Initiales Vorgehensmodell zu einem PSS. Quelle: B. Kölmel, R. Bulander, A. Richter, J. Schoblik: Produkt- Service-Systeme – neue Geschäftsmodelle für produzierende Unternehmen, eingereicht im Mittelstand- Digital-Magazin zu „Digitale Geschäftsmodelle“

Digitale Produkt-Service-Systeme – neue Geschäftsmodelle für produzierende Unternehmen

Steinbeis-Team erforscht im Verbundprojekt Use-PSS die Nutzung von Produkt-Service-Systemen

Die Geschwindigkeit der Digitalisierung schreitet rasant voran. Im Zentrum dieser digitalen Transformation steht der Kunde mit grundlegend veränderten Erwartungen an Produkte und Unternehmen. Lag bisher der Fokus auf qualitativ hochwertigen Sachprodukten, erwarten die Kunden künftig einen umfassenden Lösungsansatz. Um solch eine Komplettlösung bereitzustellen, eignen sich Produkt-Service-Systeme (PSS). Sie bestehen aus einer traditionellen Produktkomponente, die im Laufe des Produktlebenszyklus durch in der Regel digitale Dienstleistungen ergänzt wird. Das vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie geförderte Verbundprojekt „Use-PSS – Usability betrieblicher Produkt-Service-Systeme (PSS) im Mittelstand“ hat zum Ziel, kleine und mittelständische Unternehmen (KMU) beim Aufbau solch cleverer Kombinationen aus Produkten und digitalen Dienstleistungen bedarfsgerecht zu unterstützen. Als Projektpartner hat die Hochschule Pforzheim ein Vorgehensmodell zur Generierung von digitalen Produkt-Service-Systemen entwickelt, das gemeinsam mit dem Team des Steinbeis-Innovationszentrums 2 Digital Business anhand realer Anwendungsfälle erprobt wird.

Ziel des Projekt-Teams ist ein Best Practice-Modell, das auf die Bedürfnisse der Zielgruppe KMU abgestimmt und auf verschiedene Branchen übertragbar ist. Als weiteres Ergebnis des Forschungsprojekts ist gemeinsam mit der bwcon GmbH als Unternehmen im Steinbeis-Verbund der Aufbau eines PSS-Kompetenzzentrums geplant, das als Anlaufstelle und Netzwerk-Plattform Unternehmen bei der Transformation vom Produkt- zum Lösungsanbieter unterstützt.

Um den Kundenbedürfnissen langfristig gerecht zu werden und den Anschluss an die Wettbewerber nicht zu verpassen, müssen Unternehmen auf die weitreichenden Entwicklungen der voranschreitenden Digitalisierung reagieren. Nur durch eine entsprechende Anpassung an die neue Situation können sie ihr Weiterbestehen sichern. Die meisten Unternehmen stehen noch vor dieser Wandlung: Die große Herausforderung, mit der sie sich dabei konfrontiert sehen, ist, wie sich neue und innovative Geschäftsmodelle sinnvoll auf das traditionelle Geschäft übertragen lassen. Hierfür ist es erforderlich, dass Unternehmen die bestehenden Produkt- und Dienstleistungsportfolios analysieren, radikal überdenken und -arbeiten, veraltete Produkte und Services frühzeitig aufgeben und dafür neue Geschäftsfelder und Kunden erschließen. Als Ausgangspunkt im Verbundprojekt Use-PSS hat das Projekt-Team an der Hochschule Pforzheim um Prof. Dr. Rebecca Bulander und Prof. Dr. Bernhard Kölmel gemeinsam mit den wissenschaftlichen Mitarbeitern Alexander Richter und Johanna Schoblik ein vierstufiges Vorgehensmodell zur Generierung eines Produkt-Service-Systems entwickelt. Es gliedert sich in die vier Phasen:

  1. Durchführung einer Sensibilisierung (Sense-PSS),
  2. Vermittlung von Methodenwissen (Ideate-PSS),
  3. Entwurf eines ersten Produkt-Service-Systems (Create-PSS) und
  4. Umsetzung/Nutzung (Use-PSS).

