„Vertrauen zu schaffen ist zentral“

Im Gespräch mit Dr. Marie-Eve Reinert, Senior Project Managerin der Steinbeis 2i GmbH

Wasserstoff als Energieträger – dieser Ansatz wird schon seit Jahrzehnten verfolgt: Bereits seit den 1960er-Jahren wird das Gas als Treibstoff in der Raumfahrt genutzt, in den 1970er- und 1980er-Jahren begannen Forscher mit Wasserstoff zu experimentieren mit dem Ziel, damit von den fossilen Energieträgern unabhängig zu werden. Heute kommt Wasserstoff eine wichtige Rolle beim erhofften Erreichen der Klimaneutralität zu. Aber warum eigentlich gerade Wasserstoff? Die TRANSFER hat bei der Steinbeis-Expertin Dr. Marie-Eve Reinert nachgefragt. Sie ist Gruppenleiterin im Bereich Mobilität, Wasserstofftechnologien bei der Steinbeis 2i GmbH und weiß aus erster Hand, worauf es beim Einsatz von Wasserstoff ankommt.

David Colomar, Projektkoordinator von COSMHYC, tankt Wasserstoff für eine Probefahrt in Karlsruhe

 

Frau Dr. Reinert, welche Vorteile hat der Einsatz von Wasserstoff in der Mobilität?

Wasserstoff ist als emissionsfreier Energieträger sehr wichtig für die Energiewende und den Klimaschutz, vorausgesetzt man verwendet sogenannten grünen Wasserstoff. Dabei werden für die Gewinnung des Gases nur emissionsfreie, erneuerbare Energien genutzt, zum Beispiel Windkraft oder Solarenergie. Für diese Energiegewinnungsformen mit fluktuierender Leistung kann Wasserstoff auch als Speicher und Puffer eingesetzt werden. Ein weiterer Vorteil des Wasserstoffs ist seine Energiedichte. Im Vergleich zu elektrischen Batterien kann in Wasserstoff mehr Energie gespeichert werden. Das ist ein erheblicher Vorteil für Fahrzeuge, denn sie können eine größere Reichweite erzielen. Hinzu kommt, dass bei der Reaktion zwischen Wasserstoff und Sauerstoff überwiegend Wasser entsteht. Somit kommt es zu weniger CO2-Emissionen und dazu, dass weniger fossile Energieträger verbraucht werden.

Was sind weitere Einsatzmöglichkeiten von Wasserstoff? Wie können Wirtschaft, aber auch Gesellschaft davon profitieren?

Wasserstoff als Energieträger kann sehr vielseitig eingesetzt werden. Es gibt viele Projekte zur Wasserstoffmobilität, in denen Autos, Busse, LKW, Züge oder auch Schiffe auf Wasserstoffantriebe umgestellt werden. Insbesondere für LKW, die täglich viele Kilometer zurücklegen müssen und große Lasten bewegen, wäre Wasserstoff der Treibstoff erster Wahl. Auch in der Industrie wird Wasserstoff intensiv genutzt. Die Herausforderung besteht nun darin, es zu schaffen, genügend grünen Wasserstoff zu produzieren, um alle Sektoren zum Beispiel Chemie, Metallbearbeitung, Stahl- und Glasproduktion, zu dekarbonisieren.

Wasserstoff ist auch die Basis für andere grüne Kraftstoffe, zum Beispiel für synthetisches Gas. So beschäftigt sich das Unternehmen INERATEC, das wir begleiten, mit innovativer Reaktortechnologie um solche „e-fuels“ zu produzieren. Es liefert unter anderem modulare Anlagen, die in energiebezogenen Bereichen eingesetzt werden, und Lösungen im Bereich Power-to-Gas.

Man darf aber nicht außer Acht lassen, dass viele Menschen bei Wasserstoff noch Sicherheitsbedenken haben. Der Wasserstoffsektor wurde mobilisiert und hat in den letzten Jahren durch Arbeitsgruppen große Fortschritte zu diesem Thema gemacht. Die heutigen Wasserstofftechnologien sind sicher, und das zu vermitteln und Vertrauen zu schaffen ist zentral, damit sich die Technologie auf dem Markt durchsetzen kann.

Wasserstoff hat zwar ein großes Potenzial, aber es müssen noch einige Hürden genommen werden, bevor er in die breite Anwendung findet. Wie kann das Ihrer Meinung nach gelöst werden?

Eigentlich gibt es bereits viele funktionierende Technologien, um Wasserstoff zu gewinnen, zu verteilen und zu nutzen. Diese müssen nun aber aus der Forschung und aus den Demonstrationsprojekten heraus den Schritt zur industriellen Reife schaffen, sodass sie in großem Maßstab eingesetzt werden können. Aktuell ist eines der großen Themen die Hochskalierung der Produktion von Wasserstoff in den Giga-Watt-Bereich. Auch die Kompression von Wasserstoff ist ein zentraler Prozess für die Verwertung von Wasserstoff in großem Maßstab, denn Wasserstoff hat eine sehr geringe Dichte. Die Wasserstoffkompression muss effizienter werden, um die erforderlichen Mengen bereitzustellen und den Preis pro Kilogramm komprimierten Wasserstoffs für die Endverbraucher attraktiv zu machen. Hier bieten wir mit dem Projekt COSMHYC eine innovative Lösung an.

