Im Gespräch mit Steinbeis-Unternehmer Markus Klätte
Eine Kreislaufwirtschaft steht für die zeitlich maximale Nutzung von Produkten und Rohstoffen und nimmt sich den Stoffkreislauf der Natur zum Vorbild. Welche Rolle dabei das Recycling und die nachwachsenden Rohstoffe spielen und welche Fragestellungen Unternehmen in diesem Zusammenhang bewegen, darüber hat die TRANSFER mit Markus Klätte gesprochen. Er verantwortet die Steinbeis-Unternehmen Ressourcen-Technologie und Management sowie Ressourcen-Effizienz und weiß aus eigener Projekterfahrung, dass der bewusste Umgang mit Rohstoffen und Materialien die Grundlage für eine funktionierende Wirtschaft darstellt.
Herr Klätte, das Vorhandensein von Ressourcen ist die Voraussetzung für ein funktionierendes wirtschaftliches Ökosystem. Welche Bedeutung kommt aktuell dem Recycling beziehungsweise der Kreislaufwirtschaft zu?
Die Kreislaufwirtschaft ist ein sehr altes und etabliertes Konzept. Die Natur macht es vor und eine wirtschaftliche Herangehensweise hat seit jeher die Wiederverwendung von Waren und Materialien unterstützt, um mit wenig Aufwand den höchsten Nutzen zu erreichen. Ein bisschen durcheinandergekommen ist dieses Konzept durch die massenhafte Nutzung von fossilen Energien und Rohstoffen. Insbesondere Erdöl und Erdgas machten Energie und viele Materialien so billig, dass die Materialwirtschaft vielfach auf Kreisläufe verzichten konnte.
Manche Stoffkreisläufe sind schon länger wirtschaftlich, wie zum Beispiel von Glas, Papier und Stahl. Wir haben in Deutschland eine Quote von Recyclingmaterial beim Papier von ungefähr 70 %. Kunststoffe, vor allem die Postconsumer-Abfälle, sind da problematischer. Das wissen wir ganz genau, da wir uns intensiv damit befassen. Der Anteil von recycelten Materialien an der Gesamtherstellung von Kunststoffen liegt in Deutschland lediglich bei rund 12 %, wobei hier bereits die Produktionsabfälle mitgerechnet sind. Hier ist also noch viel zu tun.
Damit Kreisläufe besser funktionieren, müssen sie zunächst einmal so einfach wie möglich sein. Je komplizierter, desto weniger attraktiv. Aber genau das ist zu beobachten: Materialien werden in der Anwendung immer spezialisierter, zunehmend auf eine ganz konkrete Nutzung zugeschnitten und mit immer mehr Additiven versehen. Hier werden die klassischen Ansätze des Recyclings schwieriger und recycelte Materialien zeigen Nachteile in der möglichen Wiederverwendung, sodass die Anwendungsbreite dieser Werkstoffe schrumpft. Man muss also über weitere Kreisläufe, wie das chemische Recycling, nachdenken, bei dem zum Beispiel aus verunreinigten, schlecht mechanisch recyclebaren Abfällen neue Ausgangsstoffe für die Kunststoffproduktion hergestellt werden können.
Beim Recycling von Kunststoffen setzt man zunächst das klassische Recycling durch Sortieren und wieder Aufschmelzen zu Regranulat ein. Seit einiger Zeit gibt es lösemittelbasierte Ansätze, die Verunreinigungen aus dem Material entfernen. Aber auch dieser Ansatz hat Grenzen, es muss also weitergedacht werden. Als Verfahren des chemischen Recyclings könnten die seit langer Zeit bekannten Verölungs-, Depolymerisations- und Pyrolyseverfahren eine Rolle spielen. Aber diese sind noch nicht so richtig in den Startlöchern und haben noch einiges an Entwicklungsarbeit vor sich. Hoffnung macht, dass seit einigen Jahren auch große Unternehmen wie OMV und BASF sich für dieses Thema interessieren und längerfristig versuchen Entwicklungen zu unterstützen. Um noch mehr fossile Rohstoffe zu sparen, können auch nachwachsende Rohstoffe eingesetzt werden.
Können denn die nachwachsenden Rohstoffe das Ressourcenproblem lösen?
