Mit KI die Kunststoffindustrie optimieren

Steinbeis-Software STASA QC macht den Spritzgießprozess effizienter

Die STASA Steinbeis Angewandte Systemanalyse GmbH hat über 20 Jahre tiefgreifende Erfahrung in der Entwicklung und Programmierung KI-basierter Systeme sowie der Systemanalyse, das heißt im Umgang mit Daten, deren Analyse, Modellierung, Simulation und Umsetzung in kommerziellen KI-Softwareprodukten. Eine vom Steinbeis-Team aus Stuttgart entwickelte KI-Software wird beispielsweise zur Optimierung des Spritzgießprozesses eingesetzt.

Die Kunststoffindustrie ist ein wichtiger industrieller Zweig. Das dort eingesetzte Spritzgießen ist als Produktionsprozess attraktiver denn je, denn dieses Verfahren ist prädestiniert, innovative Bauteile und Baugruppen kosteneffektiv und qualitativ hochwertig herzustellen. Die Frage nach dem Königsweg zur effizienten Energienutzung, Erhöhung der Materialeffizienz, Ausschussreduzierung und Kostenminimierung in der Prozesseinrichtung und Produktion sowie Verminderung der industriellen Umweltbelastung hat damit für die zumeist mittelständischen Spritzgießbetriebe in Deutschland existenziellen Charakter. Unterstützung bekommen sie von der künstlichen Intelligenz: KI-basierte Verfahren sind längst Bestandteil in der Herstellung zahlreicher mittelständischer Produkte und verbessern durch die Nutzung zukunftsweisender intelligenter Technologien die Marktposition der Unternehmen. Denn intelligente Systeme sollten einfach in der Handhabung sein, den Anwender gezielt unterstützen und Lösungen aufzeigen, die über einen einfachen Anpassungsprozess hinausgehen.

Der Spritzgießprozess ist komplex, daher ist es schwierig, deterministische Simulationsmodelle zu bilden, die als digitaler Zwilling verwendet werden können. Genau deshalb bieten sich KI-Verfahren zur Modellierung dieser komplexen Wirkungszusammenhänge an. Die Spritzgießmaschine und das Produktionswerkzeug bilden einerseits eine Einheit, andererseits generieren beide unabhängig voneinander über Sensoren Daten, die mithilfe von KI ausgewertet und analysiert werden können.

Mensch-KI-Interaktion

Ein wichtiger Faktor beim Spritzgießprozess ist der Mensch, der mit dem Einrichten, Anfahren und der Produktion beschäftigt ist: Aufbauend auf seinen Erfahrungen sucht ein Einrichter eine optimale Prozesseinstellung, wobei es bei mindestens vier bis sechs zu variierenden Parametern an der Spritzgießmaschine (menschlich) schlichtweg unmöglich ist, den Raum der Einstellmöglichkeiten mit hinreichend vielen Datenpunkten zu belegen. Die Erfahrung des Einrichters bestimmt den Arbeitspunkt, ein objektives Kriterium für die beste Wahl gibt es bei Trial-and-Error-Verfahren nicht, sodass die Unsicherheit, inwieweit die gewählte Maschineneinstellung die beste Wahl ist, bleibt. Was wäre, wenn der Einrichter bei seinen Eingaben zum Auffinden des optimalen Arbeitspunktes durch ein KI-basiertes Recommender-System Empfehlungen erhält, die ihn gezielt und zügig in die richtige Richtung führen – allein durch eine Bewertung der attributiven Qualitätsmerkmale, wie Gratbildung oder Einfallstellen? Was wäre, wenn wenige weitere über eine KI ausgewählte Einstellungen genügen würden, ein zuverlässig arbeitendes Modell der Spritzgießmaschine, einen digitalen Zwilling, zu erzeugen, mit allen Analyse- und Simulationsmöglichkeiten, die KI-basierte Simulationssoftware bietet?

STASA QC: Automatisierte Optimierung

Diesen Fragen ist das Team der STASA GmbH mit ihrer Software STASA QC nachgegangen. Zeit- und Kosteneinsparungen sowie Effizienzsteigerung sind das Ziel dieser Software. Sie dient der effizienten Ermittlung von optimalen Prozesseinstellungen und kann anhand von wenigen Trainingseinstellungen der einzelnen Prozessparameter und durch anschließendes Bewerten der Bauteile einen digitalen Zwilling erstellen. Dabei handelt es sich um ein KI-basiertes Prozessmodell, das die einzelnen Einstellgrößen an der Spritzgießmaschine mit Qualitätsmerkmalen wie Maße, Gewicht, Gratbildung, Einfallstellen und Zykluszeit in Zusammenhang bringt. Die Zuverlässigkeit der KI-basierten Modelle in STASA QC ermöglicht es, unterschiedliche Einstellungen einzugeben und ihre Auswirkungen auf den Fertigungsprozess zu simulieren. Als Ergebnis wird zusätzlich die optimale Maschineneinstellung automatisiert ermittelt, um die gewünschte Qualität und die gesetzten Optimierungsziele zu erreichen.

