Ein Beispiel für gelungenen Wissens- und Technologietransfer
Auf einigen Metallen lassen sich transparente Deckschichten erzeugen, bei denen aufgrund von Interferenzeffekten die Schichten farbig erscheinen. Jedoch können bei der Herstellung durch PECVD-Verfahren aufgrund von elektrischen Feldeffekten an Kanten oder engen Vertiefungen deutliche Farbabweichungen durch Änderung der Schichtdicke auftreten. Die Experten des Steinbeis-Transferzentrums Oberflächen- und Beschichtungstechnik und der Hochschule Furtwangen haben sich mit dieser Problematik beschäftigt und festgestellt, dass der Einsatz der Atomlagenabscheidung (ALD)-Beschichtung diese Nachteile umgeht und die Abscheidung von Schichten mit exakter Dicke, zum Beispiel von Titan- oder Aluminiumoxid, erlaubt. Auf glatten metallischen Untergründen entstehen auf diese Weise sehr dekorative und aufgrund der Härte beständige farbige Schichten. Das Verfahren kann sowohl für Gestell- als auch für Schüttware eingesetzt werden.
Die Abscheidung dünner Schichten im Plasma mit CVD-Verfahren (PECVD, plasma enhanced chemical vapor deposition) ist seit längerem bekannt und findet in vielen verschiedenen industriellen Anwendungen ein breites Einsatzspektrum. Jedoch lassen sich nur flache Bauteile gleichmäßig beschichten. Das Prinzip der Entstehung von Interferenzfarben sorgt dafür, dass sich variierende Schichtdicken visuell als Regenbogenfarben manifestieren, was in den allermeisten Anwendungsfällen unerwünscht ist. Kleine Strukturen, wie sie in der Medizintechnik oder Uhrenindustrie zum Einsatz kommen, können mit PECVD oft nicht konturtreu beschichtet werden.
Eine interessante Alternative dazu bietet das ALD-Verfahren (ALD – atomic layer deposition, Atomlagenabscheidung), bei dem sich die Schichtdicke im sub-Nanometerbereich genau einstellen lässt. Dadurch ist es möglich, auch Bauteile mit komplexen Geometrien und großen Aspektverhältnissen völlig gleichmäßig und auch reproduzierbar zu beschichten. Damit kann ein völlig homogener Farbeindruck erzielt werden. Auch bei größeren Chargen mit hoher Packungsdichte ist die Beschichtung aller Bauteile gleich, wodurch praktisch kein Ausschuss entsteht. Da das Verfahren im Vergleich zu PECVD teurer ist, wird es bevorzugt bei kleinen Komponenten, wie zum Beispiel Uhrenbauteilen, wirtschaftlich angewendet.
Optische Interferenzeffekte
Interferenzfarben sind unter anderem von schwebenden Seifenblasen in der Sonne bekannt. Die Farbeffekte entstehen durch Verstärkung und Auslöschung von Lichtwellen. Die physikalischen Zusammenhänge der Interferenz an einer dünnen Schicht lassen sich folgenderweise beschreiben [1]: Eine ebene Lichtwelle fällt aus einem Medium der optischen Brechzahl n1 auf eine dünne Schicht der Dicke d und der Brechzahl n2. Ein Teil der Welle wird direkt an der ersten Grenzfläche zwischen den Medien reflektiert (B’), ein anderer Teil an der zweiten (unteren) Grenzfläche (C). Im Medium 2 haben die Lichtwellen eine andere Ausbreitungsgeschwindigkeit. Die reflektierten Strahlen 1“ und 2” unterscheiden sich durch einen Gangunterschied g. Nach dem Fermatschen Prinzip ist die Laufzeit des Lichtes von A nach B gleich wie von A’ nach B’. Hinzu kommt ein Phasensprung von π (halbe Periode) an der Grenzfläche Medium 1 / Medium 2, wenn n2 > n1 ist. Eine Auslöschung von Lichtwellenlängen λ (Farben) tritt auf, wenn die Phasendifferenz = π ist (entspricht Gangunterschied λ /2).
Unterschiedliche Schichtdicken d sorgen also dafür, dass verschiedene Wellenlängen (Farben) aus dem reflektierten Licht fehlen. Das ursprünglich weiße, alle Farben enthaltende Beleuchtungslicht verliert einige Farbanteile und erscheint in einer Restfarbe. Der beschichtete Gegenstand erhält unter Beleuchtung somit eine Interferenzfarbe. Jeder Schichtdicke entspricht eine andere Farbe, wobei die Farben sich bei wachsender Schichtdicke periodisch wiederholen. Denn Auslöschung tritt nicht nur bei einem Gangunterschied von λ /2 auf, sondern auch bei 3 λ /2, 5 λ /2 und weiteren ungeraden Vielfachen von λ.