Wir machen aber gerade große Schritte hin zur „Wasserstoffzukunft“. Im Juli 2020 hat die EU ihre Wasserstoffstrategie für ein klimaneutrales Europa veröffentlicht. Auch einzelne Mitgliedstaaten haben vergangenes Jahr ambitionierte nationale Wasserstoffstrategien vorgestellt, darunter Frankreich und Deutschland. Klimaschutz und Wasserstoff stehen nun also weit oben auf der politischen Agenda. Für die konkrete Umsetzung brauchen wir jetzt Wasserstoffmodellregionen, in denen die technische und wirtschaftliche Umsetzung über verschiedene Sektoren hinweg demonstriert werden kann.

Ein Projekt haben Sie schon erwähnt, an welchen weiteren Projekten im Bereich Wasserstoff ist die Steinbeis 2i aktuell beteiligt?

Wir sind aktuell an fünf europäischen Projekten beteiligt. In dem bereits erwähnten Projekt COSMHYC arbeiten wir mit dem European Institute For Energy Research (EIFER) und drei weiteren Partnern an der Entwicklung einer verbesserten Wasserstoffkompression und testen einen Prototypen unter realen Bedingungen. Die Kompressionslösung, die dabei entwickelt wird, wird in dem zweiten EU-Projekt COSMHYC XL für große Wasserstofftankstellen erweitert, da hier der Schwerlastverkehr im Projektmittelpunkt steht.

Das nächste Projekt – das Innovationsprojekt INN-BALANCE – richtet den Fokus auf die peripheren Komponenten der Brennstoffzelle und die sogenannte „Balance of Plant“. Hierfür entwickeln die Projektpartner neue Komponenten, zum Beispiel für die Zufuhr von Wasserstoff und Sauerstoff in der Brennstoffzelle, für das Wärmemanagement und die Funktionsüberwachung des gesamten Brennstoffzellensystems.

Mit dem Interreg-Projekt H2SHIPS demonstrieren das EIFER und die Partner in zwei Pilotprojekten die technische und wirtschaftliche Machbarkeit von Wasserstoff-Betankungsanlagen und -antrieben in der Schifffahrt. In den Niederlanden wird ein wasserstoffbetriebenes Hafen- und Binnenschiff gebaut, in Belgien ein Wasserstoff-Betankungssystem für den Betrieb auf hoher See entwickelt und getestet.

Ein ganz anderes Ziel verfolgen wir im fünften Projekt FCHgo!, das sich an Erziehungswissenschaftler, Pädagogen, Schüler und Lehrer richtet: Mit einem Schülerwettbewerb, Spielen, Geschichten und lebensnahen Beispielen aus der Anwendung setzen wir auf narrative Elemente, um jungen Menschen die Wasserstoffenergie nahezubringen.


Als Partner in fünf EU-Projekten trägt die Steinbeis 2i GmbH zur Transformation des Verkehrs bei und unterstützt die Markteinführung von Wasserstofftechnologien in Europa:

COSMHYC: EU-Förderung 2,5 Mio. Euro (Fuel Cells and Hydrogen Joint Undertaking). Beteiligte Länder: Dänemark, Deutschland, Frankreich.
→ Mehr dazu: www.cosmhyc.eu

COSMHYC XL: EU-Förderung 2,7 Mio. Euro (Fuel Cells and Hydrogen Joint Undertaking). Beteiligte Länder: Dänemark, Deutschland, Frankreich.
→ Mehr dazu: www.cosmhyc.eu

INN-BALANCE: Projektfördersumme 4,9 Mio. Euro (Fuel Cells and Hydrogen Joint Undertaking). Beteiligte Länder: Deutschland, Österreich, Spanien, Schweden, Schweiz.
→ Mehr dazu: www.innbalance-fch-project.eu

FCHgo!: EU-Förderung 500.000 Euro (Fuel Cells and Hydrogen Joint Undertaking). Beteiligte Länder: Dänemark, Deutschland, Italien, Polen und Schweiz.
→ Mehr dazu: www.fchgo.eu

H2SHIPS: EU-Förderung 3,5 Mio. Euro (EFRE, Interreg Nordwesteuropa). Beteiligte Länder: Belgien, Deutschland, Frankreich, Niederlande, Großbritannien.

Kontakt

Dr. Marie-Eve Reinert (Autorin)
Senior Project Managerin Mobilität Brennstoffzelle und Wasserstoff
Steinbeis 2i GmbH (Stuttgart)
www.steinbeis-europa.de

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