Qualitätssicherung mit STASA QC und ComoNeo

Die Qualität spritzgegossener Teile entscheidet sich maßgeblich beim verwendeten Produktionswerkzeug. Werden beim Training der einzelnen Prozessparameter neben den Qualitätsmerkmalen zusätzlich die jeweiligen Werkzeuginnendruckkurven aufgenommen, kann über den Fertigungsablauf die Qualität der Formteile vorhergesagt werden. Auf Basis dieser fortwährenden Prozessanalyse werden die Bauteilmaße prognostiziert. Störungen, Prozessschwankungen und langfristige Prozessveränderungen, die Einfluss auf die Qualität der Formteile haben, werden dank des selbstgenerierenden neuronalen Netzes im Prozessüberwachungssystem ComoNeo der Kistler Instrumente AG aus Winterthur mit den KI-Systemen von STASA QC sofort erkannt. Das ermöglicht eine Online-Beurteilung der Prozessqualität, sodass für jeden einzelnen Zyklus entschieden werden kann, ob das gerade gefertigte Formteil den Qualitätsanforderungen entspricht. Die Messung und KI-basierte Auswertung des Werkzeuginnendrucks macht damit eine Null-Fehler-Produktion möglich. Durch die Kombination von STASA QC und ComoNeo gibt es eine deutliche Verringerung der Fertigungstoleranzen von ISO-Toleranzgrad (IT) 9 auf bis zu IT 7 unter optimalen Bedingungen und damit höchste Stückzahlen bei maximaler Präzision.

KI-Bereiche im Umfeld einer Spritzgießmaschine (Quelle: STASA Steinbeis Angewandte Systemanalyse GmbH)

 

Die Forschung geht weiter

Eine Spritzgießmaschine verfügt über eine Vielzahl an unterschiedlichen Sensoren, die der Überwachung und Regelung der internen Prozesse dienen. Zu den maschinenbedingten Prozessschwankungen kommen Materialschwankungen, Verschleiß, Luftfeuchtigkeit, Temperaturschwankungen sowie weitere Störgrößen hinzu. Durch die zahlreichen mechanisch und thermisch gekoppelten Prozesse und die unterschiedlichen Störgrößen ist jeder Zyklus, jeder Füllvorgang eines Formteils anders und führt damit zu Schwankungen in der Schmelzequalität und letztlich zu Prozessschwankungen – ein typischer Einsatzfall für KI-Methoden und Thema im laufenden Forschungsprojekt KIassistsKMU[1], an dem Steinbeis-Experte Professor Dr. Günter Haag und sein Team gerade arbeiten. Ziel des Vorhabens ist die Entwicklung eines Assistenzsystems für die Kunststoffindustrie, welches einerseits das Erfahrungswissen der Anwender erfasst und andererseits mithilfe von KI bisher unbekannte Zusammenhänge erschließen und geeignete Problemlösungsstrategien entwickeln kann. Mithilfe des Assistenzsystems wird das Erfahrungswissen der Maschinenbediener über die komplexen Wirkbeziehungen in Kunststoffverarbeitungsprozessen erfasst und für das Training KI-basierter neuronaler Netze genutzt. Recommender-Algorithmen sorgen dann dafür, dass Handlungsempfehlungen für die Fehlerbehebung im laufenden Prozess ausgegeben werden. Die online erfassten Daten, sowohl in der Spritzgießmaschine als auch im Werkzeug, können ferner zur vorausschauenden Wartung (Predictive Maintenance) proaktiv genutzt werden. Dadurch sollen Qualitätsstandards gehalten sowie Stillstände und damit verbundene Kosten reduziert werden. Die Erfahrungen des Steinbeis-Teams zeigen, dass die Produktionskosten durch den Einsatz KI-basierter Verfahren im Durchschnitt gegenüber herkömmlichen Verfahren um 10 bis 15 % reduziert werden können. „Der Zeitaufwand für Optimierungen konnte mit den KI-Verfahren von STASA QC gegenüber der konventionellen Optimierung sogar auf ein Drittel bis ein Fünftel reduziert werden“, fasst Günter Haag zusammen.

Kontakt

Prof. Dr. habil. Günter Haag (Autor)
Geschäftsführer
STASA Steinbeis Angewandte Systemanalyse GmbH (Stuttgart)
www.stasa.de

Quellen:
[1] KIassistsKMU: KI-BASIERTES ASSISTENZSYSTEM FÜR DIE KUNSTSTOFFVERARBEITUNG, Bundesministerium für Bildung und Forschung (FKZ: 01|S21039B)
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