Inhomogene Farben aufgrund von Feldeffekten
Wenn mit PECVD transparente Interferenzschichten auf Metallen abgeschieden werden, entsteht jedoch fast immer eine inhomogene Farbgebung als Ergebnis [2], da die Interferenzschichten auf 3D-Teilen in gewissem Umfang inhomogen aufwachsen. Selbst wenige Nanometer Schichtdickenunterschied führen bereits zu einem unterschiedlichen Farbeindruck. Der Grund für die inhomogenen Schichtdicken liegt in der unterschiedlichen elektrischen Feldverteilung auf den Substraten. Vor allem an Kanten oder in Vertiefungen besitzen die Schichten unterschiedliche Dicken. Die inhomogene Feldverteilung lässt sich wie folgt erklären: Metallische Oberflächen sind elektrisch leitend und somit elektrische Äquipotenzialflächen, das heißt alle Punkte auf der Oberfläche haben das gleiche elektrische Potenzial. Für den einfachen Fall einer elektrisch leitenden und geladenen Kugel gilt, dass eine gleichmäßige Verteilung der Oberflächenladung vorliegt. Überschussladungen fließen sofort an eine beliebige Stelle auf der Kugeloberfläche, wodurch ein Potenzialausgleich folgt (Faraday-Käfig). Je kleiner der Radius einer Kugel beziehungsweise einer durch eine Kugel angenäherten Ausbuchtung oder Spitze einer metallischen Fläche ist, desto höher sind die Flächenladungsdichte und die Feldstärke auf diesem Flächenstück des zu beschichtenden Bauteils. Dieses vereinfachte Modell berücksichtigt keine Abschirmeffekte des Plasmas oder den Dunkelraum. Es macht aber plausibel, wie erhöhte Abscheideraten an Ecken und Kanten auftreten. Im Extremfall kann die Feldüberhöhung zu Spitzenentladung führen: Plasmatechniker kennen die gefürchteten elektrischen Überschläge, die von scharfen Kanten und Spitzen ausgehen können. Falls es sich aber um nicht zu spitze Geometrien handelt, kann hier über die höhere Feldstärke eine größere Abscheiderate der Schicht erreicht werden. In Vertiefungen erfolgt demzufolge aufgrund der Abschirmung des Felds (Faraday-Käfig-Effekt) eine verringerte Abscheidung. Je nach benötigter Anwendung lässt sich diese inhomogene Abscheiderate zur Erzeugung von Effekten ausnutzen, beispielsweise in Form bunter regenbogenfarbiger Fahrradketten oder Zahnkränze [6].
Eine Möglichkeit zur Herstellung von diesen Farbverläufen ist die PECVD-Beschichtungsmethode, die schillernde Interferenzfarben erzeugt. Ist diese erhöhte Abscheiderate unerwünscht, kann versucht werden, über Hilfselektroden das elektrische Feld um das zu beschichtende Bauteil zu homogenisieren. Allerdings ist diese Art, eine gleichmäßige Schichtdickenverteilung an Kanten zu erzielen, mit einem sehr hohen apparativen und regelungstechnischen Aufwand verbunden und führt bei zunehmender Komplexität der Bauteile schnell an die Grenzen des Verfahrens. Weiterhin ist bei PECVD die Schichtabscheidung in kleine Vertiefungen im sub-Millimeterbereich sehr schwer zu erreichen oder gar nicht möglich. Dies bedeutet, dass zum Beispiel für die Beschichtung von Uhrenbauteilen ein anderes Verfahren benötigt wird. Die Atomlagenabscheidung kann dafür eine gangbare Lösung darstellen.
Atomlagenabscheidung
Im Gegensatz zu CVD- oder PECVD-Verfahren ist die Atomlagenabscheidung (atomic layer deposition, ALD) ein zweistufiges Verfahren [3, 4]. Dabei wird eine Oberfläche nacheinander zwei verschiedenen Reaktanden ausgesetzt: Der erste Reaktand bildet durch Adsorption an der Oberfläche zunächst eine Monolage, also eine Schicht, die nur ein einziges Molekül dick ist. Dabei ist entscheidend, dass sich keine weiteren Moleküle des ersten Reaktanden an die Monolage binden, sobald diese vollständig ist. Der Prozess ist damit selbstlimitierend. Nach einem Spül- und Abpumpschritt wird ein zweiter Reaktand eingeleitet, der mit der gebildeten Monolage zu einem festen Reaktionsprodukt in Form einer dünnen, monomolekularen oder monoatomaren Schicht reagiert.
Bei thermischen ALD-Prozessen sind für eine erfolgreiche Abscheidung spezifische Grenzen bezüglich der anwendbaren Temperatur zu beachten. Wenn die Temperatur zu niedrig ist, sinkt die Reaktionsgeschwindigkeit deutlich und die Zeit für einen Zyklus wird sehr lang. Außerdem kann es zur Kondensation und damit zu einer höheren Abscheiderate als erwartet kommen. Auf der anderen Seite führt eine zu hohe Temperatur entweder zu einer Desorption des Präkursors von der Oberfläche (Abscheiderate niedriger als erwartet) oder, falls dies nicht eintritt, zu einer thermischen Zersetzung an der Oberfläche (Abscheiderate höher als erwartet). In einigen Fällen ist damit kein praktikables Prozessfenster zu finden.
