© istockphoto.com/z_wei

Vertrauensaufbau zur Krisenprävention

Steinbeis-Berater Holger Hagenlocher erklärt, wie Unternehmen sich besser für Krisen rüsten

Jede unternehmerische Tätigkeit ist mit Risiken behaftet. Schon bei der Gründung muss sich ein junges Unternehmen damit auseinandersetzen, mit seinen Produkten und Dienstleistungen auf keine Resonanz zu stoßen, zu wenig Umsatz zu generieren und auf seinen hergestellten Produkten sitzen zu bleiben. Wie eine gute Vertrauensbasis zwischen Unternehmen und Stakeholdern im Umgang mit Krisen helfen kann, beleuchtet Steinbeis-Berater Holger Hagenlocher.

Risiken begleiten stets das unternehmerische Wirken: Manchmal werden sie bewusst eingegangen, wie der Vertrieb in politisch unsichere Absatzmärkte, einseitige Abhängigkeiten von Lieferanten in einer globalisierten Welt oder Produktionsentscheidungen, deren Erfolg unsicher ist. Wächst sich ein Risiko zur Krise aus, sind Unternehmen dennoch oft unvorbereitet. Dabei könnten sie sich gut auf solche Situationen einstellen und vorher Notfallszenarien für den Ernstfall durchspielen. Der Plan B kann aus der Schublade gezogen werden und ein strukturiertes Vorgehen ist möglich, sowohl hinsichtlich der betriebswirtschaftlichen Notwendigkeiten als auch der zu treffenden Kommunikationsmaßnahmen.

Mit der Umfeldanalyse Risiken erkennen

Bei bereits existierenden und bekannten Risiken ist es die Aufgabe der Unternehmenskommunikation, proaktiv bei den Stakeholdern ein Bewusstsein für das Problem zu schaffen, so eine Sensibilisierung zu bewirken und den Boden für das betriebswirtschaftliche Handeln zu bereiten. Um entsprechende Vorkehrungen treffen zu können, müssen Unternehmen über Marktströmungen, Zukunftstechnologien und Konsumententrends gut informiert sein. Eine Umfeldanalyse, auch Arena-Analyse genannt, benennt den Status quo auf dem Markt, identifiziert rechtzeitig Strömungen und Trends und unterstützt Unternehmen dabei zu erkennen, welche Risiken, gesellschaftlich, politisch und technisch, vorhanden sind. Teil dieser Analyse ist unter anderem die Stakeholder-Analyse, bei der der Einfluss und die Macht relevanter Bezugsgruppen genauso untersucht werden wie deren Einstellungen und Bedürfnisse, auch bezüglich der Kommunikation. Darüber hinaus können mit einer Issue-Analyse Trends und Themen systematisch aufgespürt und sogenannte „weak signals“, also Indikatoren für potenziell auftauchende Probleme in der Zukunft, erkannt werden. Spezielle Sachverhalte, wie zum Beispiel das aufkommende Umweltbewusstsein, die anbahnende Klimakrise, die Gefahr von kriegerischen Auseinandersetzungen, aber auch das Aufkommen einer disruptiven technischen Entwicklung, können in einer Issue-Analyse rechtzeitig beschrieben und mit dem Issue Management strategisch und operativ angegangen werden. Je früher diese risikobehafteten Themen erkannt werden, umso höher ist der Handlungsspielraum – und desto besser lässt sich das Handeln auf eine potenzielle Krise vorbereiten. So erhalten Organisationen eine umfassende Basis für Entscheidungen hinsichtlich der zukünftigen strategischen Ausrichtung der Geschäftstätigkeit. Die Analyse ersetzt jedoch nicht eine kontinuierliche Medienbeobachtung inklusive des Social-Media-Listenings, um kurzfristig auf Entwicklungen reagieren zu können.

Krisenprävention und -resilienz

Kommen Krisen dennoch unerwartet und entsprechend unvorbereitet, ist bei der Bewältigung der Krise das Vertrauen der Stakeholder gegenüber dem Unternehmen und seinen Produkten ein Schlüsselfaktor. Studien zeigen, dass Unternehmen, denen von ihren Stakeholdern ein hohes Vertrauen entgegengebracht wird, besser und schneller Krisen durchschreiten können. Ähnlich korrelieren die Größen „Reputation“ und „Markenbekanntheit“ mit der Krisenresilienz. Weitere Erhebungen zeigen, dass Unternehmen mit einem hohen Vertrauenswert am Markt erfolgreicher sind. Damit ergibt sich die logische Konsequenz, dass Vertrauen nicht nur der Krisenresilienz dient, sondern ein Asset im Portfolio eines Unternehmens ist. Auch bei Unternehmensverkäufen, Übernahmen oder Nachfolgeregelungen spielt das Vertrauen der Investoren, der Kunden, der Lieferanten und der Belegschaft eine wesentliche Rolle, um den Übergang zu meistern. Je stärker das Vertrauen gegenüber einem Unternehmen oder einer Marke ist, desto höher die Kundenbindung und die Loyalität in Zeiten des Wandels und in Krisenzeiten.

