Das bwcon research Team untersucht Misserfolgsfaktoren in der Verbundarbeit
In der Welt der Zusammenarbeit wird Erfolg gern groß gefeiert: Anstoßen auf den Projektabschluss, Best-Practice-Broschüren und Konferenzauftritte prägen das Bild. Doch wie steht es um die Vorhaben, die trotz guter Absichten und durchdachter Planung ins Stocken geraten – oder gar scheitern? Eine aktuelle Untersuchung der bwcon research gGmbH widmet sich genau diesen „anderen Gästen“ auf dem Parkett der Verbundarbeit: den Misserfolgsfaktoren, auch Nichterfolgsfaktoren genannt.
Verbundprojekte gelten als Instrument zur Lösung komplexer Herausforderungen – ob im Bildungsbereich, in der Forschung, bei Start-up-Förderungen oder digitalen Transformationsprozessen. Doch trotz bester Voraussetzungen führen viele Kooperationen nicht zum gewünschten Ergebnis. Und während Erfolgsfaktoren in der Literatur breit rezipiert sind, ist das Wissen über Nichterfolgsfaktoren noch vergleichsweise dünn. Was sind die häufigsten Gründe, warum Kooperationen im Verbund scheitern? Und was lässt sich daraus für die Praxis ableiten? Diese Fragen stellte sich Dr. Lukas Bruns, wissenschaftlicher Leiter bei bwcon research und Autor der aktuellen Studie.
Was ist Verbundarbeit?
„Verbundarbeit wird in unserer Untersuchung als Kooperation oder Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Organisationen, Unternehmen oder Institutionen verstanden, die mindestens ein gemeinsames Ziel haben“, erklärt Lukas Bruns. Sie kann viele Formen annehmen – von gesetzlich vorgeschrieben bis zu situativ oder projektbezogen.[1] Es geht um den Austausch von Wissen, Fähigkeiten und Ressourcen,[2] wobei sich Kooperationen aktiv planen und steuern lassen.[3]
Die Erfolgsfaktoren sind dabei vielfältig: Kontinuität von Schlüsselpersonen, eine engagierte Leitung oder ein gutes Netzwerkmanagement können förderlich sein.[4] Maschwitz et al. (2019) betonen zudem die Bedeutung von klaren Zielen, Rollenverteilungen und funktionierenden Arbeitsbeziehungen.[5] Dennoch gilt: Es gibt kein allgemeingültiges Erfolgsrezept. Jede Kooperation ist einzigartig und wird durch viele externe und interne Faktoren beeinflusst.[6]
Wichtig ist auch: Misserfolgsfaktoren sind nicht einfach das Gegenteil von Erfolgsfaktoren. Sie sind eigenständige Hindernisse, die Projekte aufhalten oder zum Stillstand bringen können – unabhängig davon, ob andere Bedingungen günstig erscheinen. Beispiele sind mangelhafte Abstimmungen, Fluktuation, Zielkonflikte oder fehlende Agilität. Die systematische Betrachtung von Nichterfolgsfaktoren hilft, Risiken frühzeitig zu erkennen und Kooperationen krisenfester zu gestalten.[7]
Forschungsdesign: Stimmen aus der Praxis
Für die bwcon research Untersuchung wurden qualitative Interviews mit zehn Personen geführt, die in der Leitung oder Teilleitung von Verbundprojekten in den Bereichen Weiterbildung und Kultur tätig waren. Ziel war es, typische Misserfolgsfaktoren aus erster Hand zu erfassen. Die Interviews wurden anonym durchgeführt und professionell transkribiert. Die Auswertung folgte der qualitativen Inhaltsanalyse nach Kuckartz (2018): Zunächst wurden die Aussagen explorativ codiert, anschließend thematisch geordnet und in neun Hauptkategorien zusammengefasst. Trotz sorgfältiger Durchführung hat die Studie Einschränkungen: Die Stichprobe ist klein und auf bestimmte Kontexte beschränkt, was die Übertragbarkeit der Ergebnisse einschränkt.