Das Vorgehensmodell richtet sich an einzelne Unternehmen oder Gruppen von Unternehmen. In der Startphase „Sense-PSS“ sollen Informationen über das Themenfeld der digitalen Transformation und deren Auswirkungen auf das eigene Unternehmen erkannt und ein Bewusstsein für die aktuelle Situation und den Handlungsbedarf geschaffen werden. Durch Vorträge und Gespräche mit Entscheidungsträgern entsteht ein Problembewusstsein für die Entwicklung der Digitalisierung sowie den weitreichenden Einfluss auf das eigene Unternehmen mit seinen Produkten und Dienstleistungen. Oft wird von Unternehmen der Handlungsbedarf im Moment nicht wahrgenommen, da die aktuelle Geschäftslage und der Absatz der Produkte gut sind und das operative Geschäft den Alltag dominiert.

Die Phase „Ideate-PSS“ wird von Anwenderschulungen dominiert, um Methodenwissen zur Entwicklung eines Produkt-Services-Systems aufzubauen. Dabei werden Aspekte vertieft wie Business Model Canvas, Blue Ocean Strategy oder Design Thinking. Für eine erfolgreiche Erarbeitung eines Produkt-Service-Systems empfiehlt es sich, mindestens einen methodenerfahrenen externen Spezialisten hinzuzuziehen, der die Anwendung bestimmter Methoden(-teile) koordiniert und steuert.

Die Entwurfsphase „Create-PSS“ zielt darauf ab, eine Strategie und ein oder mehrere neue digitale Geschäftsmodelle innerhalb eines Workshops mit Mitarbeitern, Führungskräften und durchaus auch Kunden eines Unternehmens zu entwickeln. Hier ist es wesentlich, dass verschiedene Blickwinkel auf das Unternehmen und sein Produkt eingenommen werden. Neben der sehr wichtigen Kundensicht sollten auch die Blickwinkel der Unternehmensführung und der Mitarbeiter betrachtet werden.

In der letzten Phase, genannt „Use-PSS“, wird das entwickelte Geschäftsmodell kundenindividuell konfiguriert, umgesetzt und wenn nötig weiterentwickelt. Dieses Element stellt den Betrieb und die kontinuierliche Verbesserung des angebotenen Produkt-Service-Systems dar. Dabei werden schon nach Abschluss der „Create-PSS“-Phase die erarbeiteten und als positiv getesteten Ideen in den Entwicklungszyklus des Unternehmens eingebracht und bis zur Marktreife weiterentwickelt. Wichtige Faktoren für die Umsetzung des Entwicklungsprojektes sind die konsequente Konzentration auf die Entwicklung eines von Grund auf integrierten PSS sowie die konsequente Umsetzung des Dienstleistungsgedankens.

Das Projekt-Team am Steinbeis-Innovationszentrum 2 Digital Business erprobt das im Projekt entwickelte Vorgehensmodell momentan in Workshops mit den Praxispartnern des Use-PSS-Projektes. Durch Rückmeldungen und Evaluationen der beteiligten Unternehmen kann das Projekt-Team das Modell somit auf die Anforderungen der Zielgruppe der KMU abstimmen. Dabei legen die Projektpartner vor allem darauf Wert, dass das Modell möglichst einfach und nutzerfreundlich anwendbar ist, so dass durch eine hohe Akzeptanz der Zielgruppe möglichst gute Ergebnisse erzielt werden können.

Die Verschmelzung von Produkten und Dienstleistungen eröffnet zusammen mit den Chancen der Digitalisierung viele Möglichkeiten für neue Geschäftsmodelle. Dadurch werden bisher ungenutzte Potenziale im Unternehmen und in den bestehenden Produkten in zusätzlichen Kundennutzen umgewandelt. Hier eignen sich digitale Produkt-Service- Systeme besonders gut, um die Herausforderungen der Digitalisierung zu meistern.

Kontakt

Matthias Dietel, Prof. Uwe Dittmann, Prof. Alfred Schätter
Steinbeis-Innovationszentrum 2 Digital Business (Pforzheim)