiter im Bereich Digitalisierung am Steinbeis-Transferzentrum Technologie – Organisation – Personal. Das Steinbeis-Unternehmen bietet seinen Kunden die Durchführung von Produktivitätssteigerungs- und Kostensenkungsprogrammen von Unternehmen und Organisationen, Unternehmensanalysen, -bewertungen und -sanierungen, Management und Controlling von Kooperationen, Beteiligungen und Unternehmensverkäufen, Analyse, Bewertung und Durchführung von Qualifizierungsmaßnahmen sowie die Analyse des Controlling-Instrumentariums und der Kosten- und Prozesskostenrechnung von Unternehmen und Organisationen.
Stefan Odenbach
Steinbeis-Transferzentrum Technologie – Organisation – Personal (TOP) (Ravensburg)