Typische Misserfolgsfaktoren
Aus den gesammelten Daten wurden neun übergeordnete Kategorien von Nichterfolgsfaktoren herausgearbeitet – mit teils hoher Relevanz für übergreifende Kooperationsformate:
- Fehlende Agilität
Viele Projekte scheitern, weil sie zu wenig flexibel auf Veränderungen reagieren. Veränderungen werden ignoriert, Planungen nicht angepasst – häufig aus Unsicherheit oder Prinzipientreue. - Engpässe beim Personal
Späte Personalgewinnung, hoher Aufwand bei der Rekrutierung oder Abgänge von Schlüsselpersonen führen zu Reibungsverlusten. Fluktuation wirkt sich auf Kontinuität und Vertrauen negativ aus. - Unklare oder divergierende Ziele
Fehlender Mehrwert, widersprüchliche Interessen oder mangelnde Zielschärfe führen dazu, dass Partner sich zurückziehen oder das Engagement nachlässt. - Strukturelle Brüche
Unterschiedliche Systeme, fehlende Abstimmungen und unklare Prozesse erschweren die Zusammenarbeit. Besonders problematisch: das Fehlen einer gemeinsamen Fehler- oder Lernkultur. - Problematische Hierarchien
Top-down-Entscheidungen ohne Beteiligung erzeugen Frustration. Die Handlungsspielräume operativer Ebenen sind häufig eingeschränkt, Entscheidungsprozesse intransparent. - Ressourcenmangel
Unrealistische Zeitpläne, ungleiche Mittelverteilung und zu geringe Budgets beeinträchtigen den Projekterfolg – insbesondere, wenn Erwartungen nicht mit den verfügbaren Ressourcen abgeglichen werden. - Geringes Engagement
Einige Projektbeteiligte bleiben passiv – trotz formeller Beteiligung. Ursachen: mangelnde Motivation, fehlende Ressourcen oder fehlende Verantwortlichkeitszuweisung. - Kommunikationsprobleme
Missverständnisse, unterschiedliche Erwartungen oder ein scheuer Umgang mit Kritik führen zu Spannungen. Rückmeldeschleifen fehlen, Austauschformate bleiben ungenutzt. - Mangelnde Verbindlichkeit
Unklare Verantwortlichkeiten, fehlende Entscheidungsbefugnisse oder „lippenbekenntnishaftes“ Engagement führen dazu, dass Projekte ins Stocken geraten oder ineffektiv verlaufen.
Impulse für die Praxis
Die Untersuchung macht deutlich: Misserfolge in Verbundprojekten sind vielschichtig und wirken oft in Kombination. Gerade deshalb ist ihre Analyse so wertvoll. „Misserfolgsfaktoren lassen sich nicht immer vermeiden – wohl aber erkennen, reflektieren und adressieren“, ist Lukas Bruns überzeugt. Die Auseinandersetzung damit hilft, Risiken frühzeitig zu identifizieren und gezielt gegenzusteuern. Für die Praxis ergeben sich daraus drei zentrale Impulse:
- Fehlertoleranz statt Schuldzuweisung
Ein offener Umgang mit Fehlern erhöht die Lernfähigkeit im Projektverlauf – und stärkt die Kooperationskultur. - Rollen und Zuständigkeiten klären
Verlässlichkeit entsteht durch klare Strukturen – insbesondere bei der Verteilung von Aufgaben und Entscheidungskompetenzen. - Ziele aktiv reflektieren
Zielbilder sind keine einmalige Festlegung, sondern ein dynamischer Prozess. Nur wer den Sinn gemeinsam aufrechterhält, bleibt langfristig im Verbund handlungsfähig.
Warum es sich lohnt, auf das Scheitern zu schauen
Kooperationen sind kein Selbstläufer – sie leben von Beteiligung, Klarheit und gemeinsamer Verantwortung. Dabei haben Misserfolge viele Gesichter. Manche Faktoren sind systemisch, andere individuell oder situativ bedingt. Entscheidend ist jedoch, dass sie nicht ignoriert, sondern systematisch reflektiert werden. Diese systematische Auseinandersetzung mit Misserfolgsfaktoren bietet eine wertvolle Grundlage, um die Qualität und Nachhaltigkeit von Verbundprojekten zu stärken. Denn: Es gibt zwar kein Patentrezept, doch wer die Stolpersteine kennt, kann sie gezielt umgehen – oder stabiler über sie hinweggehen.
Kontakt
Dr. Lukas Bruns (Autor)
Wissenschaftlicher Leiter
bwcon research gGmbH (Stuttgart)

