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„Wir denken aus der Zukunft heraus“

Die Steinbeis-Unternehmerinnen Kerstin Schenk und Professor Dr. Esin Bozyazi im Gespräch über die Herausforderungen eines nachhaltigen Geschäftsmodells

Der Begriff der Nachhaltigkeit wird heute allzu schnell ausschließlich mit umweltfreundlichem Handeln gleichgesetzt. Dabei erfordert ein nachhaltiges Handlungsprinzip weit mehr: Es ist ausgerichtet auf den verantwortungsvollen Umgang mit endlichen Ressourcen, ganz gleich welcher Art. Dass Nachhaltigkeit damit auch zwingend Einzug in Geschäftsmodelle und Unternehmensstrategien finden muss, davon überzeugen Kerstin Schenk und Professor Dr. Esin Bozyazi ihre Kunden im Steinbeis-Beratungszentrum Geschäftsmodelle der Zukunft. Mit der TRANSFER haben sie über die Anforderungen gesprochen, die ein nachhaltiges Konzept mit sich bringt.

Frau Schenk, Frau Professor Bozyazi, in Ihrer Arbeit setzen Sie auf Nachhaltigkeit als Zukunftsmodell: Warum haben Sie sich für diesen Ansatz entschieden?

Esin Bozyazi:
Wenn man sich unsere Werdegänge ansieht, war das sehr naheliegend. Neben unserem Steinbeis-Beratungszentrum habe ich 2015 das Institut für soziale Nachhaltigkeit mitgegründet. Nachhaltigkeit ist aus ökologischer Sicht keine Frage mehr. Wir haben das nun um die soziale Nachhaltigkeit ergänzt. Damit habe ich mich in einem Bereich wiedergefunden, in dem ich für Gesellschaft und Natur Mehrwerte schaffen kann. Denn genau darum geht es ja eigentlich bei Geschäftsmodellen.

Kerstin Schenk:
Auch bei mir ist das ein Stück weit Historie, die aus einer gewissen Leidenschaft entstanden ist. Ich habe immer schon Projekte im Bereich nachhaltige Arbeit durchgeführt und nachhaltige Arbeitskulturen entwickelt. Das Thema begleitet mich seit mehr als 15 Jahren. Ich glaube, Esin und ich sind beide Menschen, die aus der Zukunft heraus denken. Und wenn man das tut, kann man gar nicht anders als sich Nachhaltigkeit als Thema auf die Fahnen zu schreiben: Wir streben nicht nach den Low-hang­ing-fruits und den Quick-wins, sondern nach etwas, das langfristige Lösungen schafft und die Gesellschaft verändert – sei das im Arbeitsumfeld oder im Privaten.

EB:
Natürlich denken nicht alle Unternehmen von der Zukunft aus, einige fragen sich lediglich, was sie jetzt konkret tun können. Aber die Sustainable Development Goals der UN sind schon seit langem ein Orientierung gebendes Thema und es hat sich auch gesellschaftlich schon einiges verändert, wir haben einen gewissen gesellschaftlichen Konsens gefunden. Wir gehen beispielsweise endlich das Klimaproblem an, das wir selbst geschaffen haben.

Warum sollten sich Unternehmen Ihrer Meinung nach intensiv mit nachhaltigen Geschäftsmodellen beschäftigen?

KS:
Mit der Marketingbrille betrachtet besteht natürlich immer die Gefahr, dass Nachhaltigkeit nur als Branding verwendet wird. Ich glaube aber, Gesellschaft und Kunden sind inzwischen so aufgeklärt, dass das heutzutage nicht mehr durchgeht. Das ist auch nicht der Ansatz, den wir verfolgen. Wenn man sich den Wertewandel in unserer Gesellschaft ansieht, dann sind nachhaltige Themen wie Gesundheit und Umweltschutz die Themen, die immer wichtiger werden. Das ist ein Feld und damit ein USP, der mit Sicherheit in Zukunft immer mehr an Relevanz gewinnen wird.

Es ist ein Phänomen unseres Zeitalters, dass man sehr viel einfacher an Wissen kommt. Was früher noch ein bisschen im Dunkeln lag, beispielsweise Produktionsprozesse oder wie ein Unternehmen tatsächlich wirtschaftet, wird immer transparenter und ist der Öffentlichkeit zugänglich und bekannt. Ich bin überzeugt, dass die Kunden von morgen zunehmend mit in ihre Bewertung nehmen, ob ein Unternehmen nachhaltig wirtschaftet oder nicht, bevor sie ein Produkt kaufen.

EB:
Unternehmen beschäftigen sich intensiv mit dem Nachhaltigkeitsaspekt ihres Geschäftsmodells, nicht nur im Rahmen des Human-centered-Ansatzes und im Hinblick auf den Kundenwunsch. Durch neue Technologien, Schnelligkeit aber auch Schnelllebigkeit haben wir andere Möglichkeiten Geschäftsmodelle zu gestalten. Kundenwünsche ändern sich, die technologische Entwicklung ändert sich. Deshalb müssen wir im Blick haben, wie wir unser eigenes Geschäftsmodell weiterentwickeln, wie wir beispielsweise Bezahlung anbieten: Wie beeinflussen uns Bitcoin, Blockchain oder Bezahlung mit dem iPhone? Die Geschäftsmodellentwicklung berücksichtigt von der Produktion bis zur Bezahlung alle Bereiche und nimmt Anpassungen vor, um auf Neuerungen zu reagieren.

