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Den Nutzer im Blick

Steinbeis-Experten unterstützen Mechatronikspezialist bei der nutzerzentrierten Variantenentwicklung

Seit über 15 Jahren ist die 2E mechatronic GmbH & Co. KG als Spezialist in der Entwicklung innovativer mechatronischer Produkte in den Bereichen Sensorik, Präzisionsspritzguss und Mikrosystemtechnik auf Expansionskurs und hat sich dabei in der Automobilindustrie und der Medizintechnik einen Namen gemacht. Um für einen spezialisierten kapazitiven Neigungssensor gezielt neue Anwendungsfelder zu finden, hat das Unternehmen nach Unterstützung bei Steinbeis gesucht. Das Steinbeis-Transferzentrum Management – Innovation – Technologie (MIT) half im Schulterschluss mit der Frankfurter Designagentur iconstorm bei der nutzerzentrierten Entwicklung einer variantengerechten Produktarchitektur und der Anpassung des unternehmenseigenen Innovationsprozesses.

Vor allem im Mittelstand klagen viele Unternehmen über einen unzureichenden Markterfolg gerade ihrer hochinnovativen Produkte und Lösungen. Eigentlich haben sie doch alles richtig gemacht: Ein systematischer Innovationsprozess wurde im Unternehmen eingeführt und die Innovation selbst wird nach dem Prinzip des Lead User Ansatzes ausgewählt, das heißt, das Produkt wird für eine spezifische Kundenlösung entwickelt und gebaut und dabei werden soweit als möglich auch schon die Anforderungen weiterer Kunden und Zielgruppen berücksichtigt. Doch die verkauften Stückzahlen sind nicht ausreichend, um die Innovationsaufwände zu decken – der Grund: Neue Kunden verlangen individuelle Anpassungen der bereits bestehenden Lösungen, damit diese optimal für ihren Einsatz passen. Diese Anpassungen führen zu einem Mehraufwand – ein Kreislauf, der in vielen Unternehmen zu (zu) vielen Varianten mit entsprechend geringem Ertrag führt.

Auch Uwe Remer, der Geschäftsführer von 2E mechatronic, kennt diese Herausforderung zur Genüge: „Wenn wir weiterhin innovative Produkte an den Markt bringen wollen, müssen wir unseren technologieorientierten Innovationsprozess anpassen“, so seine Überzeugung, als er sich an das Steinbeis-Transferzentrum Management – Innovation – Technologie (MIT) wandte. „Wie findet 2E mechatronic weitere Kunden für seine innovativen Produkte, ohne dabei jedesmal eine Neuentwicklung starten zu müssen, um die Anforderungen des Kunden zu bedienen?“, lautete denn die Aufgabenstellung für die Steinbeis-Experten.

Eine Analyse des Innovationsprozesses von 2E mechatronic zeigte, dass dieser typisch für ein technologieorientiertes Unternehmen gestaltet war: Auf der Basis des Stage-Gate-Prozesses wurde ein linearer Prozess abgebildet, der dort Schwächen aufweist, wo insbesondere eine hohe Kundenorientierung erforderlich ist, um die Anforderungen des Nutzers frühzeitig in der kreativen Konzept- und Prototypenphase abzubilden. Abhilfe bietet hier die Erweiterung des Stage-Gate-Prozesses um Methoden und Werkzeuge des Design Thinking sowie den aus der Softwareentwicklung stammenden Human Centered Design Prozess, die eine intensive Einbindung des Nutzers bereits früh im Innovationsprozess ermöglicht. Dabei werden qualifizierende Informationen über den Anwender und dessen Anforderungen beim möglichen Einsatz des innovativen Produkts im jeweiligen Anwendungskontext gesammelt, systematisiert, bewertet und anhand von Prototypen frühzeitig im Entwicklungsprozess getestet. Diese Erweiterung des tradierten technikzentrierten Ansatzes um nutzerzentrierte Aspekte ermöglicht es, individualisierte Produktvarianten zielgerichtet zu entwickeln und das Risiko einer zu starken Fokussierung auf nur wenige potentielle Kunden drastisch zu reduzieren. Dieser Ansatz einer Human Centered Innovation wurde denn auch bei 2E mechatronic verfolgt und beim Pilotprojekt eines kapazitiven Neigungssensors angewandt. Zu Beginn identifizierte das Projekt-Team auf Basis bereits bekannter Einsatzgebiete des Neigungssensors systematisch neue Anwendungsgruppen, zugehörige Marktsegmente und denkbare Anwendungsfälle. So wird dieser bereits bei der Positionsbestimmung von Baggerschaufeln eingesetzt – daraus lässt sich beispielsweise der Anwendungsfall „Messung von Windrotorblättern“ ableiten. Aus dieser Systematisierung konnten nun neue Kriterien abgeleitet werden: Bei der Vermessung von Rotorblättern entstehen zusätzliche Anforderungen an das Gehäuse des Sensors, die sich auf die Materialauswahl, die Gehäusegestaltung und vieles mehr auswirken. Bereits in dieser frühen Ideenphase wurden einfache Prototpyen zur möglichen Umsetzung der Anforderungen und Ideen entwickelt – und dabei der eine oder andere vielversprechende Anwendungsfall gleich wieder verworfen, weil der Aufwand für die finale Realisierung technisch und/oder wirtschaftlich nicht passt. Ein wichtiger Schritt ist der frühe Kontakt zu den späteren möglichen Nutzern. Durch diese Kontaktaufnahme kann nicht nur die Gefahr der „Fehlentwicklung“ drastisch reduziert werden, Nutzerbedarfe können auch konkretisiert und in die finale Produktrealisierung integriert werden. Diese zentralen Schritte wurden im Innovationsprozess nicht nur linear durchgeführt, sondern kamen im Rahmen eines iterativen Vorgehens wiederholt zum Einsatz – bis alle Beteiligten mit der jeweiligen Lösung zufrieden waren und die nächste Phase freigegeben wurde.