Reduktion von Komplexität

Wenn Vertrauen ein entscheidender Faktor ist, ist es wichtig zu definieren, was Vertrauen ist und wie sich dieses strategisch und systematisch aufbauen lässt. Die VUCA-Welt ist von unkontrollierbarer Komplexität geprägt, sodass Menschen in jeder beliebigen Situation sehr viele unterschiedliche Handlungsmöglichkeiten frei wählen können. Der Zeitraum, in dem ein Kunde eine Entscheidung trifft, ist sehr kurz und bietet nicht die Möglichkeit alle Handlungsoptionen zu prüfen. Da er sich nur dann auf bestimmte Formen der Kooperation einlässt, wenn er sich auf das zukünftige Handeln einer Person verlassen kann, nutzt er das Phänomen des Vertrauens (oder Misstrauens), um der Situation die Komplexität zu nehmen. Der Soziologe Niklas Luhmann sieht Vertrauen deshalb vor allem als Mittel zur Reduktion von Komplexität. Auch für wirtschaftliche Organisationen spielt Vertrauen eine zentrale Rolle, dies gilt sowohl für die Interaktion mit dem Kunden im B2C- als auch im B2B-Bereich. Luhmann betrachtet Vertrauen zugleich als eine „riskante Vorleistung“ für denjenigen, der vertraut. Der Vertrauensgeber macht sich verwundbar gegenüber dem Vertrauensnehmer, da dessen Vertrauenswürdigkeit nie völlig kontrolliert oder vorhergesagt werden kann.

Transparenz schafft Vertrauen

In zwischenmenschlichen Beziehungen baut sich Vertrauen durch positive Erfahrungen auf und beruht auf der Zuversicht, dass der andere die in ihn gesetzten Erwartungen oder die von ihm gemachten Zusagen nicht enttäuscht. Denn Vertrauen kann nicht implementiert, befohlen, gelernt oder gekauft werden. Deshalb sollten Unternehmen die Beziehungen zu den wichtigsten externen und internen Stakeholdern konstant pflegen. Der Aufbau von Vertrauen bringt viele Vorteile mit sich: So kann beispielsweise die Wettbewerbsfähigkeit eines Unternehmens deutlich gesteigert werden. Viele interne Prozesse werden, zum Beispiel aufgrund des Wegfalls von Kontrollen im Arbeitsalltag, beschleunigt. Die Beschäftigten des Unternehmens arbeiten motivierter, wenn die Tätigkeit in einem Umfeld stattfindet, das von Vertrauen und Wertschätzung geprägt ist, außerdem werden Prozesskosten gesenkt. Die Folgen, die aus einem Vertrauensverlust resultieren würden, sind zumindest im selben Maße negativ.

Transparenz kann in vielfältiger Weise dazu beitragen, dass Vertrauen zu einem Unternehmen wachsen kann: Anwohner bekommen einen Einblick, was hinter den Werktoren vor sich geht, oder Beschäftigte und Anteilseigner erhalten frühzeitig Informationen zur weiteren Entwicklung des Unternehmens. Je nachvollziehbarer Entscheidungen und Maßnahmen sind, je besser diese erklärt und vermittelt werden, umso mehr führt diese Transparenz zu Vertrauen – und das ist hilfreich, wenn das Verständnis der Stakeholder in Krisensituationen benötigt wird. Wo anstelle eines gewachsenen Vertrauens ein Klima des Misstrauens vorherrscht, können sich Risiken schnell zu eskalierenden Krisen entwickeln.

Kommunikation und Taten müssen übereinstimmen

Um sowohl intra- als auch extraorganisationales Vertrauen zu fördern, ist es deshalb wichtig, dass Unternehmen eine glaubwürdige Kommunikation und eine Orientierung an ethisch-moralischen Grundsätzen gewährleisten.

Vertrauen ist eine Folge von gut geführter Kommunikation und einer der wichtigsten Schlüsselbegriffe in der Unternehmenskommunikation. Nicht die Bekanntheit an sich, sondern die Schaffung von Vertrauen und Verständnis für das Unternehmenshandeln muss entsprechend das wichtigste Ziel der Unternehmenskommunikation sein. Somit darf Kommunikation nicht ausschließlich als Informationsvermittlung betrachtet werden, vielmehr muss die Kommunikation auch mit den Taten des Senders übereinstimmen. Wenn Erwartungen und Versprechen erfüllt werden, wird das Vertrauen gestärkt. Dies führt zum erneuten Vertrauensvorschuss des Stakeholders gegenüber dem Unternehmen, der Schritt für Schritt zu mehr Krisenresilienz führt.

Kontakt

Holger Hagenlocher (Autor)
Freiberuflicher Projektleiter
Steinbeis-Beratungszentrum Unternehmenscoaching (Stuttgart)
www.steinbeis-uc.de

217079-39