KS:
Lassen Sie uns kurz die Rolle rückwärts machen und uns fragen, was ist denn ein Geschäftsmodell überhaupt? Ein Geschäftsmodell ist ein Denkmodell, das versucht, möglichst umfassend zu skizzieren, mit welchen Tätigkeiten und Feldern ein Unternehmen heutzutage zu tun hat und welche Bereiche organisiert werden müssen. Wesentlich ist, in allen Bereichen nachhaltig zu denken, weil wir in einer sehr agilen Welt leben und sich die kurzfristigen Quick-wins immer schneller ändern. Um auch hier Zukunftsfähigkeit und Wettbewerbsfähigkeit zu schaffen, ist es wichtig vom Ansatz der Nachhaltigkeit aus zu denken.

Was sind die wichtigsten Meilensteine, aber auch die größten Hürden bei der Entwicklung von nachhaltigen Geschäftsmodellen?

KS:
Meilensteine verbinde ich immer mit einer Roadmap und die Roadmap für Nachhaltigkeit gibt es in Form der SDG der UN, an denen wir uns orientieren sollten. Man muss das Rad nicht neu erfinden, sondern diese übergeordneten Ziele auf jeden einzelnen Bereich eines Geschäftsmodells herunterbrechen.

EB:
Absolut. Die Hürden, die wir beobachten, liegen darin, die Supply Chain zu kon­trollieren und die richtigen Ressourcen von den richtigen Lieferanten zu kaufen, absichtlich oder unabsichtlich. Hier sehen wir unsere Rolle darin, das Bewusstsein dafür zu erweitern. Wenn elektrische Autos als nachhaltiges Produkt verkauft werden, die Batterien dafür aber in Südamerika unter schlimmsten Bedingungen produziert und Ressourcen im großen Stil rücksichtslos abgebaut werden, dann ist das sozial nicht nachhaltig. Daraus leitet sich die Hürde ab, woher Produzenten die benötigten Ressourcen auf wirklich nachhaltige Weise bekommen und ob sie diese auch entsprechend verarbeiten können. Manchmal ist die dafür benötigte Technologie vorhanden, ein anderes Mal zwar vorhanden, aber zu teuer, um die Kundenwünsche zu erfüllen. Auch hier wollen wir kompromisslos eine sogenannte Circular economy schaffen: Was in den Wirtschaftskreislauf eingebracht wird, muss maximal sozial, nachhaltig und ökologisch sein. Hundertprozentig nachhaltige Geschäftsmodelle und Geschäftsprozesse zu entwickeln ist momentan noch eine große Herausforderung.

KS:
Ich glaube, aus Sicht einer Circular economy denken Unternehmen provokant gesagt noch zu kurz. Die Denkweise hört oft dort auf, wo der Unternehmensprozess endet. Der Unternehmer muss die Wertschöpfungskette aber weiterdenken, nicht nur bis zu seinen eigenen Kernkompetenzen. Das ist eine Denke und ein Mindset, die noch nicht überall vorhanden sind. Das müssen wir in die Unternehmen, in die Köpfe und vor allem bis in die Führungsebene bekommen.

EB:
Und genau hier setzen wir an und versuchen diese Kultur in die Unternehmen zu bekommen. Dazu haben wir einige Impulse und Beratungsansätze, wie wir das gemeinsam mit den Unternehmen gestalten.

Wie sehen Sie die aktuelle Lage: Sind wir schon auf einem guten Weg zu mehr Nachhaltigkeit in Unternehmen?

KS:
Es gibt schon gute Beispiele dafür, die vor allem immer mehr in der Start-up-Szene aufkommen. Wir verwenden die Suchmaschine Ecosia, es gibt den grünen Strom. Man muss aber natürlich genau hingucken, wie nachhaltig das wirklich ist. Ich glaube, in einigen Branchen sind wir da weiter, in anderen gibt es noch viel zu tun. Wir stehen im Gesamtprozess noch am Anfang, aber der ist immerhin gemacht.

EB:
Vieles hat heute noch zu sehr Marketingcharakter. Und natürlich sollte der Nachhaltigkeitsansatz nicht nur im Geschäftlichen, sondern auch im Privaten gelebt werden. Einige Ansätze und Voraussetzungen sind vorhanden und vielversprechend. Nun fehlen lediglich die passende Denkweise und das konsequente Tun! Dabei bieten wir gern unsere Hilfe an, für mittelständische wie auch Großunternehmen.

KS:
Unser Kernanliegen ist, dieses Thema nicht nur zu denken, sondern auch umzusetzen. Wir nennen uns „Co-Creator“ und in diesem Sinne packen wir es auch an!

Kontakt

Prof. Dr. Esin Bozyazi (Autorin)
Steinbeis-Unternehmerin
Steinbeis-Beratungszentrum Geschäftsmodelle der Zukunft (Stuttgart)

Kerstin Schenk (Autorin)
Steinbeis-Unternehmerin
Steinbeis-Beratungszentrum Geschäftsmodelle der Zukunft (Stuttgart)

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