„Die Erweiterung unseres technologielastigen Innovationsprozesses um diesen starken Nutzer-Fokus hat uns im Hinblick auf die Fokussierung auf passende Zielkunden erheblich vorangebracht“, kommentiert Uwe Remer dieses Vorgehen, „aber wir wollten auch ein Handwerkszeug haben, um dieses Vorgehen auch künftig für andere Produkte anwenden zu können“, ergänzt Stephan Huttenlocher, 2E mechatronic Produktmanager. Die Experten von Steinbeis und iconstorm entwickelten für diese Anforderung eine individuelle Methoden-Toolbox, die die vier Komponenten Anwendungsmatrix, Anwendungsfälle, Nutzerbeschreibung und Benchmark umfasst. „Nun sind wir sehr viel besser als bisher in der Lage einen Volltreffer zu landen“, ist Uwe Remer überzeugt.

Eine weitere Erkenntnis kam für das Projekt-Team weniger überraschend: Die identifizierten unterschiedlichen neuen Anwendungsfelder für den Neigungssensor und die daraus resultierenden zusätzlichen Produktfunktionen erfordern Kompetenzen, die nicht alle bereits bei 2E mechatronic verfügbar sind. „Wir sind keine Datenexperten“, stellt Nico Philipp, der Projektleiter, nüchtern fest. „Da müssen wir uns mit externen Partnern behelfen, um eine durchgängige Kundenlösung anbieten zu können“, so Nico Philipp weiter. Uwe Remer bewertet diesen Umstand positiv: Der überzeugte Netzwerker hat kein Problem damit, mit anderen Unternehmen zu kooperieren – im Gegenteil. Selbst wenn sich diese Partnerstruktur auf das bestehende Geschäftsmodell von 2E mechatronic auswirkt: „Wenn unsere Kunden einen intelligenten Sensor von uns haben wollen und wir für diese Funktionalität neue Schlüsselpartner benötigen, dann werden wir diese finden und unser Geschäftsmodell entsprechend anpassen“, so Dr. Andreas Pojtinger, technischer Leiter bei 2E mechatronic, entspannt. „Unser Ziel ist die kompromisslose Generierung von Wertschöpfung – ein Maximum an Effizienz!“

„Der anhaltende Trend zur Individualisierung verlangt von den Unternehmen immer mehr Flexibilität und Vielfalt in ihren Produkten und Prozessen – und dieser Trend wird durch die Möglichkeiten der Digitalisierung noch verstärkt“, so Prof. Dr.-Ing. Günther Würtz vom Steinbeis- Transferzentrum MIT. „Deshalb sind wir überzeugt, dass der Innovationsprozess als Schlüsselprozess im Unternehmen um diese Nutzerzentrierung erweitert werden muss, damit ein Unternehmen nachhaltig am Markt erfolgreich bleiben kann – deshalb auch Human Centered Innovation“. Für die 2E mechatronic ist diese Anpassung nun erfolgreich erfolgt, die erforderlichen Werkzeuge sind verfügbar – nun heißt es: just do it!

Kontakt

Prof. Dr.-Ing. Günther Würtz
Steinbeis-Transferzentrum Management – Innovation – Technologie (MIT) (Stuttgart)

Uwe Remer
2E mechatronic GmbH & Co. KG (Kirchheim/Teck)

Jochen Denzinger
iconstorm GmbH & Co. KG (Frankfurt/Main)