Um diese Einschränkung zu umgehen beziehungsweise grundsätzlich einen ALD-Prozess zu ermöglichen, kann die Reaktivität eines Präkursors erhöht werden, zum Beispiel durch Aktivierung beziehungsweise Ionisierung in einem Plasma [5]. Diese Technologie wird als PEALD (plasmaunterstützte Atomlagenabscheidung) bezeichnet. Dadurch ist eine Abscheidung bei deutlich niedrigeren Temperaturen möglich und es können temperaturempfindliche Werkstoffe, beispielsweise viele Kunststoffe, beschichtet werden. Die so erzeugten Schichten sind defektfrei und äußerst homogen. Wichtig dabei ist, dass das Plasma nur zur Aktivierung des Co-Reaktanden verwendet wird und der zweistufige Charakter des Verfahrens somit erhalten bleibt. Es ist naheliegend, dass PEALD-Verfahren klare Vorteile gegenüber reinen PECVD-Verfahren haben, wenn Bauteile mit komplexeren Geometrien beschichtet werden sollen.
Aufbau einer ALD-Beschichtungsanlage
Der Hauptbestandteil der Anlage ist die Prozesskammer, in der das Substrat auf Prozesstemperatur gehalten wird und die Prozessgase eingeleitet werden. Ein Pumpstand, bestehend aus zwei verschiedenen Vakuumpumpen, dient zum Evakuieren der Kammer. Ziel ist hier, Reaktionen mit Molekülen aus der Restgas-Atmosphäre zu vermeiden. Der optimale Basisdruck dieses Vakuums liegt üblicherweise im Bereich von etwa 0,002 mbar. Zur Drucküberwachung werden geeignete Drucksensoren eingesetzt. Zum Einleiten der Ausgangschemikalie (Präkursoren) und des Spülgases dienen Hochgeschwindigkeits-ALD-Ventile. Flüssige und feste Präkursoren werden geheizt, gasförmige Präkursoren und das Spülgas werden zusätzlich mit einem MFC (mass flow controller, Massenflussregler) geregelt. Zur Erzeugung des Plasmas wird ein Hochfrequenz-Plasmagenerator verwendet, dessen Elektrode sich über dem Substrathalter befindet.
Herstellung dekorativer und beständiger ALD-Interferenzschichten
Die Abscheidung von farbigen dekorativen Schichten ist nur auf metallisch glänzenden Grundwerkstoffen möglich. Bei matten Substraten tritt nicht genügend Reflexion an der unteren Grenzfläche auf. Kunststoffe müssen also zur Herstellung einer Interferenzschicht in einem ersten Schritt mit Metall beschichtet werden. Je glänzender die jeweilige Oberfläche ist, auf der die Schicht abgeschieden wird, desto brillanter erscheint die Interferenzfarbe. Die besten Effekte werden auf verchromten Oberflächen erreicht, aber auch Edelstahl oder Titan liefern sehr gute Resultate. Auf Aluminium werden die Farben in der Regel geringfügig matter.
Die bei Niedertemperatur (T < 100 °C) abgeschiedenen ALD-Schichten bestehen in der Regel aus Metalloxiden wie Titandioxid oder Aluminiumoxid. Die Schichtdicken bewegen sich im Bereich zwischen etwa 20 nm und 100 nm. Diese Oxidschichten sind thermodynamisch stabil und zeigen eine hervorragende Beständigkeit gegen Säuren, Laugen und organische Lösemittel. Sie bieten somit einen optimalen Korrosionsschutz. Weiterhin ist bei geeigneter Wahl der Schicht auch die dermatologische Verträglichkeit oder Biokompatibilität gegeben. Wenn der Untergrund eine ausreichende Härte aufweist, können selbst dünne ALD-Oxidschichten sehr kratzfest sein. Uhrenteile, wie zum Beispiel Federn oder Schrauben, können damit effektvoll farbig gestaltet werden.
Theorie und Praxis Hand in Hand
Die Forschung zu ALD-Beschichtung zeigt einmal mehr, wie der Wissenstransfer aus der Forschung in die Praxis erfolgreich umgesetzt werden kann: Während die Experten der Hochschule Furtwangen die theoretische Basis liefern, führt das Team des Steinbeis-Transferzentrums Oberflächen- und Beschichtungstechnik Versuche zur Erprobung der Einsatzfähigkeit auf kleinen komplex geformten Bauteilen durch.
Dieser Artikel erschien erstmals im Magazin WOMag, Ausgabe 10/2023 [7] und wurde für die Transfer überarbeitet.
Kontakt
Prof. Dr. Volker Bucher (Autor)
Steinbeis-Unternehmer
Steinbeis-Transferzentrum Oberflächen- und Beschichtungstechnik (Rottweil)
Leiter
Institut für Mikrosystemtechnik | Hochschule Furtwangen (Villingen-Schwenningen)
Wolfram Kintzel (Autor)
Laborleiter
Forschungszentrum Rottweil Hochschule Furtwangen (Rottweil)
Nicolai Simon (Autor)
Wissenschaftlicher Mitarbeiter
Forschungszentrum Rottweil Hochschule Furtwangen (Rottweil)