Ja und nein. Selbstverständlich müssen wir in eher näherer als fernerer Zukunft dazu kommen, auf fossile Energien und Rohstoffe zu verzichten, aus den uns allen bekannten Gründen. Während man vor einigen Jahrzehnten nur an die drohende Rohstoffknappheit dachte, spielt aktuell auch die CO2-Bilanz und damit der Energiebedarf eine entscheidende Rolle. Allerdings brauchen wir für nachwachsende Rohstoffe landwirtschaftliche Fläche und die ist begrenzt, schließlich kann man nicht Urwälder für Biorohstoffe roden. Darüber hinaus ist man schnell bei einer Art „Tank oder Teller“-Diskussion. Nachwachsende Rohstoffe sollten also am besten aus bestehender Abfallbiomasse wie Stroh stammen.
Dennoch sind nicht alle Kunststoffe aus nachwachsenden Rohstoffen gleich gut. Sie sollten sich auch in den Kreislauf einpassen lassen. Bei Biokunststoffen kann es vorkommen, dass diese zwar biologisch abbaubar, aber dann nicht recyclebar sind. Zu beachten ist auch, dass sie oft zwar ein bisschen schneller verrotten, aber am Ende häufig als Störstoff aus dem Kompost aussortiert und verbrannt werden müssen. Polyethylen hingegen ist vielseitig, kann sowohl aus fossilen als auch aus nachwachsenden Rohstoffen hergestellt werden, ist recyclebar, aber nicht bioabbaubar.
Um wieder auf den Ausgangspunkt zurückzukommen: Nachwachsende Rohstoffe sind – im Sinne der Kreislaufwirtschaft – nicht immer die beste, aber meist eine ziemlich gute Lösung.
Mit welchen Themen beschäftigen Sie sich aktuell in Ihren Steinbeis-Unternehmen?
Meist handelt es sich um Forschungs- und Entwicklungsprojekte rund um unser Kernthema: die Entwicklung beziehungsweise Tests von neuen Materialien, Nutzungsmöglichkeiten und Methoden des Kunststoffrecyclings im weiten Sinne. Hier finden wir Partner, strukturieren das Projekt und kümmern uns nicht zuletzt um die Finanzierung, Durchführung und den – hoffentlich erfolgreichen – Projektabschluss.
Zurzeit ist chemisches Recycling beziehungsweise Pyrolyse von Kunststoffen tatsächlich ein großes Thema. Mit Professor Seitz von der Hochschule Merseburg haben wir hier einen wichtigen Fachmann im Team, der Pyrolyse und alles, was damit zusammenhängt, von der Pike auf versteht. Hier steht vor allem die Frage nach der Zuverlässigkeit von Technologien im Vordergrund.
Manche Themen sind eher theoretischer Art: Im Auftrag des Bundesumweltamts und in Kooperation mit den Hochschulen Aachen und Merseburg vergleichen wir die derzeit vorhandenen Verfahren des chemischen Recyclings.
Darüber hinaus befassen wir uns auch mit Randthemen unseres Gebiets: Beispielsweise haben wir derzeit ein Projekt laufen, in dem wir die Probleme der Abfallwirtschaft in einer Pandemie untersuchen. Dazu nehmen wir uns dann externe Experten zu Hilfe, die unser Know-how ergänzen können.
Wie kann Ihrer Meinung nach eine nachhaltige und effiziente Ressourcennutzung jetzt, aber auch in Zukunft gewährleistet werden?
Zurück zur Natur geht leider nur im begrenzten Maße. Die Errungenschaften in der Materialentwicklung sind zu gut, um darauf zu verzichten. Letztendlich werden die Kreisläufe effizienter und damit im Sinne des Erhalts von Materialwerten wirtschaftlicher gestaltet werden müssen. Vermutlich wird es eine Vielzahl unterschiedlicher Kreisläufe geben. Und – ja – auf absehbare Zeit müssen wir in einer postfossilen Welt ankommen, ob wir das wollen oder nicht.
Informationen zu Depolymerisationsverfahren finden Sie in der in der Steinbeis-Edition erschienenen Publikation „Evaluierung unter Realbedingungen von thermisch-chemischen Depolymerisationstechnologien (Zersetzungsverfahren) zur Verwertung von Kunststoffabfällen“ (Depolymerisationsverfahren 2020) unter https://bit.ly/3eLcycr.
Kontakt
Markus Klätte (Autor)
Steinbeis-Unternehmer
Steinbeis-Transferzentrum Ressourcen-Technologie und Management (Halle)
www.steinbeis-rtm.com
Steinbeis-Innovationszentrum Ressourcen-Effizienz (Halle)