Ein neues nachhaltiges Verständnis von Innovation

Steinbeis-Team unterstützt Unternehmen beim frugalen (Um-)Denken

Innovative Produkte, innovative Konzepte, innovatives Denken: Innovation gilt als Zauberwort des modernen Wirtschaftsprozesses, durch dessen konsequente Anwendung Aufschwung und Fortschritt stets gesichert scheinen. Ob das tatsächlich der Fall ist und welchen gesellschaftlichen Mehrwert innovative Produkte mit sich bringen, damit beschäftigt sich das Team des Steinbeis-­Beratungszentrums Frugale Technologien und legt seinen Schwerpunkt dabei auf Frugalität. Was das bedeutet und welche Rolle der Nachhaltigkeit dabei zukommt, haben die Steinbeis-Experten Rebekka Reichert und Wolfgang Heisel für die TRANSFER zusammengefasst.

Der Ökonom Joseph Schumpeter definierte Innovation bereits 1934 als „Durchsetzung neuer Kombinationen“[1]. Bei einer intensiveren Auseinandersetzung mit dem Begriff Innovation in der heutigen Zeit fällt schnell auf, dass er oft nicht den Herausforderungen des modernen Alltags gerecht wird und ein Umdenken angebracht ist – unter anderem in Richtung des Klimawandels und seinen verheerenden Folgen oder der Knappheit von Ressourcen und deren gerechte Allokation. Die moderne Marktwirtschaft ist gezwungen, agil auf das Weltgeschehen zu reagieren und Innovatoren muss es gelingen, den Schritt von einer neuen Idee hin zu einer Innovation mit gesellschaftlichem Mehrwert unter den sich stetig verändernden Umständen zu gehen. Ein aktuelles Beispiel ist die durch COVID-19 verursachte Pandemie, die Wertschöpfungsketten, Nachfragen und Angebote vollkommen durcheinandergebracht hat.

Umdenken und frugal innovieren

Konventionelle Lösungsansätze sind nicht mehr zielführend. So wirkt der Blick auf ausgelagerte Produktionen und Dienstleistungen interessant und die dafürsprechenden Gründe liegen aus wirtschaftlicher Sicht auf der Hand. Die Lohnkosten sind niedrig, die Produktionsauflagen marginal und die Transportkosten fallen in der Regel nur geringfügig ins Gewicht. In China sind die Löhne aber mittlerweile zu hoch, um hier in großem Umfang kostengünstig zu fertigen. In den meisten Fällen gilt: Die deutsche Wirtschaft ist in China für China. Deshalb bemühen sich deutsche Unternehmen schon seit Jahren, ihre Fertigungen in andere asiatische Märkte zu verlagern, vor allem nach Vietnam, Thailand und Malaysia. Eine sogenannte China-Plus-Eins-Strategie minimiert außerdem das Risiko, dass eine vollständige Abhängigkeit von einem Land besteht. Zielsetzung ist es, die Produktion (system-)relevanter Produkte, wie beispielsweise von Medikamenten, auf mehrere Länder zu verteilen, innerhalb der Länder vermehrt lokal zu arbeiten und die Produktpalette hinsichtlich regionaler Erzeugnisse und Zulieferhubs auszuweiten.

Das ist aber nicht die einzige Strategie. „Es ist jetzt an der Zeit, umzudenken und ein neues Verständnis von Innovation zu entwickeln“, sagt Wolfgang Heisel, Stein­beis-Unternehmer am Steinbeis-Beratungszentrum Frugale Technologien. Das Konzept der frugalen Innovation bietet einen spannenden neuen Blickwinkel und vereint durch einen Fokus auf das Wesentliche unvereinbar erscheinende Ziele wie wirtschaftliches Wachstum, Nachhaltigkeit und geringe Kosten. Mit Blick auf die Zukunft besteht durch ein Umdenken und die Anwendung von frugalen Kriterien die Möglichkeit zur Zusammenarbeit über die Grenzen hinweg. Frugale Innovation, oft als „sparsame Innovation“ verstanden, erhebt den Anspruch der Einfachheit. Zusatzfunktionen ohne erheblichen Mehrwert werden weggelassen, Grundfunktionen angepasst, verbessert oder hinzugefügt. Das Resultat ist ein Produkt, das nachhaltig und besser auf den jeweiligen Markt zugeschnitten ist als dessen Alternativen.

Was steckt hinter frugaler Innovation?

Einheitliche Kriterien, die frugale Innovation erfüllen muss, gibt es nicht. Am häufigsten genannt werden eine sub­stanzielle Reduktion der Kosten, ein optimiertes Leistungsniveau und eine Konzentration auf die Kernfunktionalitäten.[2] Frugale Innovation ist für Unternehmen jeder Größe anwendbar und bietet sowohl für gewinnorientierte Unternehmen als auch Endkunden und andere Stakeholder enorme Chancen Produkte zu entwickeln, die sich erfolgreich am Markt etablieren. Damit der Markteinstieg auch in aufstrebenden Märkten, wie etwa Indien, gelingt, ist ein Eingehen auf die Kundenbedürfnisse essenziell. Zudem ist ein Fokus auf die Nachhaltigkeit einer Innovation erforderlich. Eine Aufnahme dieser beiden Dimensionen in das Verständnis frugaler Innovation birgt einen eindeutigen Mehrwert.

Ein neues Denken kann dazu beitragen, eine hohe Diversität aufzufächern und dennoch kundenorientiert in den unterschiedlichen Ländern agieren zu können. Dieser Ansatz kann auch dazu beitragen, solche Einschränkungen, wie sie in den Lockdown-Phasen der COVID-19-­Pandemie aufgetreten sind, zu überwinden. Die Produktion innerhalb des Landes wird möglich sein, wenn einfachere Technologien und Geräte entworfen und angewendet werden können, die grundlegende Funktionen mit optimierter Leistung kombinieren und preissensitiv gestaltet sind. „Einfacher“ heißt nicht „schlechter“ oder technologisch veraltet. Im Gegenteil: „Einfacher“ bedeutet, dass Endprodukte von teuren und meist auch komplexen Teilen sowie von Teilen, die aufwendig importiert werden müssen, befreit werden, um durch lokal verfügbare, billigere und für den Anwendungsfall passende Elemente ersetzt zu werden, was auch den Preis erheblich senken würde. Der frugale Gedanke führt bei einer Vielzahl von Produkten und Dienstleistungen zu einzigartigen Lösungen, die aufgrund der Ressourcenanalyse und deren Verwendung auch nachhaltig werden können. Und genau das ist dringend notwendig, auch wenn es in kleinen Schritten passiert.

Kontakt

Wolfgang Heisel (Autor)
Steinbeis-Unternehmer
Steinbeis-Beratungszentrum Frugale Technologien (Konstanz)
www.steinbeis-frugal.eu

Rebekka Reichert (Autorin)
Freie Projektleiterin
Steinbeis-Beratungszentrum Frugale Technologien (Konstanz)
www.steinbeis-frugal.eu


Quellen
[1] Schumpeter 2013, S. 100–101
[2] Weyrauch und Herstatt 2017
215405-72