Simulation eines Flüssigkeitstropfens auf einer strukturierten Oberfläche © F. Wang (weiterführende Simulationsstudien siehe in [6])

Materialentwicklung der Zukunft: maßgeschneidert und effizient

Steinbeis-Experten setzen die Software Pace3D für Mikrostrukturdesign und Datenanalyse ein

Materialien stehen im Fokus der zukünftigen Herausforderungen im Gesundheitswesen, in der Medizintechnik sowie von Strategien zur Bewältigung des Klimawandels, zur Ressourceneinsparung, Energieversorgung und -speicherung. Die Kenntnis der Materialeigenschaften und deren gezielte Beeinflussung ermöglichen eine Verbesserung technischer Komponenten und die Entwicklung neuer Module. Moderne Materialsimulationen haben einen Entwicklungsstand erreicht, bei dem Einblicke in die komplexen Mikrostrukturen von Materialien und Materialkompositen möglich sind. Über simulationsgestützte und datengetriebene Sensitivitätsanalysen gelingt es, Mikrostrukturen und damit Materialien beschleunigt zu entwickeln. Das Karlsruher Team am Steinbeis-Transferzentrum Werkstoffsimulation und Prozessoptimierung nutzt dafür die an der Hochschule Karlsruhe entwickelte Simulationssoftware Pace3D und stellt einige Best-Practice-Beispiele vor.

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Aus den Simulationsdaten lassen sich über fortgeschrittene Data Science und maschinelle Lernmethoden Wirkzusammenhänge zwischen Mikrostruktur und Materialeigenschaften gewinnen. Mit diesem Wissen können neue Materialien mit maßgeschneidertem mikrostrukturellem Aufbau entwickelt und verbesserte Prozessabläufe gestaltet werden. „Als integraler Bestandteil eines dynamisch adaptiven Entwicklungszyklus ermöglichen uns Materialsimulationen ein datengetriebenes, beschleunigtes Design neuer Materialien und sind für uns daher ein unverzichtbares Werkzeug der Materialentwicklung“, verdeutlicht Steinbeis-Unternehmerin Professor Dr. Britta Nestler den Stellenwert der Simulationssoftware.

Pace3D [1,2] ist ein umfangreiches modulares und für die Nutzung von High Performance Computing (HPC)-Systemen optimiertes Softwarepaket für Mikrostruktursimulationen, das vom Steinbeis-Transferzentrum Werkstoffsimulation und Prozessoptimierung zur computergestützten Auslegung von Mikrostrukturen für eine Vielzahl von Materialien und Anwendungen genutzt wird. Neben konkreten Auftragsarbeiten werden Lizenzen der Software für den Einsatz in Entwicklungsprozessen der Materialherstellung und -verarbeitung vertrieben.

Pace3D: Erfolgreiche Best-Practice-Anwendungen

Der Einsatz der Software ist vielfältig: So lässt sich beispielsweise durch das mit Hilfe von Pace3D entwickelte gezielte Design der offenporigen Membranstruktur in medizinischen Diagnostiktests (wie COVID-Schnelltests) der Flüssigkeitstransport optimieren. Ein anderes Beispiel: Richtungsabhängige Porositäts-Permeabilitäts-Analysen in verschiedenen Gesteinsuntergründen spielen eine zentrale Rolle für die Auslegung von Geothermieanlagen, Energiespeichersystemen, die CO2-Lagerung und bei der Gestaltung einer effizienten Grundwasserreinigung.

Darüber hinaus erlauben Mikrostruktursimulationen ein detailliertes Design von Oberflächen in hydrophilen und hydrophoben Bereichen zur Steuerung von Benetzungsvorgängen und Flüssigkeitstropfenverteilungen, die unter anderem in der Medizintechnik, der Mikrofluidik und bei 3D-Druckverfahren für elektronische Schaltungen angewendet werden.

Ein gutes Team: Pace3D und Kadi4Mat

Das Software-Framework Pace3D wird seit dem Jahr 2001 in der Programmiersprache C/C++ auf Linux-Systemen entwickelt. Es ist modular, entsprechend den eingebundenen Physikmodellen aufgebaut und vollständig mit überzeugenden Skalierungseigenschaften auf HPC-Systemen parallelisiert. Pace3D enthält ein Kompendium aus Methoden zur Datenvorbereitung, für den Datentransfer und für die Datenauswertung und ermöglicht somit die Einbindung in eine ganzheitliche Multiskalenmodellierung.

In einer Forschungskultur, in der Open Science ein selbsterklärtes Ziel ist, spielt Open Data neben der Open-Access-Publikation eine zentrale Rolle. Daher bestehen Programmierschnittstellen und eine enge Zusammenarbeit zur Open-Source-Forschungsdateninfrastruktur Kadi4Mat [3,4]. Diese neu geschaffene Plattform ermöglicht eine Anwendung der FAIR-Prinzipien (findable, accessable, interoperable and reusable), um Wissenschaft und Innovation im digitalen Zeitalter voranzutreiben. Durch Kadi4Mat können Forschungs- und Entwicklungsdaten für die Nachnutzung verfügbar und langfristig reproduzierbar gemacht werden. Ziel der aufeinander abgestimmten Entwicklung der Softwarepakete Pace3D und Kadi4Mat ist die Etablierung von elektronischen Laborbüchern, von Datenanalysewerkzeugen und den daraus resultierenden Workflows sowie der Aufbau materialwissenschaftlicher Ontologien.

Kontakt

Prof. Dr. Britta Nestler (Autorin)
Steinbeis-Unternehmerin
Steinbeis-Transferzentrum Werkstoffsimulation und Prozessoptimierung (Karlsruhe)

Michael Selzer (Autor)
Steinbeis-Unternehmer
Steinbeis-Transferzentrum Werkstoffsimulation und Prozessoptimierung (Karlsruhe)

Literatur
[1]   Hötzer, J., Reiter, A., Hierl, H., Steinmetz, P., Selzer, M., Nestler, B. “The parallel multi-physics phase-field framework PACE3D”. In: Journal of Computational Science 26 (2018), S. 1–12. ISSN: 18777503. DOI: 10.1016/j.jocs.2018.02.011
[2]   https://www.h-ka.de/idm/profil/pace3d-software
[3]   Brandt, N., Griem, L., Herrmann, C., Schoof, E., Tosato, G., Zhao, Y., Zschumme, P., Selzer, M., 2021. Kadi4Mat: A Research Data Infrastructure for Materials Science. Data Science Journal, 20(1), p.8. DOI: http://doi.org/10.5334/dsj-2021-008
[4]   https://kadi.iam-cms.kit.edu/
[5]   Altschuh, P. Dissertation ,,Skalenübergreifende Analyse makroporöser Membranen im Kontext digitaler Zwillinge‘‘, DOI: 10.5445/IR/1000122904
[6]   Wu, Y., Wang, F., Selzer, M., Nestler, B. ‘‘Investigation of Equilibrium Droplet Shapes on Chemically Striped Patterned Surfaces Using Phase-Field Method’’, Langmuir 2019, 35, 25, 8500–8516
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